München
Der Maler und sein Tempel

Wie im Museum Villa Stuck in München der 150. Geburtstag des Künstlers gefeiert wird

19.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:29 Uhr

München (DK) Vor hundert Jahren, am 23. Februar 1913, steht ein einzelner Mann auf seinem Balkon über der Münchner Prinzregentenstraße. Alle Fenster der Villa sind erleuchtet. Noch heller aber strahlt das Meer von Fackeln, das sich mit rotem Schein vor dem Haus ausbreitet.

Gefeiert wird Franz von Stuck, der an diesem Tag 50 Jahre alt wird. Ihm zu Ehren veranstalten seine Schüler von der Münchner Akademie diesen Fackelzug. Der Malerfürst, der 1863 als Müllersohn im niederbayerischen Tettenweis zur Welt gekommen war, nimmt den Ruhm seiner Künstlerkarriere zum Anlass, den Fackelzug in einem Gemälde festzuhalten – es befindet sich heute in Privatbesitz.

In diesem Februar ist nun also der 150. Geburtstag des Franz von Stuck zu feiern. Und im städtischen Museum Villa Stuck nimmt man jenes Künstlerhaus in den Blick, das Stuck nach eigenen Entwürfen bauen ließ und dessen Innenarchitektur von ihm als Gesamtkunstwerk entworfen wurde. Sammlungsleiterin Margot Brandlhuber nennt die Villa „sein schönstes Kunstwerk“. Sie, die das Privileg hat, in diesen Räumen zu arbeiten, entwickelt derzeit eine Ausstellung, die den Titel trägt „Im Tempel des Ich“.

Das „Heiligtum des Hauses“, so Brandlhuber, ist der Altar der „Sünde“, jenes Frauenbildnis zwischen biblischer Eva und moderner Femme fatale, das damals einen Skandal auslöste, aber auch den Erfolg des Künstlers begründete. Das Bildnis hatte schon früh Kultcharakter, es ist durch den rekonstruierten Altaraufbau im Atelierzimmer, gleich vor dem großen Balkon, eine „moderne Ikone“, so Brandlhuber. Auge in Auge mit der verführerischen Frau und der Schlange, die sich um ihren Körper windet, erlebe der Betrachter eine Irritation zwischen Beklommenheit und erotischen Gefühlen.

Gäste von Stucks, so erzählt Brandlhuber, erkannten schon an den Dekorationen der Haustür die Anspielungen auf die antike Kultur. Vom Vestibül aus ist das Musikzimmer zu erreichen, wo Stuck vom raffinierten Bücherregal bis zur Beleuchtung durch glimmende Kohle-Drähte den in Gold funkelnden Innenraum entworfen hat. Leider haben sich bisher keine Einladungskarten gefunden, die den Musikgeschmack von Stucks verraten. Gäste zum Dinner bewegten sich gemessen über eine Treppe nach oben – und standen in dem großen Atelierraum mit Balkon unmittelbar vor dem Altar der „Sünde“ und dem Hausherrn im schwarzen Anzug. Unter den Gästen, die hier an einer langen Tafel speisten, war mindestens einmal auch Alma Mahler. Terpentin und Pinsel waren derweil im angrenzenden „Pinselzimmer“ verräumt.

Das Haus des Malerfürsten studiert Margot Brandlhuber seit dem Jahr 2002. Briefe und Autografen hat sie aufgespürt, und immer wieder nach den originalen Materialien geforscht, um Wandvertäfelungen zu rekonstruieren. Jetzt, im Jubiläumsjahr, ist es Zeit, die Villa Stuck mit anderen Künstlerhäusern zu vergleichen. Beispiele aus London und New York, aus Brüssel und Moskau wird die Ausstellung vorführen. Aber im Mittelpunkt steht das gebaute Selbstporträt von Stucks, sein Heiligtum und Mausoleum, sein „Tempel des Ich“. Das Geheimnis dieses Hauses umschrieb die frühere Direktorin Jo-Anne Birnie Danzker so: „Ich war immer davon überzeugt, dass der Villa Stuck am nächsten die Schlösser König Ludwigs sind. Es geht hier auch um eine wahre bayrische Identität. Nach außen wirkt das Haus verschlossen, doch wenn man durch die Tür eintritt und in den Garten geht, ist man zu Hause bei einem Künstler, der sich mit den ganz großen Fragen des Lebens und des Todes beschäftigt hat.“