Der Druck bleibt unverändert

10.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:47 Uhr

Stuttgart (DK) Noch quälen sie sich durch zahllose Trainingseinheiten. Doch vom 20. bis 22. August starten die 18 deutschen Eliteklubs in die 48. Spielzeit der Fußball-Bundesliga. In unserer Serie stellen wir alle Vereine vor – von unvergesslichen Momenten bis zur Saisonprognose. Heute: der VfB Stuttgart.

Unvergesslichster Moment der vergangenen Saison: Samstag, 5. Dezember, früher Nachmittag. Auf dem Programm stand das Bundesligaspiel des VfB Stuttgart gegen VfL Bochum. Abstiegskampf pur. Beim Eintreffen des Teams in der Mercedes-Benz-Arena attackierten wütende VfB-Fans den Mannschaftsbus. Während des Spiels verweigerte ein Großteil des roten Anhangs der Elf von Trainer Markus Babbel die Unterstützung. Und nach dem total enttäuschenden 1:1 drohte die Lage vor dem Stadion zu eskalieren. Ein Polizei-Großaufgebot verhinderte Schlimmeres. Ein einmaliger Vorfall in der VfB-Historie.

Sätze der Saison: Gesprochen 24 Stunden nach den Vorfällen rund um das Bochum-Spiel. "Die Szene mit dem Bus hat mich sehr nachdenklich gemacht. Und jetzt hören Sie bitte genau zu" – ein kurzer Luftschnapper folgte, dann sprach Markus Babbel mit feuchten Augen dies: "Selbst die sogenannten Millionäre haben es nicht verdient, dass ihnen Mordgesten entgegengebracht werden." Genau 16 Minuten dauerte Babbels mehr als nahegehende Abschiedsrede am Nikolaustag 2009. Und Stuttgarts damaliger Manager Horst Heldt, der drei Tage vor seinem 40. Geburtstag alles andere als Feiern im Kopf hatte, verkündete sichtlich angeschlagen die Entlassung seines Freundes Markus: "Der gestrige Samstag hat uns den Rest gegeben."

So steht es um den Trainer: Beim ersten Hinschauen scheint der bis dato so erfolgreiche Babbel-Nachfolger Christian Gross (Vertrag endet 2011) bombensicher im Sattel zu sitzen. Präsident Erwin Staudt sagt: "Wir würden gerne mit Herrn Gross verlängern." Aber Achtung: Die durchschnittliche Verweildauer Stuttgarter Übungsleiter in den vergangenen 20 Jahren betrug gerade mal gut 17 Monate. Lediglich Christoph Daum, Felix Magath und Armin Veh waren etwas mehr als bzw. knapp drei Jahre im Amt. Der VfB-Trainerstuhl – es ist ein gut bezahlter Schleudersitz.

Ihn würden die Fans gerne noch fortjagen: Die absolute Reizfigur gehört seit dem 27. Januar 2010 nicht mehr dem Kader des Vereins für Bewegungsspiele von 1893 e.V. an: Yildiray Bastürk. Jetzt dürfen sich die Fans der Blackburn Rovers über den dauer-unpässlichen Mittelfeld-Kicker ärgern. Bis zum Amtsantritt von Christian Gross war auch der bis dahin unter permanenter Ladehemmung leidende und als "Millionen-Flop" abgestempelte Ciprian Marica wahrlich kein Fan-Liebling. Doch unter Gross blühte der rumänische Nationalstürmer auf.

Trainers Liebling: Ist er gesund, dann spielt er bei Gross immer: Nationalspieler Christian Träsch. Ob auf der Position sechs vor der Vierer-Abwehrkette, ob in selbiger außen rechts oder auch mal auf der Außenbahn – der gebürtige Ingolstädter bekam von seinem Trainer das Prädikat »enorm wertvoll« verliehen.

Der Kultkicker über seine Erben: "Dem VfB wird alle Zeiten mein Herzblut gehören", sagt Ex-Nationalspieler Hansi Müller. 182-mal trug der ehemalige "Bravo-Boy" das Trikot mit dem roten Brustring, schoss dabei 65 Tore. Und kann daher auch Torhüter ziemlich gut einschätzen. Nachfolger von Jens Lehmann zwischen den Pfosten ist der 22-jährige Sven Ulreich. Eine Entscheidung des Trainers, die durchaus Unruhe in der Magengegend bereitet. Nicht aber Hansi Müller: "Ich bin total von Sven überzeugt."

Skurrilster Fanartikel: Zwei Produkte konkurrieren um diese Bezeichnung. Das VfB-Piercing aus Edelstahl für 19,95 Euro. Und das sogenannte "Walkout Jacket red" für 69,95 Euro. Was ist aber daran so skurril? Es ist das Model, welches das rote Jäckchen auf der Homepage immer noch so betont lässig vorführt: Thomas Hitzlsperger. Den will aber wirklich kein Stuttgarter Fan mehr sehen.

So wollen sie spielen: Auch nach dem Wechsel von Sami Khedira zu Real Madrid wird Christian Gross weiter mit zwei "Sechsern" (im Idealfall Träsch und Zdravko Kuzmanovic, alternativ Christian Gentner) im 4-4-2-System spielen.

Was muss? Was kann? Zwar sind die Personalkosten durch den Abgang der Großverdiener Alexander Hleb, Lehmann und Khedira reduziert worden, dennoch müssen auch in diesem Jahr gut 45 Millionen Euro ans kickende Personal überwiesen werden. Bedeutet: Ein Europacup-Platz muss (!) wieder herausspringen. Gerne kann es mehr sein.

Einlauftipp: Sollte Jungspund Ulreich tatsächlich einen verlässlichen Rückhalt bilden, dann dürfte ein Uefa-Cup-Rang realistisch sein.