Ingolstadt
Der letzte Vorhang für die Volksbühne

46 Jahre hat sich der Verein um die Theaterkultur in Ingolstadt bemüht, jetzt löst er sich auf

05.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Abschiedsbild: Christine Schauer lenkte 32 Jahre lang die Geschicke der Volksbühne Ingolstadt. Mit ihr tritt jetzt der gesamte Vorstand zurück. Das bedeutet das Ende des rührigen Vereins - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Für Knut Weber, den Intendanten des Stadttheaters, ist es eine „Katastrophe“. Die Ingolstädter Volksbühne, die 66 Jahre lang ihre Mitglieder für Theateraufführungen in Ingolstadt und weit darüber hinaus begeisterte, löst sich auf.

Mit einigen dürren Zeilen endete vor einigen Tagen eine Ingolstädter Theater-Tradition: „Der Verein ,Besuchergemeinschaft Volksbühne’ wurde in der Mitgliederversammlung am 30. Mai satzungsgemäß aufgelöst“, schreibt Schriftführer Gerold Christmann in einer Mitteilung an den DONAUKURIER. Der Verein wurde in dem Jahr gegründet, in dem sich im Stadttheater das erste Mal der Vorhang hob: 1966. Ziel war es, „möglichst weite Bevölkerungskreise für den regelmäßigen Besuch guter Theateraufführungen zu gewinnen“, heißt es in der Satzung. Zeitweise hatte der Verein 1300 Mitglieder. Zuletzt waren es 435.

Damit ist es jetzt vorbei, die letzte Vorsitzende, Christine Schauer, tritt nach 32 Spielzeiten ab und mit ihr die gesamte Vereinsspitze. „Wir haben im Vorstand immer im Team gearbeitet, deswegen gehen wir jetzt auch als Gruppe“, erklärt sie. Streit oder Unstimmigkeiten habe es nicht gegeben. „Ganz im Gegenteil“, betont sie.

Seit November suchte der Verein nach Nachfolgern für die Führungsriege. Selbst Knut Weber, der Intendant des Stadttheaters, setzte sich dafür ein. Bei beiden Versammlungen, in denen ein neuer Vorstand hätte installiert werden sollen, war er dabei. Es hat nichts genutzt. Niemand wollte das Ehrenamt übernehmen.

Die Besuchergemeinschaft Volksbühne nahm dem Ingolstädter Stadttheater zuletzt rund 4000 Tickets ab. Abonnements gab es für die Mitglieder zum Vorzugspreis, das Paket beinhaltete auch Besuche im Altstadttheater. Immer wieder organisierte die Gruppe auch Theaterbesuche in anderen Städten. Bis nach Prag und Dresden gingen die Fahrten. Intendanten schätzten die Kritik der Vereinsmitglieder als wichtigen Impuls für ihre Arbeit.

Das Ende des Vereins wertet Knut Weber, der Intendant des Ingolstädter Stadttheaters schlicht als „Katastrophe“. Auch, weil die Volksbühnen bundesweit eine lange Tradition hätten und die Theater in ihrem Bildungsauftrag unterstützten. In Ingolstadt sei der Verein stets „ein enger Verbündeter“ gewesen. „Ich bedauere das Ende außerordentlich“, so Weber. Die Auflösung des Vereins könne sich durchaus auf die Besucherzahlen des Stadttheaters auswirken. Zwar habe man den Vereinsmitgliedern verbilligte Theaterabonnements angeboten, „aber es wird wohl nicht gelingen, alle zu halten“, fürchtet Weber.

Das Ende des Vereins spiegele einen gewissen Zeitgeist wider, glaubt Weber. Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren, werde allgemein immer schwieriger. „Vielleicht muss man auch über neue Formen von Theaterabonnements nachdenken.“ Vielen Zuschauern seien die bestehenden Angebote wohl zu unflexibel. Ein Möglichkeit wären deswegen kleinere Ticketkontingente mit „variablen Elementen“, überlegt Weber.

Trotz allen Bedauerns hat die Sache zumindest für Christine Schauer auch etwas Gutes. Vielleicht schafft sie es jetzt, sich einmal als Statistin beim Theater zu bewerben. „Dafür ist bisher ja keine Zeit gewesen.“