Rio
Der Kampf um den vierten Stern

Kapitän Philipp Lahm hält seine Generation reif für den Titel

11.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr

Rio de Janeiro (DK) Es ist angerichtet, das Ziel ist im Visier. Der Traum eines jeden Fußballers wird am Sonntag Wirklichkeit: Weltmeister im Estádio do Maracanã. Doch die Gefahr des Albtraums ist entsprechend groß, denn Fußball ist auch Schicksal. Die Deutschen gehen als Favorit ins Spiel gegen Argentinien. „Wir hauen alles raus“, kündigte Thomas Müller gestern an.

Natürlich hatte keiner ernsthafte Zweifel, dass Philipp Lahm im Maracanã dabei sein wird, denn nur zum Spiel um Platz drei wäre er vorzeitig abgereist. Gestern Morgen bestätigte Lahm das, was in den Tagen zuvor schon deutlich wurde: Das Team ist trotz oder wegen des 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien auf dem Boden geblieben. Sorge vor Übermut bestehe nicht. „Wir wissen, wie es ist, so ein Finale kann in beide Richtungen gehen und trotzdem: Wir sind überzeugt und wir gehen natürlich mit Selbstvertrauen nach Rio“, so Lahm. Seine Generation sei reif für den Titel, viele seiner Teamkollegen seien „Säulen in großen Mannschaften“. Lahm: „Jetzt sind wir einen Schritt vor dem großen Ziel entfernt und den wollen wir natürlich auch machen.“

Eine System-Änderung ist gegen Argentinien nicht zu erwarten, die deutsche Mannschaft will mit dem Personal aus dem Halbfinale auch das Finale bestreiten und den neuen Jogi-Fußball spielen, der sich erst in den beiden letzten Spielen gegen Frankreich und Brasilien entwickelt hat. Nicht in Schönheit zu verlieren, sondern zielgerichtet mit schnörkellosem Fußball den Erfolg erzwingen. Sami Khedira drückt es so aus: „Wir wollen nicht wieder die Sympathien gewinnen und am Ende mit leeren Händen dastehen.“ Thomas Müller hatte gestern zugegeben, dass sich die Mannschaft in der Halbzeit beim 5:0 gegen Brasilien einig gewesen sei: Nicht „Hacke, Spitze, eins-zwei-drei-Fußball“ zu zeigen, sondern das Spiel seriös zu Ende zu spielen, ohne arrogant und überheblich zu wirken.

Ein Auftreten, das ihnen in Brasilien sehr viel Sympathie eingebracht hat, die Brasilianer sind morgen auf der Seite der Deutschen, was sich allerdings auch schon aus der ständigen Rivalität zwischen Brasilien und Argentinien ergibt – ähnlich der deutsch-holländischen Fußballrivalität. Dennoch: Deutschland hat durch den Fußball, aber auch durch das Benehmen rund um das Campo Bahia sehr viele Sympathien bei den Brasilianern erworben.

„Wir wissen, dass wir noch nicht am Ende sind“, hatte Miroslav Klose am Vortag betont. Er hat die Erfahrung eines verlorenen WM-Endspiels 2002 machen müssen. Chef-Taktiker Joachim Löw: „Ich glaube, dass die Mannschaft bereit ist, das Finale zu gewinnen.“

Für den Trainer wäre der Finalsieg die logische Konsequenz und die Krönung seiner Karriere: einmal Zweiter (EM 2008), zweimal Dritter (WM 2010, EM 2012). Mit dem Sieg würde Joachim Löw in die Garde der legendären WM-Titeltrainer Sepp Herberger (1954), Helmut Schön (1974) und Franz Beckenbauer (1990) aufrücken, bei einer Niederlage würde er mit dem Nimbus des „Unvollendeten“ weiter behaftet sein.

Im Vorfeld erinnert viel an das Finale 1990 in Rom. Auch damals ging Deutschland als Favorit in das Spiel. Auch damals hat Argentinien all seine Verteidigungsstrategien auszuspielen versucht, was 85 Minuten gelang, ehe Rudi Völler im Strafraum fiel und Andy Brehmes Elfmeter ganz Deutschland glücklich machte.