Der Gute-Laune-Mann

Gelebte Inklusion: Wie Rollstuhlfahrer Andreas Meier aus Ingolstadt bei der Dekra seinen Traumjob fand

26.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:42 Uhr
"Voll zufrieden und glücklich" mit seinem Arbeitsplatz - man sieht es Andreas Meier an. −Foto: Richter

Ingolstadt - Zuallererst fällt seine Fröhlichkeit auf.

Wer Andreas Meier begegnet, wird von seiner guten Laune recht schnell angesteckt. Die großen Augen strahlen, mit einem breiten Lachen schmettert er dem Reporter ein kräftiges "Servus" zur Begrüßung entgegen. "Ich habe so viel Glück gehabt", sagt der angehende Kaufmann für Büromanagement. "Es ist einfach perfekt. " Der 23-jährige Ingolstädter aus dem Ortsteil Zuchering-Winden ist Auszubildender bei der Firma Dekra Incos GmbH in seiner Heimatstadt. Wenn er von Erfüllung, Glück und großer Zufriedenheit erzählt, leuchtet das nicht jedem sofort ein. Denn der Andi, wie sie ihn nennen, ist seit seiner Geburt schwer behindert und sitzt im Rollstuhl.

Aber heißt das, herumzuhängen und sich bedauern lassen? Nein, sagt der junge Mann, der sein Leben fest in der Hand hat. Neben der Arbeit "sind mir meine Familie und meine Herzensfreunde eine große Stütze. " Es ist ihm überaus wichtig, sie "Herzens"freunde und nicht nur Freunde zu nennen.

Es sei ihm aber nichts in den Schoß gefallen, "ich habe mir alles hart erarbeitet", sagt Andreas Meier mit Selbstbewusstsein. Er war ein halbes Jahr alt, als die Ärzte eine spastische Tetraparese bei ihm feststellten, eine teilweise Lähmung aller vier Extremitäten. Der Kopf aber funktioniert, und so bringt Andi es in der Manchinger Keltenwallschule zur Mittleren Reife. Er beginnt eine Ausbildung bei Audi, doch die kalte Dusche kommt noch in der Probezeit. Aus "rahmentechnischen Gründen" sei es nicht möglich, ihn zu behalten, die einzelnen Ausbildungsstationen könnten nicht auf seine persönliche Situation eingerichtet werden, ließen sie ihn wissen. "Aber ich bin keiner, der sich unterkriegen lässt", sagt Andreas. "Mein Motto heißt: Ich schaff' das, vorwärts immer, rückwärts nimmer. " Jetzt also erst recht!

Vor drei Jahren berichtete unsere Zeitung über seine Situation und darüber, wie Inklusion - das gleichberechtigte Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung - mancherorts noch immer ein Fremdwort ist. Andi hatte sich nicht aufgegeben. Neugierig und wissbegierig hatte er aktiv nach einer neuen Stelle gesucht und sich zugleich selbst weitergebildet. Als die Dekra Incos GmbH im März 2018 eine Lehrstelle als Bürokaufmann für Büromanagement ausschrieb, bewarb er sich. Geschäftsführer Achim Hetterich hatte den Bericht über den jungen Mann gelesen und war spontan bereit, ihm eine Chance zu geben - sein Haus schafft das, was bei Audi angeblich nicht geht. Ausbilderin Melanie Mögerle war bereits nach dem Vorstellungsgespräch "total begeistert von seiner Art".

"Ich habe schon in den ersten Minuten gemerkt, dass ich hier richtig bin", erinnert sich Andreas Meier. "Sie haben mich nicht auf meinen Rolli reduziert, sondern den Menschen dahinter gesehen. Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden und habe mich gleich unbändig wohl gefühlt. " Und die Arbeit mache ihm "unglaublich viel Spaß, ich mag die familiäre Atmosphäre hier. Vielleicht bin ich nicht der Schnellste, aber wer mich machen lässt, bekommt das Vertrauen mit Leistung zurück".

Geschäftsführer Achim Hetterich bestätigt das gerne. "Der Andreas ist sehr gründlich und brutal genau. Es gibt Leute, die haben zwei gesunde Hände und arbeiten nicht so gut. " Wie groß das Vertrauen in den 23-Jährigen ist, zeigt sich in der Tatsache, dass er schon jetzt, im letzten Ausbildungsjahr, als Administrator für das gesamte Warenwirtschaftssystem zuständig ist. Daneben arbeitet Andi im Controlling, Marketing und Vertrieb.

Hetterich hatte das Gebäude eigens behindertengerecht umbauen lassen. Vor einem Jahr schenkte die Firma dem 23-Jährigen einen Assistenzhund für 12000 Euro - als Anerkennung für sein Engagement. Hetterich will dem fröhlichen Ingolstädter nach erfolgreicher Abschlussprüfung sofort einen unbefristeten Vertrag geben. "Ich lasse einen guten Mann doch nicht ziehen. Er hat unser ganzes Betriebsklima positiv beeinflusst", sagt Hetterich. "Wenn einer wie er, der es nicht leicht hat, immer gut gelaunt ist, dann relativieren sich viele andere Dinge. Der Andreas ist schon eine Persönlichkeit. "

DK

Horst Richter