Ingolstadt
Der Fußball nach Corona

Einige Szenarien für den Spielbetrieb in den Profi-Ligen und die Auswirkungen auf den FC Ingolstadt

13.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:11 Uhr
Derzeit notgedrungen eher Beschäftigungstherapie als gezielte Vorbereitung: die Profis des FC Ingolstadt beim Training mit dem neuen Chefcoach Tomas Oral. −Foto: Bösl

Ingolstadt - Die Situation ist einigermaßen grotesk. Da holt der FC Ingolstadt einen neuen Trainer, und nur wenige Tage später ist höchst fraglich, ob Tomas Oral die Schanzer in dieser Saison überhaupt noch einmal in ein Spiel führen kann.

 

Noch bereitet sich der Tabellenfünfte unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf den 30. Spieltag vor, an dem für die Ingolstädter das Heimspiel gegen die SG Großaspach (21. März, 14 Uhr) angesetzt ist.

Ein Motivator wie Oral wird in diesen Tagen geradezu ad absurdum geführt. Wie soll er seine Spieler für etwas heiß machen, das aller Voraussicht nach nicht stattfindet? Insofern gleicht das Training hinter verschlossenen Zäunen eher einer Beschäftigungstherapie bis zur endgültigen Klarheit, wie es weitergehen soll. Orals Feststellung ("Momentan hat Mutter Natur die Gewalt") ist daher eigentlich nichts hinzuzufügen.

Gleichwohl müssen sich die Verantwortlichen einen Zukunftsplan für die Nach-Corona-Zeit überlegen. Szenarien gibt es viele, doch aufgrund der Verzahnung der Ligen untereinander und der immensen internationalen Verflechtungen ist das im Fußball nicht so einfach wie beispielsweise in der Deutschen Eishockey-Liga, die zu einem relativ günstigen Zeitpunkt nach Abschluss der Punktrunde und vor den Play-offs einen zwar für Fans und Vereine gleichermaßen schmerzhaften, aber klaren Schnitt vollziehen konnte. Für den Fußball und den FC Ingolstadt ergeben sich mehrere Möglichkeiten.

Die möglichen Szenarien

Szenario 1: Die Saison wird unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt. Eine eher unwahrscheinliche Variante, da noch elf Spieltage auszutragen sind. Nur für den Fall, dass die EM verlegt wird, könnte sich ein ausreichendes Zeitfenster ergeben - vorausgesetzt die Epidemie flaut schnell ab. Sportlich gesehen wäre diese Lösung noch am gerechtesten, ist derzeit aber schwer vorhersehbar und kalkulierbar.

Szenario 2: Man annulliert die komplette Saison und fängt in der neuen Spielzeit von vorne an - ohne Auf- und Absteiger. Eine zwar leicht nachvollziehbare Lösung, die jedoch den bisherigen sportlichen Verlauf völlig außer acht lässt.

Szenario 3: Man bricht die Saison ab und nimmt den aktuellen Stand als Endpunkt für alle Entscheidungen. Diese Variante ist relativ ungerecht und willkürlich aufgrund unterschiedlicher Gegner, Heim-, Auswärts- und Nachholspiele und dergleichen.

Szenario 4: Analog zu anderen Sportarten, die - wie beispielsweise im Wintersport - witterungsabhängig sind, wertet man nur einen Durchgang. Im Fall der Fußball-Ligen könnte das die Hinrunde sein. Sportlich einigermaßen gerecht, jeder hat zumindest einmal gegen jeden gespielt, zudem ist die Hinrunde in allen Ligen abgeschlossen.

Fazit: Egal, wozu sich die Vereinsvertreter entschließen und welche Feinheiten sie einbauen, die entscheidende Frage wird sein, wie sie sich untereinander einigen. Den größtmöglichen Konsens verspricht eventuell ein Zuckerl: die Ligen aufstocken und alle Aufstiegsanwärter zulassen, um in der Folgesaison dann über eine größere Anzahl an Absteigern die jeweiligen Ligen wieder auf ihre ursprüngliche Teilnehmerzahl zurückzuführen. Wie das jedoch terminlich umzusetzen wäre und welchen Zeitpunkt und Tabellenstand man für eine mögliche Aufstiegsregelung bestimmen würde, bliebe eine der spannenden Folgefragen. Ganz abgesehen davon, dass sich für viele Vereine auch existenzielle Fragen stellen - gerade in der 3. Liga, die ohnehin wirtschaftlich am meisten gebeutelt und nun zusätzlich von fehlenden Zuschauereinnahmen betroffen ist.

Profiteur oder Gelackmeierter?

Der FCI könnte je nach Variante Profiteur oder Gelackmeierter sein. Nach der Hinrunde waren die Schanzer Tabellenzweiter und standen somit auf einem direkten Aufstiegsrang. Würde man den jetzigen Zeitpunkt werten, wären sie als Fünfter bei jedweder Aufstiegsregelung außen vor.

Die für kommenden Montag anberaumte außerordentliche Tagung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) dürfte also spannend werden. Denn anstelle sportlicher Rivalität muss nun Solidarität treten, um die bestverträgliche Lösung für Fußballvereine und das Ligensystem gleichermaßen zu erreichen. Das Coronavirus verlangt auch dem Profisport alles ab.

Gottfried Sterner