Pfaffenhofen
Der lange Weg in die Tiefe

Ulrich Kwasnitschka über die Qualität des Trinkwassers und die Gefahren aus der Überdüngung

04.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Experte zu allen Fragen rund um das Trinkwasser: Der Friedberger Ingenieur Ulrich Kwasnitschka. - Foto: Ermert

Pfaffenhofen / Friedberg (DK) Wie kommt das Nitrat ins Wasser? Wie gefährdet sind die Trinkwasservorkommen im Landkreis Pfaffenhofen und was bedeutet das für die Menschen? Das sind nur einige der Fragen, die der Geologe Ulrich Kwasnitschka im Interview erläutert.

Herr Kwasnitschka, trinken Sie Leitungs- oder Mineralwasser?

Ulrich Kwasnitschka: Ich trinke das Wasser aus der Leitung. Mit gutem Gewissen und ohne Sorge. Weil ich weiß, dass es auch in Bayern das am besten überwachte Lebensmittel ist.

 

Woran liegt das und wie können Sie diese Behauptung untermauern?

Kwasnitschka: Das liegt an der Struktur der Wasserversorgung im Freistaat. Die Überprüfung der Wasserqualität aus unseren Brunnen liegt in vielen Händen. Die Privatisierung, die vor Jahren mal gedroht hat, ist vom Tisch - und das ist gut so. Denn es ist besser, wenn in jeder kleinen Gemeinde ein Wasserwart seine Hand drauf hat, statt dass ein großer Konzern über allem steht.

 

Was halten Sie vom Grenzwert für Nitrat, der bei 50 Milligramm pro Liter liegt? Ist das angemessen?

Kwasnitschka: Die 50 Milligramm stehen in der Trinkwasserverordnung. Natürlich kann man darüber diskutieren, aber toxikologisch ist das ein begründeter Wert, der passt. Freilich gibt es Empfehlungen der EU oder der Weltgesundheitsorganisation, die zum Beispiel bei 25 Milligramm liegen. Aber es kommt bei jedem Gift auf die Dosis an - und so muss sich niemand Sorgen machen, wenn der Grenzwert eingehalten wird.

 

Der wird immer eingehalten? Auch im Kreis Pfaffenhofen?

Kwasnitschka: Natürlich. Die Messungen finden bei allen Wasserversorgungen regelmäßig statt und müssen öffentlich gemacht werden. Kein Wasserwart fördert weiter, wenn etwas nicht passt. Rund um Pfaffenhofen ist mit Sicherheit alles in Ordnung.

 

Auf einigen Mineralwasserflaschen steht der Vermerk "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung". Macht es das besser als Leitungswasser?

Kwasnitschka: In meinen Augen ist das vorrangig ein Werbegag. Es gibt Mineralwasserbrunnen, die sind mitten in der Stadt. Also ist die Quelle sicher nicht besser als bei Trinkwasserbrunnen. Aber es gibt hier klare Vorgaben und Grenzwerte, die ständig überprüft und eingehalten werden. Bei Mineral- oder gar Heilwasser denken die Menschen, die Qualität sei ganz toll - und sogar besser als bei Leitungswasser. Das ist nicht automatisch so. Letztlich ist beides gut: Mineralwasser genauso wie Leitungswasser.

 

Wie kommt das Nitrat eigentlich ins Trinkwasser? Ist das zweifelsfrei geklärt?

Kwasnitschka: Inzwischen ist eindeutig nachgewiesen, dass das Nitrat zum überwiegenden Teil aus der Überdüngung stammt - und das ist noch ein harmloser Ausdruck für das, was manche Landwirte anstellen.

 

Überdüngung ist Ihnen zu vorsichtig formuliert? Welche Bezeichnung würde passen?

Kwasnitschka: Ich war mal auf einer Infoveranstaltung, bei der es ein Landwirt nach ein paar Bier auf den Punkt brachte. Er fragte mich, wo er seine Gülle denn sonst entsorgen solle, wenn nicht auf den Feldern. Entsorgung der Gülle hat nichts mit ordnungsgemäßer Landwirtschaft zu tun. Es kann einfach nicht sein, dass das dann auf Kosten der Wasserqualität geht.


Ist denn seit den 90er Jahren etwas passiert, damit es besser wird? Oder sind die Probleme immer noch die alten?

Kwasnitschka: Der Staat ist aktiv geworden. Jetzt gibt es neue Vorschriften, den Grenzwert. Und es wurde auch etwas besser. In Bayern haben wir aber das Problem, dass die Landwirte eine große Lobby haben. In Baden-Württemberg sind die Schutzgebiete oft viele Quadratkilometer groß. In Bayern sind es meist nur wenige Hundert Meter. Damit die Bauern beim Bewirtschaften keine Hindernisse überwinden müssen. Aber das ist ganz sicher der falsche Weg.

 

Wer legt überhaupt fest und überprüft, was in den Schutzgebieten passiert?

Kwasnitschka: Die Festsetzung von Wasserschutzgebieten geschieht in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren durch die Landratsämter. Die Schutzgebietsverordnung wird in Zusammenarbeit mit den beteiligten Fachbehörden erarbeitet.

 

Welche Probleme hat ein Landwirt, wenn ein Feld im Schutzgebiet liegt?

Kwasnitschka: Das ist es ja. Wenn ein Landwirt sorgfältig ist und seine Arbeit versteht, hat er gar kein Problem. Er darf halt nur so viel düngen, wie die Pflanzen aufnehmen können. Aber das ist eigentlich ganz normal und sollte überall so sein. Nur die überschüssige Gülle geht in den Boden und bahnt sich langsam den Weg in die tieferen Schichten und ins Trinkwasser.

 

Ist es denn positiv, dass viele Landwirte ihre Gülle jetzt nicht mehr auf die Felder, sondern in eine Biogasanlage bringen?

Kwasnitschka: Für die Energiewende ist das gut. Für die Trinkwasserqualität aber ganz sicher nicht. Denn der Schlamm und die Reststoffe, die übrig bleiben, sind noch schlimmer für die Nitratbelastung als die reine Gülle. Und auch dieser Restschlamm wird wieder irgendwo ausgebracht.

 

Wie lange dauert es, bis die Gülle und damit das Nitrat den Weg ins Trinkwasser findet?

Kwasnitschka: Das ist völlig unterschiedlich und hängt von den hydrogeologischen Gegebenheiten ab.

 

Wie sind die denn in Südbayern - und vor allem in der Holledau?

Kwasnitschka: In der Holledau wird das Wasser aus den tertiären Schichten gefördert. Es befindet sich in den feinkörnigen Ton-, Sand- und Kiesschichten, meist zwischen 40 und 80 Metern Tiefe. Um es zu fördern, werden Tiefbrunnen gebohrt, die beispielsweise auf den ersten 40 Metern kein Wasser einlassen, ehe es in den tieferen Schichten durch feine Filtersande von allen Seiten in das Rohr eindringt.

 

Und in diese Schichten dringt das Nitrat nach und nach ein?

Kwasnitschka: Ganz genau. Es dauert Jahre oder Jahrzehnte, bis es dort unten ankommt. Im Gegenzug bedeutet das aber auch, dass es wiederum Jahrzehnte dauert, bis sich die Wasserqualität wieder bessert, wenn wir jetzt Gegenmaßnahme ergreifen. Es ist alles zeitverzögert.

 

Weiß man deshalb auch nicht genau, wie sich die Nitratbelastung in den kommenden Jahren verändert?

Kwasnitschka: Das ist schwer vorherzusagen. In Brunnen, deren Belastung seit Jahren steigt und die jetzt schon bei 25 oder 30 Milligramm liegen, wird es definitiv nicht besser. Es kann sein, dass der Wert bis auf 50 Milligramm oder höher steigt. Die Nitratkurve kann aber auch abflachen. Je nachdem, ob Gegenmaßnahmen getroffen wurden - und ob sie greifen. Gleiches gilt langfristig auch für Medikamente wie Diclophenac oder die Hormonbelastung durch die Pille. Wie schnell das im Tiefenwasser ankommt und wie schlimm die Belastung wird, ist offen.


Es gibt aber auch Gegenden, in denen das Trinkwasser von knapp unterhalb der Oberfläche geholt wird.

Kwasnitschka: In Südbayern ist das häufig, vor allem im Voralpengebiet. Das sind dann quartäre Schichten, aus denen das Wasser aus wenigen Metern Tiefe eingesammelt wird. Diese Schichten sind noch viel sensibler und anfälliger für hohe Nitratbelastung.

 

So gesehen ist die Holledau noch recht gut dran?

Kwasnitschka: Eigentlich schon. Tiefbrunnen sind zwar teurer, aber nicht so anfällig. Noch dazu ist das Düngen der Hopfengärten nicht ganz so schlimm wie die Gülle-Entsorgung in Gebieten mit Massentierhaltung.

 

Gibt es denn in Deutschland Gegenden, die jetzt schon mit ihren Nitratwerten an die Grenzwerte herankommen?

Kwasnitschka: In der Nähe der holländischen Grenze oder auch in Mecklenburg-Vorpommern sieht es schon ziemlich schlecht aus. Da gibt es riesige Ställe, viel Massentierhaltung und jede Menge anfallende Gülle. Dagegen sind wir in Bayern noch sehr gut aufgestellt.

 

Beim Bohren nach Wasservorkommen im Gemeindegebiet Rohrbach sind sie auch auf sogenannte Tiefenwässer gestoßen, die nicht gefördert werden dürfen. Was hat es damit auf sich?

Kwasnitschka: Diese Wasserspeicher befinden sich meist in den tieferen tertiären Schichten - und dürfen nach einem Landtagsbeschluss nur in Ausnahmen gefördert werden. Dieses Wasser ist mehrere Zehntausend Jahre alt und überhaupt nicht belastet. Nitrat kommt darin nicht vor, weil es keine direkte Verbindung zur Oberfläche gibt. Das Wasser ist sozusagen versiegelt. Die Ilmtalgruppe fördert in einigen Brunnen solch altes Wasser. Da es mit dem "normalen" Wasser gemischt wird, ist der Nitratwert auch mitten im Hopfenanbaugebiet somit im Schnitt noch sehr gut.

 

Wie stellen Sie fest, dass es sich um "altes Wasser" handelt?

Kwasnitschka: Wir Geologen reden da von der sogenannten Tritiumgrenze. Dieses Wasserstoffisotop ist völlig unschädlich für den Menschen, aber nur in Tiefenwasser zu finden, das über eine Verbindung zur Oberfläche verfügt. Weil es - und das hört sich jetzt bedrohlicher an als es ist - ein Nebenprodukt der Atombombentests in den 60er-Jahren ist. Wo Tritium drin ist, können auch Schadstoffe oder Oberflächenwasser hineinfließen.

 

Und wo es nicht nachweisbar ist, gibt es keinen Austausch und keine Neubildung mehr?

Kwasnitschka: Das ist dann jenes alte und damit schützenswerte Wasser.

 

Zurück zum Nitrat: Wenn der Grenzwert dauerhaft überschritten wird, passiert was?

Kwasnitschka: Dann muss der Brunnen geschlossen und ein neuer an einer besseren Stelle gebohrt werden.

 

Kann man das Wasser nicht nachträglich aufbereiten?

Kwasnitschka: Kann man. Aber gerade bei zu hoher Nitratbelastung ist das eine ausgesprochen teure Angelegenheit.

 

Das ist das Bohren neuer Brunnen aber auch.

Kwasnitschka: Das stimmt. Deshalb sollten wie bei allen Grundwasserverunreinigungen die Verursacher zur Verantwortung gezogen werden.

 

Wie könnte man gegensteuern oder die Bürger zumindest sensibilisieren?

Kwasnitschka: Es sollte nicht selbstverständlich hingenommen werden, dass unser wertvollstes Lebensmittel einfach so aus dem Hahn fließt. Ein Blick in die übrige Welt würde da helfen. Dort ist das oft nicht so.
 

 

Zur Person


Der Geologe Ulrich Kwasnitschka stammt aus Donaueschingen und hat an der Montanuniversität im österreichischen Leoben studiert. In den 80er Jahren leitete er die Brunnenbau-Abteilung der Münchner Preussag. Seit 1990 lebt er zusammen mit seiner Frau in Friedberg und ist seit 26 Jahren Geschäftsführer des Ingenieurbüros Ingeo. Er berät Kommunen aus dem gesamten südbayerischen Raum in Trinkwasserfragen. Von Erkundungsbohrungen über Messungen bis hin zum Brunnenbau und zum Anschluss ans Netz gilt Kwasnitschka als Experte. Und auch im Wasserrecht und bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten kennt er jedes Detail. Seit Jahren steht er in engem Kontakt zur Gemeinde Rohrbach - und leitet auch die derzeitige Brunnenbohrung der Waaler Gruppe im Forst bei Fürholzen.

 

Das Interview führte Patrick Ermert.