Schwimbach
Der letzte Ortspfarrer von Schwimbach

Eberhard Hüttig beschreibt in seinem Buch seine erste Stelle als evangelischer Geistlicher

18.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:41 Uhr
Beim 50. Geburtstag der Gredinger Apostelkirche im September 2017 sahen sich alte Weggefährten wieder: Pfarrer Eberhard Hüttig (zweiter von links) im Gespräch mit den Pfarrern Winfried Buchhold und Rudolf Hackner (von links) sowie Pfarrer Frank Zimmer (stehend). Mit dem Architekten-Ehepaar Ingrid und Georg Küttinger, das die Apostelkirche geplant hat, unterhält sich Pfarrer Gottfried Stark. −Foto: Leykamm

Schwimbach/Greding (HK) Er war der letzte Ortspfarrer von Schwimbach und läutete mit seinem Weggang das Ende der Gemeinschaft der Kirchengemeinden von Schwimbach und Greding ein. In seinem Buch "Bevor ich Pfarrer wurde, hatte ich schon drei ,ordentliche' Berufe" schreibt der heute 78-jährige Eberhard Hüttig über sein Leben als Dorfpfarrer. Es gibt nicht nur Einblick in den Alltag und Auftrag eines Pfarrers, sondern zeichnet auch ein interessantes Bild der Nachkriegszeit bis ins 21. Jahrhundert.

"Der Heilige Geist weht zwar, wo er will, aber für manche Sachen braucht er halt Abitur." Mit diesem lapidaren Satz erklärt Eberhard Hüttig seinen "Umweg" über andere Berufe, bevor er 1971 ins Pfarrerseminar für Spätberufene eintrat. Die Möglichkeit, in die Oberschule zu gehen, Abitur zu machen und Theologie zu studieren, hatte der junge Eberhard nicht. Er war mit seiner Mutter und seiner kleinen Schwester aus Breslau geflüchtet und hatte in Niederbayern Unterschlupf gefunden. Kein leichter Anfang für die kleine Familie, waren die Drei doch als Flüchtlinge und noch dazu als Protestanten in den katholischen Dörfern nicht immer wohlgelitten.

Mit kleinen Anekdoten lässt Hüttig in seinem Buch diese Zeit lebendig werden. Als Protestanten hatten die Kinder während des katholischen Religionsunterrichts Freistunden. Das lieferte Stoff für manche Pöbelei. Erst ein Benediktinermönch aus Niederalteich machte damit Schluss, indem er die Protestanten kurzerhand in den Unterricht integrierte. Und den empfand der Siebenjährige als "schön und kindgemäß".

An acht Klassen in der Volksschule schlossen sich eine Schreinerlehre und daran fünf Jahre Arbeit in einem Vulkanisierbetrieb an. Dort erabeitete sich der junge Mann zwar nach oben, doch störte ihn, dass bei ihm als Berufsbezeichnung "Hilfsarbeiter" stand. Er wechselte zur Bundeswehr und verpflichtete sich als Zeitsoldat. Schon nach einigen Jahren war ihm klar, dass er nach seiner Dienstzeit Theologie studieren wollte. Er war deshalb "der Feldwebel, der Pfarrer wird". Nach acht Jahren dann ein kompletter Neuanfang: Eberhard Hüttig bestand die Aufnahmeprüfung für das Pfarrseminar für Spätberufene in Neuendettelsau, in dem man in drei Jahren Vollzeitstudium zum Pfarrverwalter ausgebildet werden konnte. "So viel Theologie wie nötig und so viel Praxis wie möglich" wurde den Seminaristen dort vermittelt.

1974 dann die Stunde der Wahrheit: Wohin würde die Landeskirche die neuen Pfarrverwalter schicken. Hüttig hatte sich einen Einsatz in einer Kleinstadt in der Diaspora gewünscht. Dieser Wunsch erfüllte sich nur zum Teil. Schwimbach mit Greding lautete seine neue Adresse. "Ein kleines mittelfränkisches Pfarrdorf als Wohnort hatte ich mir nicht gewünscht", räumt er ein. Sein erster Einsatzort erwies sich aber als relativ unkompliziert: "Von mir wurde erwartet, dass der kirchliche Service funktioniert. Wichtig war, dass wir im Dorf wohnten und im Pfarrhaus wieder Licht brannte."

Zur Pfarrstelle in Schwimbach mit Stetten und Dixenhausen, insgesamt 250 Gemeindeglieder, gehörte seit 1941 auch Greding. Von den damals dort lebenden 6300 Einwohnern waren gerade mal 650 evangelisch.Während in Schwimbach das Gemeindeleben von den Vereinen organisiert wurde, gab es in Greding feste Gruppen wie einen Altenkreis, einen kleinen Kirchenchor, Kindergottesdienst mit einer eigenen Leiterin und eine Jugendgruppe. "Da war überall meine Begleitung gewünscht", schreibt Erberhard Hüttig. Präparanden- und Konfirmandenunterricht im Winter, Religionsunterricht in allen Klassen, Besuche und Andachten im Altenheim und im Krankenhaus listet der Pfarrer weiter auf. Durch diese festen Termine sei er in Greding sehr viel mehr beschäftigt gewesen als in Schwimbach. Jedes Jahr hat er im Fahrtenbuch durch das Hin- und Herpendeln rund 10000 Kilometer abgerechnet.

Viel Neues hat der junge Pfarrer in seiner ersten Stelle auch über das Bauwesen gelernt, lief doch 1974 gerade die Außenrenovierung der Kirche in Schwimbach. Die Innenrenovierung, die Hüttig gleich darauf beantragt hatte, kam erst 1981 zum Abschluss. Noch ganz neu war in seiner Amtszeit die Apostelkirche in Greding. Deren Bau lag 1974 sieben Jahre zurück, war aber noch nicht komplett abgerechnet worden. Mit der Hilfe eines Kirchenvorstandsmit-glieds aus Weißenburg, der Beamter bei der Oberfinanzdirektion war, und des Gredinger Mesners, eines Verwaltungsangestellten in der Erprobungsstelle, wurde der Verwendungsnachweis erstellt. Dank des Tipps des Weißenburgers verbrauchten die Gredinger auch noch schnell den restlichen Bundeszuschuss für neue Paramente, das Pflastern der Wege und Treppen und eines Parkstreifens.

Die beiden Kirchengemeinden waren so unterschiedlich, dass in der Gemeindearbeit nur wenige Dinge gemeinsam möglich waren. Während es in Greding einmal im Monat einen Altennachmittag an einem Donnerstag gab, waren laut Hüttig Seniorennachmittage an einem Werktag in Schwimbach "unvorstellbar", weil die meisten der Älteren noch in der Landwirtschaft mitarbeiteten. Die Schwimbacher trafen sich einmal im Jahr an einem Adventssonntag zum Seniorennachmittag. Eberhard Hüttig beschreibt in seinem Buch viele Szenen am Rande, Begegnungen und Erfahrungen mit bekannten Gemeindegliedern, aber auch mit Unbekannten, er erzählt Anekdoten und gibt einen Einblick in das Familienleben der "Pfarrers" in der dörflichen Idylle. Die empfand er zwar als schön, auf Dauer aber recht anstrengend, musste man für Besorgungen und Einkäufe doch immer in den nächst größeren Ort fahren. Deshalb schlug er vor, das Pfarramt nach Greding zu verlegen, kam mit diesem Vorschlag aber nicht durch. Der sei wohl zu der Zeit "etwas zu modern" gewesen, ist er sich sicher.

Ende 1978 verließ Eberhard Hüttig Schwimbach und Greding. Zum Abschied schrieb er im Gemeindebrief: "Als ich vor vier Jahren hier meinen Dienst antrat, kam ich geradewegs vom Studium. Ich musste also noch in der Praxis lernen und zugleich den vollen Dienst als Pfarrer in der Doppelgemeinde tun. Im Rückblick darf ich dankbar feststellen, dass das mit Unterstützung durch die Kirchenvorstände, eines großen Helferkreises und durch das Mittun vieler Gemeindeglieder meistens recht gut gegangen ist. Ich danke Gott dafür, dass er mich am Anfang meiner Laufbahn als Pfarrer gerade in diese beiden Gemeinden gestellt hat ..."

Belastet hat Eberhard Hüttig seinen Worten zufolge stets, dass er zum letzten Pfarrer in Schwimbach geworden ist. Hätte er sich nicht weggemeldet, hätten die Schwimbacher noch einige Jahre länger einen eigenen Pfarrer gehabt. So wurde jedoch Schwimbach nicht mehr besetzt und gehört nun zur Pfarrei St. Michael in Thalmässing, die Kirchengemeinde Greding kam damals zu Offenbau.

Eberhard Hüttig: Bevor ich Pfarrer wurde, hatte ich schon drei ordentliche Berufe oder was macht der Pfarrer eigentlich am Werktag? Selbstverlag epubli, 2018, 576 Seiten, , ISBN: 978-3-7467-4578-7, 15,99 Euro

Andrea Karch