Ingolstadt
Der Drache zeigt die Zähne

China nimmt die deutschen Premium-Autobauer ins Visier – Audi verspricht Kooperation mit den Behörden

06.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

Qualitätskontrolle: Eine chinesische Mitarbeiterin legt im Audi-Werk in Changchun letzte Hand an. Hier produziert Audi die Modelle A4 L, A6 L, Q3 und Q5. In Foshan läuft der A3 vom Band, in Peking unterhält Audi ein Forschungs- und Entwicklungszentrum - Foto: Audi

Ingolstadt (DK) Für die deutschen Premium-Autobauer – allen voran Audi – läuft das Geschäft in China glänzend. Doch offenbar missfällt das den Chinesen zunehmend. Sie machen Druck auf die Deutschen. Gegen Audi kündigten die Kartellwächter nun Strafen wegen „monopolistischen Verhaltens“ an.

Es schien eine unendliche Erfolgsgeschichte zu werden – zumindest eine sehr lang andauernde. Autos mit den vier Ringen auf dem Grill sind bei den Chinesen seit Jahren mindestens so begehrt wie ein Besuch auf Schloss Neuschwanstein. Die Zuwächse bei den Verkaufszahlen waren nahezu atemberaubend. Erfolg, der nicht von ungefähr kommt. Früh haben die Ingolstädter erkannt, was die Chinesen besonders gerne mögen: viel Platz. Deswegen gibt es im Reich der Mitte Modelle, die es sonst nirgends gibt, etwa Langversionen von A4 und A6. Die deutsche Konkurrenz zog nach. Doch dass Audi, BMW und Mercedes von einem Verkaufsrekord zum nächsten eilen und dabei dicke Gewinne einstreichen, scheint den Chinesen immer weniger zu gefallen. Der Druck auf die Premium-Autobauer verschärft sich.

Ein erster ernstzunehmender Wandel in der Stimmungslage war bereits im vergangenen Jahr zu erkennen: Immer mehr Chinesen beklagten sich über Probleme mit dem Direktschaltgetriebe in ihren VWs. In der Wolfsburger Zentrale dachte man zunächst, die unangenehme Sache aussitzen zu können – doch der öffentliche Druck nahm zu. Am Ende reagierten die Behörden. Die chinesische Qualitätsaufsicht forderte Volkswagen auf, defekte Autos zurückzurufen. 384 000 Fahrzeuge mussten in die Werkstätten geholt werden.

Und es ging weiter: Bald darauf folgte ein Bericht des chinesischen Staatsfernsehens, wonach in Autos von Audi, BMW und Mercedes bei heißem Wetter giftige Dämpfe ausgedünstet würden. Die Oberklasse-Hersteller reagierten verwundert – und wiesen die Anschuldigungen zurück.

Vor wenigen Tagen dann zwang die mächtige Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) die deutschen Hersteller, die Preise für Ersatzteile zu senken. Die Autobauer kamen dieser Aufforderung größtenteils nach. Umso größer nun die Überraschung, dass die Behörden offenbar trotzdem massiv gegen die Hersteller vorgehen. Vorgestern marschierten chinesische Ermittler der NDRC in einer Daimler-Filiale in Schanghai ein. Die Schwaben bestätigten, es habe eine Untersuchung gegeben – mehr könne man dazu noch nicht sagen.

Und jetzt also Audi. Wegen „monopolistischen Verhaltens“ kündigten die Kartellwächter Strafen an. Beim Ingolstädter Autobauer wirkte man von der Aktion der Chinesen ziemlich überrascht. Als Audi-Chef Rupert Stadler vergangene Woche der Belegschaft per E-Mail sein geplantes „Fitness-Programm“ für das Unternehmen mitteilte, war darin auch folgender Satz zu lesen: „Unter den BRICS-Wachstumsmärkten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika; Anm. d. Red.) ist momentan nur China eine stabile Größe.“ Scheinbar stimmt auch das nicht mehr, die Chinesen werden immer unberechenbarer.

Weil die Untersuchungen gegen das Unternehmen noch nicht abgeschlossen seien, könne man sich noch nicht umfassend äußern, teilte Audi gestern mit. Nur so viel: „Wir können bestätigen, dass das Hubei Price Bureau das Händlernetz der FAW-Volkswagen Audi Sales Divison Audi in der Provinz Hubei untersucht“, heißt es in einer Mitteilung. „Audi und sein Joint-Venture FAW-Volkswagen unterstützen die Untersuchungen der Regierung und kooperieren mit der NDRC.“

Viel anderes bleibt den Ingolstädtern und ihren Leidensgenossen BMW und Mercedes auch nicht übrig. Laut Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach, könnte die Gängelei durch die chinesischen Behörden in Zukunft weiter zunehmen. „Je stärker die ausländischen Hersteller werden, desto stärker werden die Chinesen dagegen steuern“, sagt der Automobil-Experte. Hintergrund der Aktionen sei das politische Ziel der Chinesen, selbst global konkurrenzfähige Automobilhersteller hervorzubringen. „Aber das funktioniert nicht so wie geplant.“

Jetzt müssten die Deutschen eben Kompromisse eingehen. Dass Audi, BMW und Mercedes an den Chinesen kräftig verdienten, sei den Behörden natürlich nicht verborgen geblieben. Er warnt davor, die Fehler von VW bei den Problemen mit dem Direktschaltgetriebe zu wiederholen. Als der Hersteller zunächst auf stur stellte, hätten die Chinesen auch schnell „scharf geschossen“. So schlimm, dass man die Deutschen aus dem Land jage, werde es aber wohl nicht kommen, so Bratzel, schließlich hingen auch in China viele Arbeitsplätze an den deutschen Herstellern – und die Chinesen kauften nun mal begeistert deutsche Marken.

Für Audi steht viel auf dem Spiel. Längst ist der chinesische Markt das wichtigste Standbein des Unternehmens. 491 989 Autos verkauften die Ingolstädter im vergangenen Jahr im Reich der Mitte (inklusive Hongkong). Damit liegen sie weit vor den Konkurrenten BMW mit 391 713 verkauften Autos (inklusive Rolls-Royce und Mini), und Mercedes, die nur 218 045 Fahrzeuge in China losschlagen konnten.

Wie die Strafen gegen Audi aussehen sollen, ist noch unklar. Vermutlich dürfte es sich um eine Geldbuße handeln. Bei umfassender Zusammenarbeit kann die NDRC Milde walten lassen. Noch geht es bei den Untersuchungen offiziell nur um Ersatzteile, doch es gibt erste Hinweise darauf, dass sich die Ermittlungen auch auf komplette Fahrzeuge und Fahrzeugteile ausdehnen könnten. Sicher ist jedenfalls, dass die grenzenlose China-Euphorie der Hersteller vorerst vorbei ist.