Schrobenhausen
Der Charme des Unfertigen

Acht Dichter traten am Samstag beim zweiten Schrobenhausener Poetry Slam gegeneinander an

22.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:55 Uhr

 

Schrobenhausen (SZ) Poetry Slam und Schrobenhausen? Passt wunderbar, wie sich bei der zweiten Auflage des Dichterwettkampfes im Jugendzentrum Zoom am Samstagabend zeigte. Der Gewinner kam zwar wieder aus Ingolstadt, aber die heimischen Poeten holen auf, allein schon zahlenmäßig.

Acht Teilnehmer, das war insgesamt schon einmal eine Steigerung gegenüber dem ersten Poetry Slam im vergangenen Oktober. Da hatten sich noch sechs Slammer Wortgefechte geliefert. Und jetzt traten fünf heimische Dichter im fast vollen Juze gegen drei auswärtige an.

Wie schon beim ersten Slam, so verkörperte auch jetzt Moderator André Carrié den Charme des Unfertigen, der die ganze Veranstaltung noch auszeichnet, fast idealtypisch. Hier einen Namen konsequent falsch ausgesprochen, da einen Satz einfach mal im Nirgendwo enden lassen, aber immer mit einem Lächeln – und schlagfertig: Bei der Ziehung der Reihenfolge der Auftretenden vergisst er Nummer fünf. Darauf aufmerksam gemacht, erklärt er sofort: „Nach drei kommt vier, und dann sechs und dann fünf.“

Kampf um Superpreis

Und dann kämpfen die Poetry Slammer auch schon um einen „geheimnisvollen Superpreis“ (André). Pascal Simon, der auf ewig der Sieger des ersten Schrobenhausener Poetry Slams sein wird, arbeitet sich an einer Seminararbeit für die Schule ab. Genauer gesagt bereitet er sich darauf vor, noch genauer: Er bereitet sich auf die Vorbereitung vor. Doch das will nicht so recht gelingen. Was tun? Schule schmeißen? Schund-Fantasyromane schreiben? Pascal findet: „Das kann ich auch.“

Mit Fantasy muss sich auch Kevin Reichelt, wie Pascal aus Ingolstadt, auseinandersetzen. Seine Freundin will „Twilight“ im Kino sehen, und er geht mit, denn: „Du musst den Feind kennen, um ihn zu vernichten.“ Er fragt sich, warum ihn denn Millionen Mädels nicht attraktiv finden, wenn er nach dem Kneipenbesuch „bleich, mit roten Augen und zerzausten Haaren“ – wie der Hauptdarsteller – nach Hause kommt.

Ernie Begic hat seinen Text für seinen allerersten Auftritt erst in allerletzter Sekunde fertig gestellt. Muss auch so sein, denn der 16-jährige beschreibt, was alles im Jugendzentrum passiert, bis die Veranstaltung beginnt – und sogar darüber hinaus: „Jetzt kommt der gewollte Applaus, und ich renne durch das ganze Haus.“ Und er kriegt den Beifall.

Die richtige Art

Steven Schön, auch erst 17 geworden, philosophiert über die Art – zu denken, zu reden, zu leben. Und dass sich die Kunst im Alltag widerspiegelt. Er findet: „Es ist nicht leicht, die richtige Art zu wählen.“

Weit über 100 Slams hat Loony Lorna aus Amberg schon besucht und moderiert. Die Halbschottin spricht immer über die Natur, und das auf Englisch. An diesem Abend ist es „Bumblebee“, die Hummel, für Lorna ein mystisches Wesen, das ihr am Herzen liegt. Und auch, wenn viele wenig vom Text verstehen, so lässt Lorna sie teilhaben, immer wieder gibt sie ein Kommando und alles ruft dann „Bumblebee“.

In die Küche zieht Nicole Brück die Zuhörer. Aber immer wieder geht es auch zurück zur Glotze, wo ein Meisterkoch gerade das Rezept vorstellt, dass Nicole nachkochen will – mit unangenehmen Folgen: Sie schneidet sich, hat nicht die richtigen Zutaten und gibt aber doch nicht auf. Das Endergebnis: ungenießbar. Für Nicole ist klar: „Kochen werd’ ich nimmer.“

Vom „täglichen Wahnsinn“ erzählt René Carrié, Zwillingsbruder von André und gemeinsam mit Nicole, Steven und dem Juze Initiator des Poetry Slams. Ein schrecklicher Albtraum, überall Gewehre, sein Bruder, erschossen. Ihn selbst trifft es auch. Das letzte Wort: „Danke.“ Tief verstört wacht er auf – und sieht sich in einer Welt, die ähnlich grausam ist.

Mit Richard Gruber kommt dann ein alter Hase auf die Bühne. Stakkatoartig ist sein erster Text über „Fleisch und Blut“, der sich auch der Frage widmet, wer der bessere Ratgeber ist: das Herz oder das Hirn. Es folgt ein Loblied auf Spargel und Paar – im Grunde aber auf seine Bewohner: „So wie das Land, hört man, so seien auch seine Leute.“

Sieger aus Ingolstadt

Viel Applaus gibt’s für alle Slammer, ins Finale werden dann Richard Gruber und die beiden Ingolstädter gewählt. Da warnt Richard bloß nicht seine Haferlschuh zu berühren, Pascal verspottet Milo und Aura Dione und Kevin trauert der verlorenen Zeit nach. „Zeit ist kein Mehrwert, denn sie ist viel mehr wert.“ Kevin wird schließlich vom Publikum klar zum Sieger gekürt. Der supergeheime Preis: ein (noch) unbeschriebenes Büchlein.

Eine Wiederauflage ist übrigens sicher. Nur wann, das wissen die Veranstalter noch nicht.