Schernfeld
Der Glockenstuhl ist desolat

Schernfelder Kirchenverwaltung plant Sanierung - "Typisches Schadensbild" nach 70-jähriger Nutzung - Blick in die Chronik

05.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:25 Uhr
  −Foto: Archiv/Bauer

Schernfeld - Die Kirchenverwaltung Schernfeld steht vor einer großen finanziellen Herausforderung.

Der Glockenstuhl der Schernfelder Pfarrkirche muss saniert werden. Thomas Winkelbauer, der Glockensachverständige der Diözese Eichstätt, hat an der Glockenanlage grundlegende technische Schwachpunkte festgestellt. An den beiden Euphon-Glocken aus dem Jahr 1950 entdeckte er ein für diesen Glockentyp beginnendes typisches Schadbild. Im Oktober 2019 kam noch der Klöppelbruch an der alten Bronzeglocke hinzu.
Das Geläut stellt nach Aussage von Thomas Winkelbauer in seiner Gesamtheit ein der Pfarrkirche St. Georg angemessenes sowie in Teilen historisch wertvolles Ensemble dar, "das zu pflegen und zu erhalten ist". Als erste Maßnahme werden die Glocken bereits seit Herbst 2018 durch weniger und kürzeres Läuten geschont.
Die Kirchenverwaltung hat sich in Abstimmung mit der Pfarrgemeinde entschieden, dass eine Sanierung in Anlehnung an die Empfehlungen Winkelbauers durchgeführt werden soll. So wird der Glockenstuhl komplett saniert mit Erneuerung der Lagerungen der Glocken, Drehung der Glocken, gegebenenfalls Verlegung der Läutmotore und Erneuerung der Klöppel. Die voraussichtlichen Kosten betragen 40000 Euro.
Die Maßnahme wurde mittlerweile vom Ordinariat genehmigt. Die Pfarrei erhält Zuschüsse von der Diözese und der Gemeinde. Einen erheblichen Teil der Finanzierung muss die Pfarrgemeinde selbst aufbringen. Aktuell laufen die Anfragen bei Glockenbaufirmen und Zimmereien durch den Glockensachverständigen Winkelbauer.
Im Schernfelder Glockenstuhl hängen drei Glocken. Eine stammt ursprünglich aus dem Jahr 1783. Sie wurde von Joseph Stapf in Eichstätt 1815 umgegossen. Das Material der beiden anderen ist nicht aus Glockenbronze, sondern aus dem Nachkriegsmaterial "Euphon", welches aus heutiger Sicht nicht reparierbar (schweißbar) ist, anders als bei der für den Glockenbau klassische Metalllegierung Bronze.
Ein genauerer Blick in die Ortschronik lohnt: Dort wird der 13. Mai 1815 als "ein verhängnisvoller Tag für die Kirche" beschrieben: "Es war der Pfingstsamstag, da schlug der Blitz in den Kirchturm von Schernfeld ein. Er zündete recht gut, weil der Kirchturm voll rohen Flachses hing, der dort zum Trocknen aufgehängt war. Das Feuer verzehrte den Turmstuhl völlig, so dass der Turm einstürzte und dabei den Hochaltar und einen Seitenaltar stark beschädigte. Die Leute hatten Mühe, das Langhaus vor dem verheerenden Feuer zu schützen und die Gerätschaften in Sicherheit zu bringen. Die drei Glocken wurden ebenfalls zerstört. Noch im selben Jahre wurde ein neuer Turm aufgerichtet, ein Spitzturm. "
Aus den Bronze-Trümmern wurden 1815 von Stapf, Eichstätt, die drei Glocken umgegossen. Die eine trägt das Bild des heiligen Georg. Sie wiegt 525 Kilo. Auf ihr ist auch ein Text eingossen, in dem sie ihre Geschichte erzählt: "Im Jahr 1783 goß mich Matthias Stapf in Eichstätt, im Jahre 1815 am 13. Mai abends 7 Uhr wurd ich vom Blitz getroffen und zertrümmert im nämlichen Monat und ward umgegossen von des obigen Meisters Sohne Joseph Stapf. "
Bereits im Ersten Weltkrieg mussten zwei Glocken zum Kanonenguss abgegeben werden. Die Georgsglocke durfte bleiben. Kurz vor Ostern 1923 wurden die beiden abgelieferten Glocken durch zwei neue aus Hamm in Westfalen ersetzt. Diese zwei Glocken, die Maria Hilf- und St. Johannes-Glocke, erfuhren im Zweiten Weltkrieg erneut das Schicksal der Metallsammlung für Kriegszwecke. Der St. Georgs-Glocke blieb wegen ihres historischen Wertes das Kriegsschicksal erneut erspart.

Die beiden eingezogenen Glocken wurden nach dem Krieg wieder ersetzt. Aus Mangel an Zinn goss sie im Jahr 1950 eine Erdinger Gießerei aus Euphon. Das ist eine Legierung aus Kupfer und Zink ohne Zinn.
Am Pfingstmontag, 29. Mai 1950, wurden diese beiden Glocken in Schernfeld geweiht. In Vertretung des Bischofs nahm Domkapitular Josef Rindfleisch die Weihe vor. Assistiert wurde er von Pfarrer Josef Söllner aus Obereichstätt und vom Expositor Joseph Herteis.

In dem Bericht für die Chronik der Jugendgruppe schreibt Isabella Margraf von der Freude über die so lang erwarteten Glocken und von einem großen Fest für die gesamte Pfarrei.
Ein Lkw der Familie Spiegl hatte die Glocken aus Erding geholt. In Birkhof empfingen die Gläubigen, begleitet von den Fahnen der Jugend, die Glocken auf dem geschmückten Wagen am Sappenfelder Kreuz. Bei der Weihe trugen die Mädchen ein Gedicht vor: "Wenn die Priester nun beginnen, lasst mit aufmerksamen Sinne, uns mit Andacht dabei stehn, und mit ihnen im Verein, lasst uns alle groß und klein innig auch zum Himmel flehn, dass Gott dieses Glockenpaar, nun für viele, viele Jahr, durch die feierliche Weihe Schutz und Segenskraft verleihe, dass nun ein Jahrhundert lang, tön vom Berg ihr heller Klang und verstumme niemals mehr, uns zum Trost und Gott zur Ehr. "
Die größere Glocke mit Christuszeichen, sie wiegt 570 Kilo, trägt die eherne Inschrift: "Mich goß der Jugend Opfersinn und Einigkeit und rufe sie zu Glaubenstreue und Wachsamkeit. " Darüber schreibt die Chronistin: "Diese Glocke wurde von der Jugend in seltener Opferfreudigkeit durch unermüdliches Theaterspielen erworben. Die Inschrift soll nun diese Tat für alle Zeiten verewigen. " Die kleine Glocke mit Madonna und Kind hat ein Gewicht von 190 Kilo. Sie trägt die Worte "Unseren Gefallenen gib die ewige Ruh". Diese Glocke konnte 1950 durch Spenden angeschafft werden. Im Laufe der folgenden Woche wurden dann die Glocken auf den Turm gezogen, wobei nur kleine Mauerteile eingerissen werden mussten. Am Samstag wurden sie dann zur Probe geläutet. Abschließend schreibt die Chronistin: "Am Dreifaltigkeitssonntag erschallt nun ein festliches Geläut die Gläubigen zur Kirche rufend. Wolle Gott, daß dieses Geläut der Expositur für alle Zeiten erhalten bleibe. "

EK