Ingolstadt
Der Herr der Wahlen

Amtsleiter Andreas Perlinger ist in den Ruhestand gegangen

11.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:05 Uhr
So viele Kandidaten und ein Organisator: Andreas Perlinger mit einem der Stimmzettel, die bei den Kommunalwahlen immer besonders üppig ausfallen. −Foto: Foto: Hauser/Archiv

Ingolstadt (DK) Dass Andreas Perlinger (64) seine 40 Dienstjahre bei der Stadt Ingolstadt nicht als distanzierter Bürokrat weitab vom Alltag der Bürger zugebracht hat, wird einem allerspätestens beim Gespräch im Innenstadtcafé klar. Alle fünf Minuten kommt jemand am Tisch vorbei, der freundlich winkt, grüßt oder dem langjährigen Amtsleiter mit ein paar netten Worten die Hand gibt.

So wie das ältere Paar - ein Chinese und eine Französin, wie Perlinger weiß -, das offensichtlich mit der Ausländerbehörde in Ingolstadt gute Erfahrungen gemacht und dessen Chef als Menschenfreund kennengelernt hat. Die beiden Herrschaften lassen es sich nicht nehmen, ihren Stadtspaziergang kurz zu unterbrechen, als Perlinger dem DK an der Ecke Schrannen-/ Harderstraße aus seiner Zeit bei der Stadtverwaltung erzählt.

Denn seit April ist er Pensionär, das Amt für Staatsangehörigkeits- und Ausländerwesen hat eine neue Leiterin. "Ich will jetzt erst einmal ein bisschen das Leben genießen", hat er sich vorgenommen. "ohne Druck." Der verwitwete Vater einer Tochter und eines Sohnes, der früh verstorben ist, war bei der Stadt immerhin für 36 Mitarbeiter verantwortlich - und vor allem für die reibungslose Organisation von Dutzenden Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Was die korrekte Abwicklung demokratischer Wahlen für einen Riesenaufwand erfordert, weiß in Ingolstadt wohl niemand besser als Andreas Perlinger.

Als "besonders spannend" hat er noch in Erinnerung, wie im September 2013 an zwei aufeinander folgenden Sonntagen der bayerische Landtag und der Bundestag neu gewählt wurden. "Das war heftig für die Kollegen und mich, die eine Wahl war noch nicht mal abgeschlossen, da geht die nächste los."

Bereits ein Jahr vor einem Wahltermin beginnen in der Regel die Vorarbeiten in den Büros der Stadt: Stimmbezirke festlegen mit etwa gleich viel Wahlberechtigten, Räume als Wahllokale aussuchen, meist in Schulen, dann rechtzeitig Wahlhelfer rekrutieren, ausreichend Material und IT-Ausstattung ordern. "Die Kommunalwahl", bestätigt der langjährige Amtschef, "ist das interessanteste und komplizierteste." Speziell: die Stimmzettel mit den jeweils 50 Stadtratskandidaten der einzelnen Listen vorbereiten. "Wenn Sie da irgendwo ein falsches Komma setzen oder einen Namen falsch drucken, können Sie den Zettel gleich wieder einstampfen."

Basis für den Stimmzettel bei den Kommunalwahlen ist das Protokoll ihrer Aufstellungsversammlung, das die Parteien in der Verwaltung abliefern müssen. "Bei den Berufen gibt's in der Regel Diskussionsbedarf", so die Erfahrung Perlingers. Es macht sich eben gut beim Wahlvolk, so glauben manche Stadträte in spe, wenn der Name des Kandidaten auf dem Stimmzettel noch mit einem "Prof." oder "Geschäftsführer" oder "Oberstudienrat" garniert wird.

Am Abend der Kommunalwahl trifft man dann im Sitzungssaal des Rathauses vorzugsweise die Wackelkandidaten, die lange um ihren Einzug in den Stadtrat bangen müssen. Doch anders als noch vor 20 Jahren, als die bedauernswerten Wahlhelfer eine unglaubliche Fleißarbeit hinlegen und oft bin in die Morgenstunden auszählen mussten, helfen inzwischen Barcode und Lesestift, die Prozedur zu beschleunigen und zu vereinfachen. Vor Mitternacht steht meist die Zusammensetzung des neuen Stadtrats fest, der gewählte OB sowieso.

Als einer der wenigen Amtsleiter in der Stadtverwaltung mit SPD-Parteibuch versichert der Ruheständler: "Ich hab zu allen Parteien ein gutes Verhältnis. Ich bin vereidigter Beamter und weiß, was zu tun ist."

Zumal Perlinger sich auch auf anderen Feldern viel Vertrauen in der Bevölkerung erworben hat. Als Leiter des Ausländeramtes waren ihm regelmäßige Kontakte mit den verschiedenen Migrantengruppen und ihren Vereinen eine selbstverständliche Pflicht. "Ich durfte auch zwei Mal in der Moschee sprechen", lässt er nicht unerwähnt. Und weil gerade das Asylproblem allgegenwärtig scheint: "Eine Flüchtlingskrise", das weiß der besonnene Verwaltungsmann am besten, "haben wir doch schon damals mit 1300 Flüchtlingen aus Jugoslawien gehabt."

Wer gern mit dem Radl fährt und sich trotzdem kein neues High-Tech-Gefährt für ein paar tausend Euro zulegen will, war lange Zeit ebenfalls bei Andreas Perlinger an der richtigen Adresse. Denn das städtische Fundamt war ihm so nebenbei ebenfalls unterstellt. So konnte der Diplom-Verwaltungswirt mindestens einmal im Jahr seine große Begabung als Auktionator unter Beweis stellen.