Nürnberg
Der Funke der Freiheit

15.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:33 Uhr

Modernes Theater im angedeutet historischen Gewand: Karen Dahmen als Königin Elisabeth von Valois und Martin Bruchmann als Prinz Karlos am Staatstheater Nürnberg - Foto: Marion Bührle

Nürnberg (DK) Der Funke der Freiheit zündet immer noch – und schlägt die Zuschauer in Bann. So wie vor über 200 Jahren, als Friedrich Schillers „Don Karlos. Infant von Spanien“ 1787 im Hamburg uraufgeführt wurde und – zwei Jahre vor dem Sturm auf die Bastille in Paris, dem Auftakt der Französischen Revolution – sich mit diesem Stück eines gerade mal 28-jährigen Dramatikers die aufklärerischen Ideen der Freiheit auch im absolutistischen Deutschland, zumindest auf dem Theater, verbreiteten.

Jetzt eröffnete das Staatsschauspiel Nürnberg die neue Spielzeit, gleichsam aus aktuellem Anlass und vor dem Hintergrund des „Arabischen Frühlings“ und der Umbrüche im Nahen Osten, mit diesem „Dramatischen Gedicht“ des deutschen Klassikers.

Im düsteren, von Lichtblitzen wie von Fanalen der Freiheit durchzuckten Bühnenbild (Carolin Mittler) entfaltet die Regisseurin Schirin Khodadadian ein historisch-revolutionäres Sittengemälde, das Schiller im Weltreich Philipps II. von Spanien ansiedelt. Im sepiabraunen Ambiente sich auf der Drehbühne ständig verschiebender Kabinette, Kammern und Schächte entfaltet sie das höfische Machtspiel von Verschwörungen und Verrat, Intrigen und Indiskretionen vor dem Hintergrund der Inquisition, dem die Kirche im Zeichen des Kreuzes mit Gewalt und Mord die Krone aufsetzt. Und auch die Figuren in ihren angedeuteten historischen Kostümen, in Rüschen, Korsetts und Krinolinen, scheinen einem flandrischen Genrebild zu entstammen.

Die Inszenierung setzt, fern aller anbiedernden, bei klassischen Stücken heute nur allzu oft üblichen Modernismen, auf die gebundene, rhythmisierte, in Versen daherkommende Sprache Schillers, stellt sie in ihrem passagenweise auch hohlen Pathos wagemutig aus, zuweilen hart am Rande eines emphatischen Deklamationstheaters. Aber diese Gefahr bannen die vor allem in den männlichen Rollen hervorragend besetzten Schauspieler: Daniel Scholz als besonnener, souveräner Freigeist des Marquis von Posa, der dem übermächtigen, freilich in der höfischen Etikette eingeschnürten Monarchen Philipp (Thomas Nunner) die Stirn bietet. Martin Bruchmann überspielt seinen Don Karlos, den Kronprinzen, in schöner Aufgeregtheit mit manchmal zu stark aufgetragenem Ungestüm. Drum herum die Hofschranzen und Günstlinge, allen voran Thomas Klenk als zynisch Ränke schmiedender Herzog von Alba, der die Fäden zu ziehen glaubt, an denen er selbst zappelt.

Der Paraderolle der macht- und liebeslüsternen Prinzessin von Eboli wird die blass wirkende Louisa von Spies nicht immer gerecht. Karen Dahmen als heimlich von ihrem Stiefsohn Karlos geliebte Königin Elisabeth von Valois hält, schwankend zwischen Leidenschaft und königlichem Kalkül, Karlos auf Distanz. Aber dann bricht sich Thomas Nunners komödiantisches Talent Bahn – und er schnodddert als barfüßig-königlicher Pantoffelheld die tragisch-komische Figur einer weinerlichen Majestät hin, was das von so viel vorhergegangener hochdramatischer Wucht beklommene Publikum in befreiendes Gelächter entlässt. Was dieser beeindruckenden Inszenierung, die den Mut zur Sprache aufbringt, plötzlich eine Leichtigkeit verleiht, die den Ernst des Klassikers bricht, was die Zuschauer mit großem, berechtigtem Applaus quittieren.

Weitere Vorstellungen: 19. und 20. Oktober; 7., 12., 19. und 23. November; 8., 14. und 29. Januar sowie im weiteren Verlauf der Spielzeit, Kartentelefon: (01 80) 5 23 16 00; www.staatstheater.nuernberg.de.