Ingolstadt
Der letzte Guss

Das Ende einer Industrieepoche: Vor 20 Jahren floss bei Schubert und Salzer das letzte Mal flüssiges Metall in eine Form

27.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:59 Uhr

Die Männer der letzten Schicht löschen die Öfen der Eisengießerei. 110 Jahre Industriegeschichte sind damit zu Ende. DK-Arch - foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Der 28. Juli 1995 war einer der traurigsten Tage in der Ingolstädter Gießereigeschichte. Heute auf den Tag vor 20 Jahren wurde bei Rieter die letzte Schmelze vergossen und der Zehn-Tonnen-Elektroofen Nr. 5 ausgeschaltet.

Nach 110 Jahren ging dieses Stück Ingolstädter Industriegeschichte zu Ende. Begonnen hatte sie am 1. April 1885, als nach der Zusammenlegung der Bayerischen Rüstungswerke die Königlich Bayerische Geschützgießerei und Geschossfabrik ihren Betrieb an der Donau aufgenommen hatte. Rund 500 Arbeiter produzierten in Friedenszeiten vornehmlich für die bayerische Armee. Mit den Materialschlachten des Ersten Weltkriegs stieg die Zahl der Arbeitskräfte in der Gießerei auf über 5700, davon fast ein Viertel Frauen.

Nach dem Krieg wurden alle Rüstungsbetriebe in den Deutschen Werken zusammengefasst. Die Gießerei konnte aber erhalten bleiben, da die Produktion von Spinnereimaschinen in Ingolstadt angesiedelt wird, aus der 1925 die Despag hervorgeht. 1938 ging die Aktienmehrheit an die Chemnitzer Firma Schubert und Salzer über.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gießerei ausgebaut und modernisiert. 40 Werkstoffqualitäten konnten ins In- und Ausland geliefert werden, die Ingolstädter waren bekannt für beste Qualität.

Seit 1987 im Besitz von Rieter, wollte man nochmals in die immer wieder von Schließung bedrohte Gießerei mit rund 700 Beschäftigten investieren, sie wurde mit dem Armaturenbereich ausgegliedert. Doch dann kam die Wende, und Arnold Kawlath, seit 1988 in Ingolstadt verantwortlich, verlagerte die Produktion nach Leipzig und Erla im Erzgebirge. Gleichzeitig wurde hier Personal abgebaut. Nach dem letzten Guss vor 20 Jahren wurden die Maschinen und Anlagen verschrottet oder bis nach Indien verkauft. Und die Stadt Ingolstadt verwirklichte den seit 1991 geplanten Ankauf des Gießereigeländes.