München
Der charmante Kritiker

29.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:46 Uhr
Zeigte sich auf der Start-up-Messe Bits & Pretzels ganz cool: der ehemalige US-Präsident Barack Obama. −Foto: Balk/dpa

München (DK) Der ehemalige US-Präsident Barack Obama begeistert auf der Münchner Start-up-Messe Bits & Pretzels. Er spricht über den Klimawandel, Diversität und Regulierung - und darüber, dass ihm seine neue Lederhose sehr gut stehe.

Stehende Ovationen zu Beginn, stehende Ovationen am Ende. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama kann es noch immer: Gestern war der inzwischen 58-Jährige Hauptredner auf der Start-up-Messe Bits & Pretzels auf dem Münchner Messegelände. Rund 8000 Zuhörer lauschten rund eine Stunde lang gebannt seinen Worten und feierten vor allem Seitenhiebe auf seinen Nachfolger Donald Trump - auch wenn dessen Name nicht ein einziges Mal fällt.

Die Themen, denen sich Obama widmet, sind ernst: Es geht um den Klimawandel, Diversität in Behörden und Firmen und die Regulierung von Konzernen. Der geborene Hawaiianer, US-Präsident von 2009 bis 2017 und Friedensnobelpreisträger, spricht ruhig und gibt sich locker. Er verzichtet auf Holzhammer-Rhetorik und aggressive Worte, und das kommt beim Publikum bestens an. Die Lederhose, die ihm die drei Gründer der Start-up-Messe - Andreas Bruckschlögl, Felix Haas und Bernd Storm - geschenkt haben, trägt er allerdings nicht. Er habe sie aber im Hotel anprobiert, bekräftigt der ehemalige Präsident. Er finde, sie stehe ihm sehr gut. Ob er auch aufs Oktoberfest gehen wolle? "Ich glaube, das würde den Secret Service nervös machen", scherzt Obama. Und so spricht er im Anzug mit Hemd und ohne Krawatte. Es ist sicher die richtige Entscheidung, sich nicht mit bavarischem Outfit anbiedern zu wollen. Er hat es nicht nötig. Er ist auch so cool: Die Gastgeber begrüßt er auf der Bühne allesamt mit einem lässigen Faust-Stoß.

Zwei Jahre habe es bis zur Zusage des prominenten Gasts gedauert, erzählen die Gründer des dreitägigen Festivals. Unzählige Male habe man angefragt und Absagen oder gar keine Reaktion erhalten. Zwischenzeitlich hätten sie sogar ein Video aufgenommen und ihm geschickt - was in der Antwort resultierte, man möge von weiteren Anfragen Abstand nehmen. Doch als Gründer wisse man, dass man dranbleiben müsse, sagt Bruckschlögl. "Er ist eine der einflussreichsten Personen unserer Zeit.". Und schließlich kommt die erhoffte Mail vom "Team Obama": "Good Things come to those who wait" - "Den Geduldigen wird Gutes widerfahren." Gratulation: Obama habe einen Platz im Terminkalender frei.

Schon bei den Veranstaltungen in den Jahren zuvor, war es den Gründern gelungen, prominente Gäste aufzufahren. Einer der mitreißendsten Auftritte war der des Schauspielers Kevin Spacey - allerdings noch bevor die Missbrauchs-Anschuldigungen gegen ihn aufkamen. Stefan Raab unterbrach einst sein "Karriereende" für einen Auftritt auf der Messe München. Und für dieses Jahr hat sich neben Obama noch Schauspielerin Jessica Alba angekündigt.

Seit dem Ende seiner Amtszeit finde er viel mehr Schlaf, berichtet Obama mit einem Augenzwinkern, wodurch er viel mehr Energie habe. Außerdem habe er nun mehr Zeit zum Lesen und Nachdenken und müsse sich nicht immer nur auf ein spezielles, gerade politisch aktuelles Thema konzentrieren. "Und natürlich habe ich nun mehr Zeit für meine Frau", sagt Obama. "Das ist toll." Schließlich habe es Monate gedauert, sie wieder zurückzugewinnen. "Sie war sauer, weil ich als Präsident kandidiert habe."

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg bezeichnet er als "außergewöhnlich." Eigentlich sei es traurig, dass ihr Wirken tatsächlich nötig sei. "Eine 16-Jährige sollte das nicht machen müssen." Gemeinsames Anpacken, sei nun gefragt: "Wir sind in einer Situation, in der jeder mithelfen muss", sagt Obama. Moderne Technik könne viel dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Doch das wichtigste sei, zu verstehen, warum es so wichtig sei, gegen den Klimawandel anzukämpfen. "Sie sehen aus wie ein gebildetes Publikum - und ich muss sie wohl nicht davon überzeugen, dass das Problem real ist." Ein deutlicher Seitenhieb auf seinen Nachfolger Donald Trump.

Auch auf das Thema Regulierung kommt Obama zu sprechen: Die großen Tech-Konzerne bräuchten klare Rahmenbedingungen - genauso wie kommende Techniken wie Künstliche Intelligenz. Dort kratze man gerade einmal an der Oberfläche des Möglichen. "Dennoch müsse man dabei auch Fragen nach ethischen Werten stellen." Schließlich ist es vor allem die moderne IT-Technik, die sich beispielsweise die chinesische Regierung zunutze macht, um ihre Bürger komplett zu überwachen - und Firmen wie Facebook ihre riesigen Datenschätze ermöglicht. "Wir romantisieren die Idee, dass es ohne Regulierung am besten läuft."

Grundsätzlich müsste sich das Verständnis in der Wirtschaft verändern: Noch immer strebten viele Firmen durch den Druck der Anteilseigner nach schnellem, hohem Gewinn. Das sei auch auf lange Sicht nicht gut. Vielmehr müsse man künftig den Fokus auf eine langfristige Perspektive richten.

In seiner Zeit im Weißen Haus, habe er viel Wert auf Diversität gelegt, erzählt Obama. Dennoch habe auch er dazulernen müssen. So hätten in den Meetings häufig nur die Männer geredet - "auch wenn sie vom Thema keine Ahnung hatten." Die weiblichen Experten dagegen hätten aus Höflichkeit nicht unterbrechen wollen. "Deshalb musste ich sicherstellen, dass die Frauen nicht nur im Raum sind, sondern, dass wir von ihrem Wissen profitieren." Wie? "Ich habe den Männern gesagt, sie sollen still sein." Man müsse auch mal zuhören können, das habe ihm seine Frau Michelle in 26 Jahren Ehe beigebracht.

Bereits vor Obamas Auftritt hatten drei Frauen ihre Start-ups vorgestellt: Elsa Bernadotte präsentiert eine App namens Karma, die Essensverschwendung minimieren soll. Samantha Payne von Open Bionics stellt das Project "Hero Arm" vor, das speziell auf Kinder zugeschnittene Prothesen fertigt. Und schließlich zeigt Zarah Bruhn ihr Projekt Social Bee: eine Non-Profit-Organisation, die Flüchtlinge beschäftigt und an Firmen vermittelt. Mehr als 200 hätte sie schon eingestellt, mehr als 100 seien von den Arbeitgebern übernommen worden.

"Das Lösen von Problemen gelingt nicht ohne Zusammenarbeit", sagt Obama. Manchmal brauche es Mut und Ausdauer. Er selbst habe das bei der Einführung des "Healthcare"-Systems in den USA erlebt. Zeitweise habe es so ausgesehen, als ob das Ganze scheitere. "Manche aus meinem Team haben zu mir gesagt: ,Lass es'." Andere hätte ihn gefragt, was ihn denn so optimistisch bleiben lasse. Er habe geantwortet: "Mein Name ist Barack Hussein Obama - und ich sitze im Weißen Haus." Da könne man doch nur optimistisch sein. Was ihn aber hauptsächlich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lasse, seien die jungen Leute, die er treffe. "Es gibt überall Gretas."

Sebastian Oppenheimer