Neuburg
Der lange Kampf für das sterbende Moos

07.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:20 Uhr

−Foto: Janda

Neuburg (DK) Das Donaumoos verschwindet. Schon seit Jahrzehnten nimmt der Torfkörper des größten Niedermoors in Süddeutschland durch die Trockenlegung stetig ab. Der Kampf für den Erhalt und damit zum Schutz des Klimas ist mühsam, doch er läuft. Vielen geht das aber nicht schnell genug.

Ein einzelnes Attribut reicht kaum aus, um das Donaumoos in seiner Gesamtheit zu beschreiben. Imposant, außergewöhnlich und unverwechselbar ist das Gebiet zwischen Donau-Auen im Norden und Spargelland im Süden. Doch der Landstrich mit der charakteristischen schwarzen Erde und den kilometerlangen Straßendörfern ist zugleich eigentlich unverzichtbar. Aber: Er ist dem Untergang geweiht. Dieses von Menschenhand gemachte Phänomen stellt die Entscheidungsträger im Kreis Neuburg-Schrobenhausen vor eine schier unlösbare Aufgabe.  

Um sie dennoch zu bewältigen, gehen Politik und Naturschutz mit seltener Einigkeit ans Werk. Der Ruf nach einem stärkeren und vor allem finanzkräftigeren Engagement des Freistaats ist allgegenwärtig. Und er ist mittlerweile auch in München angekommen. „Wir sind an der Sache dran“, erklärt etwa Roland Weigert. Der frühere Landrat und jetzige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der selbst mitten im Moos wohnt, hat das Thema bereits an oberster Stelle angesprochen. Der FW-Politiker zieht dabei mit seinem Landtagskollegen aus Neuburg, Matthias Enghuber von der CSU, an einem Strang. „Dieser Prozess muss eine überregionale Aufgabe werden“, sagt der Christsoziale. Der 1991 gegründete Donaumoos-Zweckverband, dem der Landkreis, die Gemeinden Karlshuld, Königsmoos und Karlskron, das schwäbische Pöttmes und der Bezirk Oberbayern angehören, ist aus Sicht vieler Fachleute mit diesem Mammutprojekt schlichtweg überfordert. Das bestätigt der Geschäftsführer. „Dafür sind wir einfach zu klein“, sagt Michael Hafner.  

Kein Wunder: Seit Jahrhunderten schon verschwindet das Donaumoos langsam – aber nach wie vor stetig. Das Problem beginnt mit der Besiedelung im späten 18. Jahrhundert und der damals forcierten Trockenlegung. Seitdem sind mehrere Meter Torfschicht verloren gegangen. Denn um die feuchte Mooserde für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, ziehen die ersten Siedler zur Entwässerung Dutzende Kanäle mit einer Gesamtlänge von mehreren Hundert Kilometern in die Landschaft. Die Folge dieses Eingriffs in die Natur: eine massive Moorsackung, durch die die Torfschicht mit Sauerstoff in Berührung kommt und sich langsam zersetzt – bis der Wind die immer feinkörnigere Erde abträgt. Experten gehen davon aus, dass im Donaumoos in den vergangenen 200 Jahren dadurch und auch durch den Torfabbau rund drei Meter Moortiefe und 6000 Hektar an Fläche verloren gegangen sind. Jedes Jahr kommen rund 1,3 Zentimeter dazu.

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Was wie der schleichende Verlust einer imposanten Landschaft klingt, die zugleich vielen bedrohten Tierarten wie dem Großen Brachvogel wichtigen Lebensraum bietet, kann allerdings für den Problemverursacher Mensch richtig bedrohlich werden. Denn in den verbliebenen rund 120 von einst 180 Quadratkilometern Moorfläche ist tonnenweise Kohlenstoff gespeichert. Durch den Schwund gelangt er als CO2 zusammen mit Lachgas in die Atmosphäre. Das Donaumoos wird also unfreiwillig zum Klimakiller. Dabei könnte ein intaktes Moor das genaue Gegenteil bewirken. Längst ist in den höchsten Stellen bekannt, dass die urtümlichen Landschaften nicht nur eine klimakühlende Wirkung haben, sondern obendrein deutlich mehr Kohlenstoff als Wälder speichern. Warum der Erhalt des Donaumooses nicht auch in München und Berlin höchste Priorität hat, ist daher für viele ein Rätsel.  

Das Ziel selbst ist hingegen spätestens seit dem Jahr 2000 klar und seitdem im Donaumoos-Entwicklungskonzept festgeschrieben. Schon damals steht fest, dass es nicht auf eine von zwei denkbar einfachen Lösungen, nämlich komplette Absiedlung oder komplette Zerstörung des Niedermoores, hinauslaufen kann. Stattdessen verknüpft das Konzept die Sicherung von Lebensraum und -grundlage von Menschen, Pflanzen und Tieren mit dem Erhalt des Donaumooses. „Durch die allgegenwärtige Klimaschutzdebatte ist der Moorschutz aber in den Vordergrund gerückt“, weiß Hafner. Dabei haben er und sein Team in den vergangenen Jahren schon Erfolge erzielt. „Vieles ist bereits passiert“, findet auch Stefan Kumpf, der Vorsitzende der Stiftung Donaumoos und Bürgermeister von Karlskron. Denn die Arbeit im Zweckverband läuft aus seiner Sicht gar nicht schlecht; als Beispiel nennt er mehrere Rückhalteräume, die zum Moorkörperschutz beitragen. „Das Problem ist aber, dass der Erhalt des Donaumooses in den Köpfen der Menschen nicht präsent genug ist.“

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Damit bringt der CSU-Politiker die größte Schwierigkeit auf den Punkt: Denn ohne ein Umdenken weg von einer flächendeckenden Bewirtschaftung der Landschaft in der heutigen Form ist das Moor nicht zu retten. Ansätze, wie es anders funktionieren könnte, gibt es schon zuhauf. Ein Beispiel ist die Erhöhung des Grünlandanteils im Moos samt Beweidung der Flächen, was freilich nur einen Stein im großen Mosaik darstellen kann. Bekanntester Vertreter dabei ist die Wisentherde am Haus im Moos, die obendrein zum Erhalt der stark bedrohten Art beiträgt. Auch Heckrinder und Murnau-Werdenfelser grasen schon im Donaumoos. Weitere Bausteine sind der Wechsel zum Anbau von Pflanzen in Feuchtkultur und die Herausnahme einzelner Flächen aus der Bewirtschaftung. Die Voraussetzung dafür ist für Kumpf und Co. aber klar: „Das geht nur gemeinsam mit den Anliegern.“  

Eine Art schleichende Enteignung über Nutzungseinschränkungen für Landwirte wäre in den Augen der Verantwortlichen aber fatal. „Das muss man mit den Bürgern machen“, stellt Matthias Enghuber unmissverständlich klar. Der Abgeordnete sieht in diesem Prozess eine „Generationenaufgabe“, die nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. „Verständnis zu schaffen – von Pöttmes bis nach Karlskron – ist eine Aufgabe von uns allen“, sagt Kumpf, der durchaus Widerstand erwartet. So wie in der Schorner Röste an der Grenze zum Kreis Aichach-Friedberg, wo eine geplante Renaturierung die Bürger auf die Barrikaden bringt. „Wir können uns aber nicht einfach wegducken, sonst ist das Moos unwiederbringlich verloren“, betont Kumpf, der auch einen sanften Druck von oben für einen geeigneten Weg hält. „Vielleicht muss man uns ein bisschen dazu zwingen.“  

Große Hoffnungen setzt die Neuburg-Schrobenhausener Politik auf die Versprechen aus München, ein Moor-Institut am Haus im Moos in Kleinhohenried anzusiedeln. Die Entscheidung dazu hat das bayerische Kabinett im vergangenen Sommer getroffen. „Diese Millionen wären hier gut genutzt“, findet Landrat Peter von der Grün, der in engem Kontakt zum bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (beide FW) steht. Dem Kreischef schwebt ein intensives Engagement des Freistaats zum Erhalt des Moorkörpers vor.

Mehr zum "Haus im Moos" im Bayerischen Landtag lesen Sie hier.

Das Haus im Moos wäre dazu aus Sicht der Fachleute im Landkreis bestens geeignet. Seit 1998 ist die Umweltbildungsstätte samt Freilichtmuseum in Betrieb, seitdem informiert sie über die Besonderheiten der Moorlandschaft und dessen Geschichte – und über Chancen und Probleme im Moos.  

Dazu zählen die beiden Abgeordneten Enghuber und Weigert auch den Hochwasserschutz. Denn im Donaumoos sind neben Schadstoffen auch zig Millionen Kubikmeter Wasser gespeichert. „Alle Prozesse dort gehen Hand in Hand“, weiß der Staatssekretär aus Karlshuld, der eine nachhaltige Nutzungsperspektive nur mit Unterstützung des Freistaats für umsetzbar hält. Mit den beiden Parlamentariern, die zudem aus beiden Regierungsparteien stammen, sieht auch der Landrat eine günstige Konstellation. Dennoch geht auch im Hintergrund die Arbeit weiter; unter anderem mit einer Einladung an Ministerpräsident Markus Söder und Umweltminister Glauber, sich das Donaumoos anzusehen.

Das sagt das Ministerium

Der Ruf nach einem stärkeren Engagement des Freistaats im Donaumoos ist laut. Doch  untätig ist München schon jetzt nicht. Tatsächlich unterstützt der Staat die Umsetzung des Donaumoos-Entwicklungskonzepts bereits seit Jahren, beispielsweise beim Ankauf von Flächen. Rund 600 Hektar sind  nach Angaben des  Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz   mit Mitteln aus dem Bayerischen Naturschutzfonds und aus dem Haushalt erworben worden. In die Umsetzung des  Gesamtgutachtens Donaumoos fließen obendrein bis zu 500 000 Euro pro Jahr, ebenfalls aus dem Fonds.  Das Geld ist  für den Grunderwerb und das Projektmanagement im Donaumoos-Zweckverband  vorgesehen, heißt es dazu aus München. 
Auch mehrere Hochwasserschutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren wertet das Ministerium als Beitrag zum Moorkörperschutz, ebenso die Ausweitung der moorschonenden Grünlandnutzung im Donaumoos. Im Detail geht es dabei um eine Steigerung von 980 Hektar im Jahr 2009 auf rund 1270 in 2017, heißt es. Schließlich verweist die Staatsbehörde auch auf den Masterplan „Moore in Bayern“, den das Kabinett im Vorjahr als ressortübergreifende Maßnahme beschlossen hat. Inhalt ist demnach ein breites Spektrum an Vorhaben – von der klassischen Renaturierung geschädigter Moore bis hin zur moorverträglichen Nutzung durch die Landwirtschaft. Auch neue Anbaumethoden sind das Ziel dieses Pakets, über das die beiden Neuburg-Schrobenhausener Abgeordneten Matthias Enghuber (CSU) und Roland Weigert (FW) auch die Einrichtung eines Moorinstituts  erreichen wollen.  Dieses soll im Idealfall – und wie von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) versprochen – am Haus im Moos in Kleinhohenried angesiedelt werden. 

 

Stefan Janda