Paris
Der Lachs reist um die halbe Welt

Von Norwegen über Schottland nach Polen und China: Globalisierung hat Fischzucht fest im Griff

14.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:18 Uhr

Bis er in der Verkaufstheke landet, wird der norwegische Zuchtlachs bis nach China verschickt - zulasten der Umwelt. ‹ŒArch - foto: Hollemann/dp

Paris (AFP) Der Billig-Räucherlachs auf der Frühstückssemmel hat womöglich eine lange Geschichte zu erzählen. Er könnte sein Leben als Fischlaich in Norwegen begonnen haben und dann in Schottland aufgewachsen sein. Von einer Fischfarm an der Küste ging es wahrscheinlich nach Polen zum Räuchern, halb um die Welt nach China, um dort in dünne Scheiben geschnitten zu werden.

Erst danach ging es verpackt weiter in den Supermarkt.

Die Globalisierung hat die Welt auf viele Arten verändert. Doch die Fischzucht ist eines der besten Beispiele für ihre Vor- wie Nachteile und versteckte Kosten. Dreh- und Angelpunkt ist China - der weltgrößte Exporteur von Fischprodukten, der größte Produzent von Zuchtfischen und gleichwohl auch ein wichtiger Importeur. Mit ganzen Bataillonen an Billigarbeitskräften und Anschluss an Märkte mit einem Netzwerk aus speziell ausgerüsteten Schiffen ist die Volksrepublik für die Fischverarbeitungsindustrie unverzichtbar.

Eine "riesige Menge" an gefrorenem Fisch werde nur zum Filetieren nach China geschickt, ist aus einem Importeurverband in einem Mitgliedsland der Europäischen Union zu hören. Die Temperatur des Fisches werde nur so weit erhöht, dass das Schneiden möglich sei. Richtig aufgetaut werde er nicht.

Dieses Vorgehen half den chinesischen Küstenprovinzen Liaoning und Shandong, zu weltweit wichtigen Zentren der Fischverarbeitung zu werden. Doch die globalisierte Fischindustrie sorgt für einen hohen Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid und viele andere Folgen, die für Verbraucher nicht sichtbar sind.

Don Stanifood, Chef der weltweiten Allianz gegen die industrielle Aquakultur, bezeichnet die Produktions- und Transportkette der Fischindustrie als "Wahnsinn". Die Vorstellung, wie ein wilder schottischer Lachs aus einem Fluss auftaucht, sei überholt. Die schottische Fischzucht werde zu 60 bis 70 Prozent von norwegischen Firmen dominiert.

Schottische Fischfarmen importieren Fischeier aus Norwegen, das Futter aus Chile, und verschiffen den Fisch dann nach Polen zum Räuchern - "weil es billiger ist", betont Staniford. "Verbraucher merken nicht, dass billiger Supermarkt-Lachs mit hohen sozialen und umweltschädlichen Kosten einhergeht."

Ein Problem dieser Vernetzung von Märkten ist die Verbreitung von Krankheiten und Ungeziefer. Antibiotikaresistente Erkrankungen oder Parasiten wie die Seelaus bedrohen nicht nur die Bestände der Wildlachse, sie führen auch zu Massenschlachtungen auf riesigen Fischfarmen - und treiben damit die Preise nach oben.

Zudem brechen bei Stürmen immer wieder Zuchtlachse aus den Mastgehegen vor den Küsten aus. Diese allein auf schnelles Wachstum getrimmten Fische ziehen dann in der Laichzeit die Flüsse hinauf und kreuzen sich dort mit ihren wilden Artgenossen. Deren Nachkommen sind wegen des schlechten Genpools der Zuchtfische im offenen Ozean aber auf Dauer nicht überlebensfähig. Mehrere solcher Massenausbrüche von Zuchtlachsen vor Schottland sowie Seeläuse in den Flussmündungen haben dort Wildlachsbestände in einzelnen Flüssen bereits ausgelöscht.

Doch trotz solcher Rückschläge bleibt das ökonomische Potenzial der weltumspannenden Fischindustrie enorm. Der Markt der globalen Aquakultur wird von Allied Market Research für das Jahr 2022 auf einen Wert von 242 Milliarden Dollar (228 Milliarden Euro) geschätzt. Im Jahr 2015 waren es 169 Milliarden Dollar. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Weltbank gehen davon aus, dass bis 2030 zwei Drittel der Meeresfrüchte auf den Tellern von Verbrauchern aus Aquakultur stammen.

Wer auf seinen Räucherlachs nicht verzichten möchte, kann zur Bio-Variante greifen. Auch dieser "Salmo salar" stammt zumeist aus Aquakultur, wurde aber umweltgerecht gezogen.