Ingolstadt
Der Friede von Haunwöhr

Bezirksausschuss Südwest zieht Schlussstrich unter den jahrelangen Grünring-Streit - diesmal ganz ohne Diskussion

10.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Jahrelang ein politisches Minenfeld: der Abschnitt des zweiten Grünrings um die Stadt zwischen Haunwöhr und Hundszell, hier im Juni vergangenen Jahres. Drei Hektar davon werden nun bebaut. −Foto: Schalles

Ingolstadt (DK) Streng metaphorisch darf man sie als idyllisch gelegenes Schlachtfeld bezeichnen: die freie Fläche im Süden von Haunwöhr, Teil des zweiten Grünrings rund um die Stadt (nach dem ersten: dem Glacis).

Der Vorstoß der Stadtverwaltung, dort drei Hektar zu bebauen, hat eine der kontroversesten Debatten in der Geschichte des Bezirksausschusses Südwest ausgelöst. Mit Turbulenzen weit nach Haunwöhr und Hundszell hinein.

Gut drei Jahre lang wurde argumentiert, diskutiert und gestritten. Eine Bürgerinitiative zum Schutz des Grünrings fand zusammen und trat selbstbewusst auf. Es folgten Informationsveranstaltungen. Diverse Experten kamen und beleuchteten den Grünring sowie das, was von ihm übrigbleiben soll, aus allen Perspektiven. Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle war mehrfach im BZA zu Gast, um das Projekt zu erklären und die Beschwerden vieler Haunwöhrer mitzunehmen. Dann, in einer denkwürdigen Sitzung im März 2016, sprach sich der BZA knapp gegen das Bauvorhaben aus; für ein Gremium mit CSU-Mehrheit ein bemerkenswerter Vorgang. Die Partei hat das umstrittene Projekt (geplant sind rund 90 dreigeschossige Wohneinheiten plus ein Kindergarten) mit Hinweis auf den "hohen Siedlungsdruck" in Ingolstadt immer unterstützt. Das Votum eines BZAs ist aber für den Stadtrat nicht bindend.

Die Vollversammlung hat in der jüngsten Oktobersitzung die Diskussion hochoffiziell beendet: Mit 27 zu 22 stimmten die Räte für den Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 102 B "Südlich Haunwöhr - beidseitig der Hagauer Straße" (so die Amtsbezeichnung für dieses Minenfeld) sowie die Änderung des Flächennutzungsplans im Rahmen eines Parallelverfahrens (Satzungsbeschluss).

Am vergangenen Dienstagabend zog auch der BZA Südwest einen Schlussstrich unter die Debatte. Diesmal ohne Diskussion. Der Friede von Haunwöhr. Er ist besiegelt.

Auf Wunsch von Bürgern hat das Baureferat die Pläne um einige Nuancen variiert und alles erneut öffentlich ausgelegt. So soll der verkehrsberuhigte Bereich vor dem künftigen Kindergarten ausgeweitet werden. Die BZA-Vorsitzende Walburga Majehrke trug die Änderungen vor. Aber dabei blieb es im fast voll besetzten Lokal des SV Haunwöhr still. Raimund Reibenspieß (FW) erinnerte noch einmal daran, "dass unser BZA mit sieben zu sieben Stimmen gegen die Bebauung des Grünrings gestimmt hat". Ein Patt bedeutet: Ablehnung. "Aber wir müssen mit den Plänen der Stadt leben, wie es entschieden worden ist." Majehrke blickte lieber nicht mehr zurück. "Nach vielen, vielen Monaten ist dieser Punkt jetzt erledigt", gab sie betont sachlich zu Protokoll.

Und darüber scheint sie auch ziemlich froh zu sein.

Die BZA-Vorsitzende lenkte den Blick lieber auf ein anderes Problemfeld: den Südfriedhof. Es ärgere sie unglaublich, dass dort ständig Gießkannen und Handwagen für den Transport von Kränzen und Gestecken verschwinden, "obwohl sie mit einem dicken schwarzen Kreuz gekennzeichnet sind". Das bedeutet: Sie sind Eigentum der Friedhofsverwaltung. Der BZA habe erwogen, zur Sicherung der Wagen ein Chip-Pfandsystem einzuführen. "Aber das finden wir gar nicht gut, weil es Assoziationen mit einem Supermarkt weckt, und das kann man auf einem Friedhof unangemessen finden". Deshalb werden jetzt mehr Gießkannen und Transportwagen angeschafft.

Es nehme auch "ein rasantes Ausmaß an, dass Autos auf dem Südfriedhof herumfahren, ohne dass Gärtner oder Schwerbehinderte drinsitzen", berichtete Walburga Majehrke. "Das ist eine entsetzliche Unart!"

Einsatz für bedrohten Schlachthof

Ingolstadt (sic) Sie verlor keine Zeit: Am Dienstagmorgen las Walburga Majehrke im DONAUKURIER, dass die Ingolstädter Schlachthof GmbH in existenzielle Bedrängnis geraten ist. Am Abend desselben Tages startete sie in der Sitzung des Bezirksausschusses (BZA) Südwest einen Vorstoß, um den Schlachtern beizustehen. "Wir müssen unseren Schlachthof erhalten!", forderte die Vorsitzende des BZA und formulierte mit dem Kollegen Peter Thierschmann spontan eine entsprechende Erklärung, was so schnell gar nicht leicht war. Sinngemäß heißt es: Der BZA setzt sich für eine Unterstützung der Schlachthof Ingolstadt GmbH ein, "um deren Standortsicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten".

Dem stimmten alle gerne zu. Das BZA-Mitglied Joseph Huber (CSU) ging noch weiter, denn der Metzgermeister aus Hundszell spricht als Betroffener. Er kritisierte die Stadt Ingolstadt in der Schlachthoffrage. Diese erwägt, wie berichtet, die Gebühren für die Fleischbeschau zu erhöhen. Das könnte die Schlachthofgesellschafter in Not bringen.

An dieser Stelle erhob Hans Achhammer energisch das Wort; Stadtratsmitglieder sind eigentlich dazu angehalten, BZA-Sitzungen zwar zu begleiten, dort aber möglichst nichts zu sagen. Die Vorwürfe des Metzgermeisters wollte der CSU-Stadtrat jedoch nicht einfach so stehenlassen - worauf Huber seine Kritik an der Stadt auch sofort relativierte.

Er wolle noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass der Schlachthof Ingolstadt keine kommunale Einrichtung sei, sondern eine GmbH, private Unternehmen dürfe die Stadt jedoch nicht finanziell fördern, sagte Achhammer. Man werde aber selbstverständlich alle Möglichkeiten prüfen, wie man den Schwierigkeiten des Schlachthofs im Sinne der Betroffenen begegnen könne, betonte der CSU-Stadtrat.

Die Schlachthof Ingolstadt GmbH ist 1994 von mehreren Metzgern gegründet worden, weil der ursprünglich städtische Schlachthof nicht mehr rentabel zu betreiben war.