Wolnzach
Der grenzenlose Nikolaus

16-jähriger Moslem Egzon verteilt mit Mitra und Bischofsstab Gaben in der Mittelschule Wolnzach

05.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr
Komisch. Ein bisschen ungewohnt ist das schon. Egzon Mehmeti ist nervös. Aber nicht, weil ihm die ganze Sache unangenehm ist. Nein. Sondern weil er jetzt gleich vor die anderen Schüler treten und aus dem goldenen Buch lesen wird, weil er nicht genau weiß, wie sie ihn empfangen werden und weil einige der Jugendlichen, denen er gleich Lob oder auch Tadel vortragen wird, die eigenen Spezl sind, mit denen er sonst die Schulbank drückt. Dazu hat ihn die Rektorin der Mittelschule Wolnzach, Gabriele Habicht, gerade aus dem Unterricht geholt, gleich nach der ersten Stunde. Freilich ist er es für ihn nichts Neues, auch einmal im Vordergrund zu stehen, denn er ist Schülersprecher der Mittelschule Wolnzach, setzt sich gerne für andere ein. Aber das heute, als Nikolaus vor die Schüler treten, das ist schon eine andere Hausnummer. Eine ganz andere. Trotzdem: "Ich freue mich drauf", sagt er. Gut, das er nicht alleine ist, denn die stellvertretende Schülersprecherin Nicole Schimkus steht ihm zur Seite, wie ein Engel. Und so ist sie auch gekleidet, ganz in Weiß mit fluffigen Flügeln am Rücken. Bei ihm, da braucht es etwas mehr Aufwand. Von der Grundschule - dort kommt der Nikolaus heute - hat sich Mittelschulrektorin Gabriele Habicht die Nikolausausstattung ausgeliehen, eine richtige, mit Stab und Mitra. "Selbstverständlich wollen wir keinen Weihnachtsmann, sondern einen Nikolaus", sagt sie - und nestelt an Egzons Perücke. Der lässt sich bereitwillig einkleiden, geht in Gedanken noch einmal durch, was er alles sagen wird. "Soll ich jemanden holen, der den Stab hält?" Ja, soll er, sagt die Rektorin - und freut sich, dass Egzon die Gepflogenheiten so gut kennt. Ob es für ihn nicht seltsam ist, den Nikolaus zu geben? "Nein, gar nicht", lächelt er zwischen den kitzelnden Barthaaren hervor. Egzon ist schließlich hier aufgewachsen, lebt mit der Familie in Geroldshausen. "Mir gefällt diese Zeit, das Warten auf Weihnachten auch sehr." Obwohl er Moslem ist. Die vielen Lichter überall, ein bisschen Weihnachtsdeko - "das macht meine Mutter daheim bei uns auch." Auch merkt er seinen Kumpels an, dass die in dieser Zeit ein wenig anders drauf sind, das schürt die Zuversicht, dass alles gutgehen wird bei seinem allerersten Nikolausauftritt. Und tatsächlich: Schon in der ersten neunten Klasse - seiner Parallelklasse - wird gleich alles still, als Engelchen Nicole energisch an die Türe klopft um Einlass bittet. Zuvor hat sich der Nikolaus ein wenig in das eingelesen, was die Klassleitung vor die Türe gelegt hat. Dass die Schüler sich ein wenig intensiver vorbereiten sollen, steht da, dass ihnen bald der "Quali" blüht und da noch etwas "Luft nach oben" ist. "Habt ihr denn für den Nikolaus etwas vorbereitet?", fragt Nikolaus Egzon in die Runde. Nein, haben sie nicht. Aber ordentlich begrüßt und verabschiedet wird der Nikolaus in jeder Klasse, nirgendwo gibt es Getuschel oder Gekichere. Die Schüler haben Respekt vor ihm, obwohl sie genau wissen, wer unter dem roten Mantel steckt. Und auch der Nikolaus selbst freut sich, sein Engelchen Nicole ebenso. Von Klasse zu Klasse wachsen sie mehr hinein in ihre Rolle, haben am Ende das gute Gefühl, allen eine kleine Freude gemacht zu haben. Sich selbst auch. "Schön war's", meinen Nikolaus und Engelchen am Ende. Trotzdem wird es keine Wiederholung geben: Nicole und Egzon besuchen die Abschlussklasse der Mittelschule Wolnzach. Auch so gesehen war ihr gestriger Auftritt einzigartig. −Foto: Karin Trouboukis

Wolnzach (WZ) Ein Nikolaus der schon ältere Schüler einer Mittelschule besucht - nichts Besonderes. In Wolnzach aber schon, denn dort wandelte gestern jemand mit Mitra und Bischofsstab von Klasse zu Klasse, der aus einer anderen Glaubensrichtung kommt: Egzon Mehmeti, 16 Jahre alt, Moslem.

Komisch. Ein bisschen ungewohnt ist das schon. Egzon Mehmeti ist nervös. Aber nicht, weil ihm die ganze Sache unangenehm ist. Nein. Sondern weil er jetzt gleich vor die anderen Schüler treten und aus dem goldenen Buch lesen wird, weil er nicht genau weiß, wie sie ihn empfangen werden und weil einige der Jugendlichen, denen er gleich Lob oder auch Tadel vortragen wird, die eigenen Spezl sind, mit denen er sonst die Schulbank drückt. Dazu hat ihn die Rektorin der Mittelschule Wolnzach, Gabriele Habicht, gerade aus dem Unterricht geholt, gleich nach der ersten Stunde.

Freilich ist er es für ihn nichts Neues, auch einmal im Vordergrund zu stehen, denn er ist Schülersprecher der Mittelschule Wolnzach, setzt sich gerne für andere ein. Aber das heute, als Nikolaus vor die Schüler treten, das ist schon eine andere Hausnummer. Eine ganz andere. Trotzdem: "Ich freue mich drauf", sagt er. Gut, dass er nicht alleine ist, denn die stellvertretende Schülersprecherin Nicole Schimkus steht ihm zur Seite, wie ein Engel. Und so ist sie auch gekleidet, ganz in Weiß mit fluffigen Flügeln am Rücken.

Bei ihm, da braucht es etwas mehr Aufwand. Von der Grundschule - dort kommt der Nikolaus heute - hat sich Mittelschulrektorin Gabriele Habicht die Nikolausausstattung ausgeliehen, eine richtige, mit Stab und Mitra. "Selbstverständlich wollen wir keinen Weihnachtsmann, sondern einen Nikolaus", sagt sie - und nestelt an Egzons Perücke.

Der lässt sich bereitwillig einkleiden, geht in Gedanken noch einmal durch, was er alles sagen wird. "Soll ich jemanden holen, der den Stab hält?" Ja, soll er, meint die Rektorin - und freut sich, dass Egzon die Gepflogenheiten so gut kennt.

Ob es für ihn nicht seltsam ist, den Nikolaus zu geben? "Nein, gar nicht", lächelt er zwischen den kitzelnden Barthaaren hervor. Egzon ist schließlich hier aufgewachsen, lebt mit der Familie in Geroldshausen. "Mir gefällt diese Zeit, das Warten auf Weihnachten auch sehr." Obwohl er Moslem ist. Die vielen Lichter überall, ein bisschen Weihnachtsdeko - "das macht meine Mutter daheim bei uns auch". Auch merkt er seinen Kumpels an, dass die in dieser Zeit ein wenig anders drauf sind, das schürt die Zuversicht, dass alles gutgehen wird bei seinem allerersten Nikolausauftritt.

Und tatsächlich: Schon in der ersten neunten Klasse - seiner Parallelklasse - wird gleich alles still, als Engelchen Nicole energisch an die Türe klopft um Einlass bittet. Zuvor hat sich der Nikolaus ein wenig in das eingelesen, was die Klassleitung vor die Türe gelegt hat. Dass die Schüler sich ein wenig intensiver vorbereiten sollen, steht da, dass ihnen bald der "Quali" blüht und da noch etwas "Luft nach oben" ist.

"Habt ihr denn für den Nikolaus etwas vorbereitet?", fragt Nikolaus Egzon in die Runde. Nein, haben sie nicht. Aber ordentlich begrüßt und verabschiedet wird der Nikolaus in jeder Klasse, nirgendwo gibt es Getuschel oder Gekichere. Die Schüler haben Respekt vor ihm, obwohl sie genau wissen, wer unter dem roten Mantel steckt. Und auch der Nikolaus selbst freut sich, sein Engelchen Nicole ebenso. Von Klasse zu Klasse wachsen sie mehr hinein in ihre Rolle, haben am Ende das gute Gefühl, allen eine kleine Freude gemacht zu haben. Sich selbst auch.

"Schön war's", meinen Nikolaus und Engelchen am Ende. Trotzdem wird es keine Wiederholung geben: Nicole und Egzon besuchen die Abschlussklasse der Mittelschule. Auch so gesehen war ihr gestriger Auftritt einzigartig.