Der Burgfestmontag: In 40 Sekunden von null auf hundert

03.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:57 Uhr
»Die Hände zum Himmel«: Wenn das Zelt am Burgfestmontag öffnet, dauert es nur Sekunden, bis alle Bierbänke besetzt sind. Und sobald die Steigerwälder Knutschbär'n spielen, singen alle mit. −Foto: Roland Münch

Hilpoltstein (HK) Es ist 7 Uhr am Burgfestmontag. Jetzt heißt es schnell sein. Hunderte Feierwütige stürmen das Zelt, kämpfen um einen Tisch nahe der Bühne. Wer einen sieht, springt, lässt sich mit ausgebreiteten Armen darauf fallen. Der Tisch ist gesichert! 40 Sekunden, dann sind alle guten Plätze weg.

Noch immer rennen Besucher durch den Zelteingang, als ginge es um ihr Leben – doch die Chance ist vorbei, wer jetzt erst kommt, muss sich mit einer Bank im letzten Drittel des Zelts begnügen. Es geht los? Nein, noch lange nicht. Die sehnlichst erwarteten Steigerwälder Knutschbär’n, die das Zelt an diesem Vormittag zum Kochen bringen werden, kommen erst in zweieinhalb Stunden. Kein Problem, Bier gibt es genug, einige haben sich vorsichtshalber selbst ein paar Flaschen mitgebracht, um die Wartezeit zu überbrücken.

Es wimmelt von HIP-feiert-Aufklebern, mal auf T-Shirts, mal auf den Lederhosen. Eine junge Frau hat sich den Aufkleber in den Ausschnitt geklebt, damit ihn wirklich jeder auf den ersten Blick sieht. Es ist jetzt kurz vor halb zehn und die Knutschbär’n müssten jedem Moment auftauchen. Schon steigen alle auf die Bänke, heben ihre Maßkrüge, obwohl noch kein einziger Ton erklingt. Minuten später ist es endlich soweit. Die Band naht, angeführt von einem Bläser mit knallroter Trompete, die aussieht, als wäre sie aus dem Spielzeugladen. Tuba, Pauke, Saxofon – die ganze Band folgt und spielt „Rosemarie“.

Warmsingen muss sich keiner der Burgfestgäste: Als die Knutschbär’n die Bühne und damit die Mikrofone erreichen, wird „Rosemarie“ durch die Boxen gejagt und alle grölen mit. Bei „Viva Colonia“ halten noch alle schunkelnd auf den Bänken durch, aber bei „Die Hände zum Himmel“ stellen sogar die in der ersten Reihe fest, dass ein halber Meter Abstand zu den Knutschbär’n einfach zu viel ist – sie drängen sich in den schmalen Durchgang zwischen Tischen und Bühne, knallen ihre Krüge auf die Bretter vor ihnen und schunkeln weiter.
Eine Bedienung, die gerade zehn Maßkrüge durch die Gänge bugsiert, singt lauthals mit – genauso wie die vier schwarzen Männer der Security, die derzeit noch arbeitslos neben der Bühne stehen. Schon eine halbe Stunde später, zwischen „Cotton Eye Joe“ und „Atemlos durch die Nacht“ schnappt auch de Bedienung merklich nach Luft, kommt im Gedränge kaum noch vorwärts. Die Security steht inzwischen vor dem Ausschank, muss etliche Durstige vom Tresen zerren, weil sonst kein Durchkommen mehr ist.

Es wird warm im Zelt, nach gut einer Stunde suchen die ersten Gäste nach einem Platz im Biergarten. Hier hat einer direkt am Eingang einen Tisch besetzt, den er bis zum Eintreffen seiner Freunde mit einer mit kaltem Wasser gefüllten Sprühflasche nach Kräften verteidigt.

Wenn die Knutschbär’n mittags von der Bühne gehen, ist der Spuk vorbei, das Zelt leert sich zusehends. Doch der Nachmittag gehört sowieso den jungen Festbesuchern. Mit Eltern und Großeltern im Schlepptau ziehen sie vom Autoscooter zum Karussell, von der Schießbude bis zum Losstand. Erst am Abend füllt sich das Zelt wieder. Die Gäste vom Morgen sind erholt und feiern dem Feuerwerk zum Burgfestausklang entgegen.