Mehr als ein Meme
Der Klischee-Deutsche: Was steckt hinter dem Wort "Alman"?

25.04.2022 | Stand 03.05.2022, 3:33 Uhr
Weiße Tennissocken in Sandalen: Das trägt der Klischee-Deutsche gerne. "Almann" ist der ironische Begriff für den deutschen Spießbürger, der sich in Popkultur und Sprache immer mehr durchsetzt. −Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Sie sind immer pünktlich, tragen weiße Socken in Sandalen und schreiben liebend gern Beschwerdezettel in Hausfluren: Almans.

Die Bezeichnung für stereotype deutsche Spießbürger hat in den vergangenen Jahren einen Erfolgszug durch das Internet hingelegt.

Vom Hashtag und Meme bis hinein in die Popkultur und Wirtschaft - Almans sind im Internet präsent. Die Betreiber des Instagram-Accounts "alman_memes2.0" haben aus dem Begriff fast schon eine Marke entwickelt - inklusive zwei Büchern, in denen es um das Kleinstadtleben der Familie Ahlmann geht. Der zweite Band der Reihe ist nun erschienen.

Doch der Ursprung des Wortes geht über reine Witze im Internet hinaus - und erzählt auch eine gesellschaftliche Geschichte, von Selbstermächtigung und Identität. Das Wort stammt aus dem Türkischen und heißt dort einfach "deutsch" oder auch "Deutscher". Neben der reinen Übersetzung sei Alman vor allem eine "ironische Bezeichnung für Menschen, die als besonders pünktlich, spießig, prinzipientreu und pingelig gesehen werden - Eigenschaften, die im Alltagsverständnis als besonders ,deutsch' gelten", sagt Cihan Sinanoglu, der am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin zu Rassismus forscht.

Doch neben der lustigen Verwendung habe das Wort auch eine andere Dimension. "Diesen Begriff zu verwenden, ist auch eine Form der Selbstermächtigung von migrantischen und migrantisierten Jugendlichen", sagt der Sozialwissenschaftler. "Sie drehen damit den Vorgang der Zuschreibung um. Sonst sind sie es ja immer, denen pauschal bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. "

Das Wort "Alman" wird immer häufiger verwendet

Immer öfter benutzen aber auch Menschen ohne Migrationshintergrund das Wort. Moderator Jan Köppen etwa, der einen Beschwerdezettel für seine Nachbarn an die Mülltonnen hängt und sich dabei auf Twitter als Alman bezeichnet. Oder Comedian und Schauspieler Phil Laude, der dem Alman 2019 ein ganzes Lied widmete.

Und eben Sina Scherzant und Marius Notter, die hinter dem Instagram-Account "alman_memes2.0" stecken. In ihrem zweiten Roman "Randale, Randale, Trekkingsandale" widmen sich die beiden Autoren auf rund 240 Seiten der frisch gewählten Bürgermeisterin Anette Ahlmann, ihrer Familie und dem "Kleinstadt-Wahnsinn".

Alman: Eine Diskriminierung?

Auch wenn sie den Begriff Alman im Internet und ihren Büchern nutzen - Notter und Scherzant wollen sich selbst lieber nicht wie klassische Almans aufführen. "Wir versuchen, das zu vermeiden", sagt Notter. "Unsere Seite heißt weiterhin so, damit die Leute uns finden, aber der Fokus unserer Memes und Witze hat sich sehr verschoben und zielt schon immer - aber mittlerweile noch viel mehr - auf aktuelle Geschehnisse oder allgemeinere Situationen ab", sagt Scherzant.

Dass die Bezeichnung mittlerweile auch in der Popkultur und im Alltag seinen Platz hat, sieht Sinanoglu positiv. "Der Begriff wird in einer spielerischen Form verwendet. Das trägt dazu bei, diese verkrampften Identitätsdiskussionen zu entkrampfen", sagt der Sozialwissenschaftler. "Wenn ,Almans' selbst damit anfangen, Bücher über ?,Almans' zu schreiben, dann ist das ein Zeichen dafür, dass alles nicht mehr so schlimm sein kann. "

Dennoch gibt es immer wieder Diskussionen - einige fühlen sich durch die Bezeichnung beleidigt oder diskriminiert. Sinanoglu tritt solchen Argumenten entschieden entgegen. "Mit Rassismus hat das nichts zu tun. Kein Mensch, der ironisch als ,Alman' bezeichnet wird, hat deshalb schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder Wohnungsmarkt. Rassismus hat immer einen strukturelle Charakter", sagt er. "Mag sein, dass sich manche durch diesen Begriff angesprochen und beleidigt fühlen. Aber ich würde hier für ein bisschen mehr Gelassenheit und Humor plädieren. "

dpa