Neuburg
Der Evolution auf der Spur

Der interdisziplinäre Professor Gerhard Vollmer stellt sein neues Buch vor

28.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:52 Uhr

Professor Gerhard Vollmer stellt sein neues Buch "Im Lichte der Evolution - Darwin in Wissenschaft und Philosophie" vor, das kürzlich im Hirzel Verlag erschienen ist. - Foto: Hammerl

Neuburg (SZ) Evolution steckt überall drin. Nicht nur in der Biologie und anderen Naturwissenschaften, sondern auch in Geistes- und Sozialwissenschaften und natürlich in der Philosophie. Insgesamt 58 Disziplinen beleuchtet Gerhard Vollmer (73) in seinem Buch "Im Lichte der Evolution".

Der emeritierte Philosophieprofessor war schon immer interdisziplinär unterwegs. Er studierte Physik, Mathematik, Chemie, Philosophie und allgemeine Sprachwissenschaft. "Ich bin ein Zwitter", sagt er über sich selbst, weil er sowohl in theoretischer Physik als auch Philosophie promoviert hat, "mein Ziel war immer, beides miteinander zu verbinden". Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie, Erkenntnistheorie, Logik und künstliche Intelligenz sind seine Forschungsschwerpunkte. Die biologische mit der philosophischen Erkenntnistheorie zu verbinden - die Idee steckt hinter seinem neuesten Werk, das jetzt im Hirzel Verlag erschienen ist.

Konkreter Anlass war das Darwin-Jahr 2009, in dem sich Darwins Geburtstag zum 200. Mal jährte und sein Hauptwerk "On the Origin of Species by Means of Natural Selection" 150 Jahre alt wurde. Es war 1859 veröffentlicht worden. Für Vollmer ein Grund, sich intensiver mit Darwin zu beschäftigen, dessen Thesen zeitweise umstritten waren, laut Vollmer aber "unter Biologen keineswegs mehr umstritten sind". Es gebe natürlich Neuerungen, auch einiges, was definitiv widerlegt wurde - so Darwins Genetik - aber seine Evolutionstheorie habe weitgehend Bestand. "Er ist fehlinterpretiert worden", meint der 73-Jährige. So hatte Darwin das "Survival of the fittest", das Überleben des Fittesten, nicht das des Stärkeren, wie er oft missinterpretiert wurde, postuliert. Den Menschen hatte Darwin interessanterweise gar nicht eingebunden in seine Evolutionstheorie - vielleicht um die Gefühle seiner sehr religiösen Frau zu schonen, erzählt der Neuburger Buchautor.

Zielgruppe seines mehr als 600 Seiten umfassenden Sachbuchs sind "alle, die sich für das Thema interessieren - die Vorbildung spielt keine Rolle", wie er sagt. Es sei nicht für Fachleute, sondern für Laien geschrieben, die über den Tellerrand blicken wollen. Er habe sich bemüht, allgemein verständlich zu schreiben. "Ein Jugendbuch ist es nicht, aber es ist unabhängig vom Alter des Lesers", räumt der sechsfache Vater und mehrfache Großvater schmunzelnd ein. Und es sei auch kein Buch, das unbedingt von vorne nach hinten gelesen werden will. Vielmehr hat er die alphabetisch angeordneten Kapitel abgeschlossen und unabhängig voneinander konzipiert. Vollmer wünscht sich, dass der Leser sich einzelne Kapitel, die ihn interessieren, herauspickt und es vielleicht auch als eine Art Nachschlagewerk nutzt. Was durchaus dazu führen kann, dass der Leser von Querverweisen zum Schmökern verführt wird, denn der Universalwissenschaftler weckt Neugierde. Wer in der Einleitung beispielsweise auf die Humansoziobiologie aufmerksam wird, landet 240 Seiten weiter hinten bei der Soziobiologie und gelangt von dort in den vierten, philosophischen Teil, um sich mit evolutionärer Ethik auseinanderzusetzen. Ein Querverweis führt wieder zurück ins Wissenschaftskapitel zur Spieltheorie und damit in eine Welt voller Dilemmata, denen sich jeder früher oder später einmal gegenübersieht.

In den ersten fünf Kapiteln definiert Vollmer Evolution und geht der Frage nach, ob es eine allgemeine Evolutionstheorie gebe. Teil Zwei besteht aus 44 Kapiteln, die "Darwin in der Wissenschaft" gewidmet sind - von Algorithmen und Anthropologie über Bioinformatik, Geologie, Kosmologie, Kunst, Musik, Pädagogik, Politologie, Psychiatrie, Technikentwicklung und Theologie bis zur Frage, warum es keine evolutionäre Astrophysik gebe. Die fünf Kapitel des dritten Teils untersuchen das Verhältnis Darwins zur Philosophie, im vierten geht Vollmer Darwins Einfluss auf 14 Disziplinen der Philosophie nach - von der philosophischen Anthropologie über Humanismus und Logik bis zu Wissenschaftstheorie und evolutionärer Zukunft, um nur einige zu nennen. Ein spannendes Sachbuch, das den Blick auf viele interessante Themen öffnet. Zum bildungsfördernden Schmökern wärmstens empfohlen.

"Im Lichte der Evolution - Darwin in Wissenschaft und Philosophie" von Professor Gerhard Vollmer, 613 Seiten, gebunden, erschienen im Hirzel Verlag, ISBN 978-3-7776-2617-8, 39 Euro.