Der indirekte Lokführer

Die Firma Triorail aus Pfaffenhofen erobert mit Funk- und Steuerungsmodulen den Weltmarkt

14.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:41 Uhr

Foto: Petra Frye-Weber

Pfaffenhofen (PK) Als Horst Fenske die beiden Cousins Ludwig und Jürgen Hofmann bei Siemens kennenlernte, arbeiteten alle drei an der Entwicklung mobiler Telefone, die zu dieser Zeit nur hochrangigen Politikern oder Wirtschaftsbossen vorbehalten waren, die unvorstellbare Größe eines Reisekoffers hatten und wahnsinnig teuer waren.

30 Jahre nach diesem telekommunikativen Steinzeitalter stehen diese drei Köpfe hinter dem 2002 gegründeten Unternehmen Triorail, das sich auf Funk- und Steuerungsmodule für Eisenbahnunternehmen spezialisiert hat und das heute bei einem jährlichen Marktwachstum von rund drei Prozent in beiden Bereichen mit 55 beziehungsweise 75 Prozent Marktanteil Weltmarktführer ist.

Dabei ist das seit April 2015 in Pfaffenhofen ansässige Unternehmen selbst engen Nachbarn nahezu unbekannt. „Das liegt daran, dass die Verbraucher, also die Bahnkunden, zwar allenthalben indirekt mit unseren Produkten zu tun haben, aber zu keiner Zeit direkt mit ihnen in Berührung kommen“, vermutet Geschäftsführer Horst Fenske. An nur zwei Beispielen wird allerdings der Nutzen dieser Funktechnik augenfällig deutlich. Mit der zentralen Steuerung des Zugverkehrs könne allein die Deutsche Bahn, als deutschlandweit größter Stromkunde, jährlich drei Prozent ihres Strombedarfs einsparen. „Das entspricht 500 Millionen Euro“, rechnet Horst Fenske vor.

Denn wenn die rund 3000 eingesetzten Züge per Funksteuerung optimal geleitet werden, schaffen sie sich quasi selbst ihre grüne Welle und reagieren rechtzeitig und vorausschauend auf etwaige Behinderungen. „Dennoch“, so betont Fenske, „geht es bei der Technik in erster Linie um Sicherheit.“ So erinnert er an ein Zugunglück, das durch die Nutzung von Datenfunk hätte verhindert werden können. Im konkreten Fall bemerkte ein Zugführer eine Schafherde in einem Tunnel. Obwohl er diesen noch ohne Zwischenfall passieren konnte und auch umgehend einen Notruf absetzte, konnte der nachfolgende Zugführer nicht mehr rechtzeitig, sondern erst 20 Minuten später informiert werden. Der mit 170 Personen besetzte ICE entgleiste und 20 Fahrgäste wurden verletzt. „Via Datenfunk hätte die Informationskette nicht 20 Minuten benötigt, sondern nur wenige Sekunden und das Unglück hätte verhindert werden können“, erläutert Fenske die sicherheitsrelevanten Vorzüge. Diese Module finden auch in Fahrkartenautomaten, in Anzeigetafeln auf den Bahnsteigen, in Notruftelefonen, in Weichenheizungen oder Kontrollgeräten Verwendung.

Einen großen Einschnitt erlebte Triorail 2012. Ausgangspunkt war, dass die Deutsche Bahn eine tragfähige Lösung gegen die zunehmenden Störungen durch den Handyfunkbetrieb suchte. Auf die stattliche Anzahl von rund 400 beliefen sich Störstellen jährlich und beeinträchtigten den Zugverkehr damit erheblich. Die Standardisierungsbehörde für Telekommunikation nahm sich dieses Problems an und suchte eine Lösung. In dem entsprechenden Gremium saß auch Horst Fenske, dem es mit dem Team von Triorail gelang, sowohl einen neuen Telekommunikationsstandard als auch parallel dazu das passende Produkt zu entwickeln, um diesen in die Praxis umzusetzen.

Triorail ist somit derzeit der einzige Anbieter, der eine funktionierende Lösung für das Problem anbieten kann. Die entsprechenden Verträge für alle ICEs laufen noch bis 2031. „Von 2012 bis 2013 sind wir um 250 Prozent gewachsen“, sagt Fenske. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 30 Mitarbeiter, die überwiegende Mehrheit davon sind Techniker. Gefertigt werden die Produkte von Partnerunternehmen, dabei greifen die ehemaligen „Siemensianer“ auf ein dicht gewebtes und funktionierendes Netzwerk, geknüpft in ihren vorherigen Tätigkeiten, zurück. Den Vertrieb übernehmen weltweit Distributoren.

Dennoch musste das Unternehmen seinen angestammten Sitz in Ilmmünster infolge des Firmenwachstums verlassen und bezog im April dieses Jahres neue Büroräume in der Luitpoldstraße in Pfaffenhofen. Hier haben die Mitarbeiter wieder ausreichend Platz und es können sogar noch neue Kräfte dazu kommen. Besonders begehrt sind bei Horst Fenske und Jürgen Hofmann Werkstudenten. „Wir sind nach wie vor sehr entwicklungslastig und bieten daher natürlich viele interessante Aufgaben für Nachwuchskräfte“, ist sich Fenske sicher.

Dabei hatte niemand der Beteiligten das rasante Firmenwachstum vorhersehen können. So blieben Ludwig und Jürgen Hofmann in den Anfangsjahren noch auf Teilzeitbasis bei Siemens beschäftigt und widmeten sich „lediglich“ in der verbliebenen Zeit dem eigenen Unternehmen. Auch Horst Fenske suchte zunächst noch andere berufliche Herausforderungen. Erst im Laufe der Zeit gewann die selbstständige Tätigkeit Oberhand. Der tragische Tod Ludwig Hofmanns bedeutete eine entscheidende Zäsur in der noch jungen Firmengeschichte. Großen Wert legen die beiden Geschäftsführer Fenske und Hofmann darauf, das Andenken an ihren Freund und Partner zu bewahren, was nicht zuletzt durch das Festhalten an dem Firmennamen „Triorail“ verdeutlicht wird.