Herr
"Der Glaube ist extrem wichtig"

14.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Motivator: FCI-Trainer Maik Walpurgis. - Foto: Schreyer/Imago

Ingolstadt (DK) Trainer Maik Walpurgis über seine ersten Wochen beim FC Ingolstadt und die nächsten Ziele.

Herr Walpurgis, Sie sind jetzt vier Wochen in Ingolstadt. Kommt es Ihnen immer noch wie ein Sechser im Lotto vor, dass Sie Bundesliga-Trainer sind?

Maik Walpurgis:
Ich habe über die Jahre hinweg auf diese Herausforderung hingearbeitet und hatte in Ingolstadt von Anfang an ein sehr gutes Gefühl, dass es passen kann. Jetzt kenne ich alle Verantwortlichen noch besser und fühle mich umso mehr darin bestärkt.

 

Sie konnten aber nicht damit rechnen, dass sich ein Bundesligist bei Ihnen meldet, oder?

Walpurgis: Zu dem Zeitpunkt kam die Anfrage für mich überraschend. Aber es hat einfach gepasst.

 

Sie kamen nicht aus dem Umfeld des Vereins, waren zuvor im Amateurbereich und zuletzt in der 3. Liga tätig und waren seit August 2015 ohne Arbeit. Wie erleben Sie Ihre Trainerlaufbahn?

Walpurgis: Ich habe keine Karriere als Fußballprofi hinter mir, sondern mich schon früh sehr intensiv mit der Aufgabe als Trainer beschäftigt. Ich bin seit 1992 Trainer und habe den Job von der Pike auf gelernt. Im Lauf der Zeit habe ich meine eigene Philosophie entwickelt. Ich glaube, es war sogar ein Vorteil, dass ich diese Zeit im Alter von 18 bis 34 nicht als Spieler erlebt habe, sondern eine Ausbildung als Trainer durchlaufen und viele Erfahrungen gesammelt habe. Trainer sein war immer meine große Leidenschaft und meine Motivation. Es erfüllt mich, im Team zu arbeiten, Menschen zu begleiten und Persönlichkeiten zu entwickeln.

 

Also kann man Fußballlehrer lernen?

Walpurgis: Ja, es gibt viele Beispiele dafür. Allerdings ist dieser Weg viel steiniger und schwieriger.

 

Was ist denn das Schwierigste? Ist es die Akzeptanz bei den Spielern, weil Sie keine eigene Profikarriere hinter sich haben?

Walpurgis: Dieses Problem hatte ich in den jüngeren Jahren. Ich habe im Alter von 26 meine erste Seniorenmannschaft übernommen, da waren die Spieler älter als ich. Das war schon eine Herausforderung. Heute aber merken die Spieler sehr schnell, wie man tickt, was man für Schwerpunkte hat und wie man sie vermittelt. Dazu kommt, dass ich aus dem Fußballlehrerlehrgang bei Frank Wormuth viel mitgenommen habe.

 

An welchem Kollegen haben Sie sich orientiert? Gab es Ratgeber?

Walpurgis: Grundsätzlich habe ich immer versucht, meinen eigenen Weg zu gehen und meine Stärken und Schwächen zu erkennen. Aber ich habe mich mit vielen Kollegen ausgetauscht, Trainingslager bei anderen Vereinen besucht sowie bei Twente Enschede und Trainer Steve McClaren hospitiert. Das war insofern sehr interessant, weil sich mir mit einem englischen Trainer in der niederländischen Liga international ganz gemischte Eindrücke boten. Und natürlich habe ich mit meinem Zimmergenossen André Breitenreiter beim Trainerlehrgang intensiv über Fußball diskutiert. Er war damals Trainer in Havelse und ich bei den Sportfreunden Lotte.

 

Ist daraus eine Freundschaft entstanden? Er hatte Sie ja im Heimspiel gegen Leipzig besucht.

Walpurgis: Wir sind seither sehr gut befreundet und schätzen uns.

 

Wo liegen denn Ihre Stärken?

Walpurgis: Es wird immer wichtiger, Menschen für ein Ziel zu begeistern und einen gemeinsamen Weg zu gewinnen. Klar geben wir Hinweise und Tipps, aber die Mannschaft muss es dann umsetzen, das ist das Entscheidende.

 

Sie haben gegen Leipzig mit einer taktischen Variante überrascht und erstmals mit einem 3-4-3-System gespielt. Wie entstand die Idee?

Walpurgis: Wir arbeiten im Trainerteam auf Augenhöhe und beschäftigen uns sehr intensiv mit der Trainingsgestaltung, Gegneranalyse und dem Matchplan. Die Herausforderung bestand darin, dass sich die Mannschaft im 4-2-3-1 wohlgefühlt hat und wir kurzfristig auf ein 3-4-3-System umgestellt haben. Das barg vor dem Spiel aber auch eine gewisse Gefahr . . .

 

. . . weil der FCI noch nie mit einer Dreierkette gespielt hat?


Walpurgis: Genau. Wir haben der Mannschaft aber erläutert, dass Leipzig im Zentrum mit viel Klasse und Geschwindigkeit spielt. Die Spieler haben sich überzeugen lassen und darauf vertraut, dass es das Richtige ist. Deswegen freuen wir uns riesig, dass sie das so gut umsetzen konnte. Unser Team ist sehr ehrgeizig und in sich gefestigt.

 

Man braucht einen guten Motivator, damit die Mannschaft daran glaubt. War das Ihre Aufgabe?

Walpurgis: Das war Teamwork. Wir sprechen viel mit der Mannschaft, da geht es auch um viele Details, wie die Dreierkette spielen soll, wie wir die Standards anders verteidigen. Es geht dabei auch um Vertrauen. Es ist schön, wenn es sich durch Erfolge bestätigt.
 

Trauen Sie dem Team nun noch mehr taktische Flexibilität zu oder bleiben Sie beim 4-2-3-1-System?

Walpurgis: Die Variabilität ist sehr wichtig. Wir müssen in unterschiedlichen Spielphasen und Spielen taktisch flexibel sein. Ich habe gesehen, dass die Mannschaft sehr intelligent ist und verschiedene Trainingsformen, auch komplexe, schnell umsetzen kann. Deshalb hatte ich auch das Vertrauen, dass sie das im 3-4-3 schaffen wird.

 

Sie spielen bisher durchweg mit zwei Sechsern. Ist das Ihr bevorzugtes System?

Walpurgis: In der Phase, in der wir uns befinden, ja. Es gibt uns eine gute taktische Grundordnung.

 

Sie setzen weitgehend auf das gleiche Personal wie Ihr Vorgänger Markus Kauczinski. Warum?

Walpurgis: Ich habe mich im Detail nicht damit beschäftigt, was vor meiner Zeit war. Ich habe überlegt, ob ich mit Ralph Hasenhüttl oder Markus Kauczinski telefoniere und mir Infos hole. Aber ich habe entschieden, das nicht zu tun, sondern wollte mir mein eigenes Bild machen. Ich hatte auch nicht den Anspruch, dringend etwas anders zu machen. Es ging einzig darum, mit der Mannschaft die richtige Lösung für die jeweilige Aufgabe zu finden.

 

Max Christiansen hat in der vergangenen Saison einen großen Sprung gemacht. Warum kommt er bisher nicht zum Zug?

Walpurgis: Es ist unglaublich eng zwischen den Sechsern, wenn ich Roger, Almog Cohen, Alfredo Morales und Max Christiansen sehe. Die Jungs sind alle auf einem sehr hohen Niveau. Da könnte einer den anderen ersetzen. Chancen werden für jeden kommen.

 

Von den Neuen haben Robert Leipertz und Sonny Kittel noch nicht richtig Fuß gefasst. Wie sehen Sie beide?

Walpurgis: Ich habe jeden schon eingewechselt. Alleine daran sieht man schon, was ich ihnen zutraue. Beide sind so weit, dass sie uns helfen.

 

Gibt es auch Überlegungen, Spieler auszuleihen, damit diese Spielpraxis bekommen?

Walpurgis: Im Moment gehe ich davon aus, dass wir mit allen Jungs intensiv weiterarbeiten. Mit diesen Themen beschäftigen wir uns erst in der Winterpause, jetzt stehen erst die beiden wichtigen Spiele gegen Leverkusen und Freiburg an.

 

Ist Torwart Martin Hansen wieder so fit, dass er am Sonntag spielen kann?

Walpurgis: Ich gehe davon aus, er hat bereits wieder trainiert. Martin hat einen Schlag auf den Nerv bekommen. Das war extrem schmerzhaft.

 

Ist er weiter die Nummer eins?

Walpurgis: Da muss ich die Trainingswoche abwarten. Örjan Nyland hat das super gemacht, als er reinkam. Er war sofort da. Das hat mich für ihn sehr gefreut. Wir haben zwei Top-Torhüter.

 

Ist der Konkurrenzkampf damit neu entfacht?

Walpurgis: Der Zweikampf ist immer da. Der Abstand ist minimal. Deswegen sollen beide auf diesem Niveau bleiben und sich gegenseitig pushen.
 

Aber Hansen ist die Nummer eins, oder wollen Sie eine Rotation einführen?

Walpurgis: Für den Moment haben wir eine Entscheidung getroffen, die brutal eng und schwer war, aber die funktioniert hat. Örjan hat im letzten Spiel gezeigt, wie gut er ist.

 

Also gibt es einen 1a- und einen 1b-Torhüter?

Walpurgis: Im letzten Spiel gab es zweimal eine Nummer eins.

 

Im Angriff fällt auf, dass Lukas Hinterseer bei Ihnen jeweils eingewechselt wurde. Was fehlt ihm für die Startelf?

Walpurgis: Er kam in jedem Spiel zum Einsatz. Für uns ist die Geschlossenheit in der Mannschaft enorm wichtig. Wir brauchen auch Spieler, die der Mannschaft von der Bank aus noch einmal einen Schwung geben können und die Klasse haben, sofort im Spiel zu sein. Deshalb geht es nicht darum, wer anfängt oder von der Bank kommt. Wir müssen uns alle dem gemeinsamen Ziel verschreiben.

 

Wo brauchen Sie noch Verstärkung?

Walpurgis: Grundsätzlich sind wir von unserem Kader überzeugt. Aber natürlich gehört es dazu, dass die sportliche Leitung den Markt sondiert.

 

Trotz des Erfolgs gegen Leipzig hatten Sie das Pech, dass die anderen Mannschaften im Tabellenkeller auch punkteten. Mit welchen Konkurrenten rechnen Sie denn im Abstiegskampf?

Walpurgis: Das interessiert mich nicht, da bin ich ganz entspannt. Ich schaue nur auf uns und wie wir spielen. Das Entscheidende ist, dass wir so weitermachen wie in den letzten vier Spielen. Es sind noch 60 Punkte zu vergeben, und wir wollen so viele holen wie möglich.

 

Wie viele Punkte reichen für den Klassenerhalt?

Walpurgis: Das kann man nicht sagen. Früher war es die ominöse 40-Punkte-Marke, aber die ist schon seit längerer Zeit nicht mehr nötig gewesen. Für mich ist wichtig, dass wir möglichst oft am Limit spielen, fleißig punkten, und dann werden wir uns belohnen.

 

Sie müssen am Sonntag in Leverkusen bei einem Champions-League-Teilnehmer antreten. Sind die Chancen, auch dort zu gewinnen, nach dem Erfolg gegen Leipzig gewachsen?

Walpurgis: Die Chance ist immer da. Wir müssen uns im Detail gut vorbereiten und Punkte finden, wo wir ansetzen können. Unsere Mannschaft ist durch die Erfolge der vergangenen Jahre gewachsen und hat einen enormen Zusammenhalt. Das ist eine große Stärke.

 

Ist der neue Geist im Team der Haupttrumpf im Kampf mit so Schwergewichten wie dem Hamburger SV oder VfL Wolfsburg?

Walpurgis: Der Glaube und der unbedingte Wille sind extrem wichtig. Wir wollen gemeinsam wieder etwas Großes schaffen. Das treibt uns an.

 

Freuen Sie sich schon auf Weihnachten und eine Pause, um durchzuatmen?

Walpurgis: Für mich kommt das recht früh. Ich könnte noch ein bisschen weitermachen. Trotzdem freue ich mich auf die Zeit mit der Familie und Freunden.

 

Das Interview führten Gottfried Sterner und Norbert Roth.