Untrmässing
Der Brocken, der vom Himmel fiel

Zwei Brüder finden vor 100 Jahren mit "Unter-Mässing" den größten noch erhaltenen Eisenmeteorit Deutschlands

03.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:42 Uhr
Gut basketballgroß, aber so schwer wie ein Mann: Der Unter-Mässing ist heute im Naturhistorischen Museum in Nürnberg ausgestellt. Zwei Brüder fanden den Gesteinsbrocken vor 100 Jahren beim Roden von Baumwurzeln. −Foto: Marisa Blume

Untermässing/Nürnberg - Selbst schöne, runde Jubiläen müssen in Zeiten der Corona-Pandemie ausfallen. Der Soldaten-, Krieger- und Kameradschaftsverein (SKKV) Großhöbing-Schutzendorf beispielsweise wollte eigentlich vor einem Monat sein 100-jähriges Bestehen feiern. Geht nicht, größere Veranstaltungen sind nach wie vor untersagt. Einem Jubiläum jedoch kann jeder, der will, selbst nachspüren, für sich oder mit der Familie, in Nürnberg: Der Unter-Mässing wird heuer ebenfalls 100 Jahre alt.

Genauer gesagt, hat sich sein Fund im Mai gejährt, er selbst ist weit, weit älter. Der Unter-Mässing - so seine offizielle Schreibweise - ist ein Meteorit, genauer gesagt ist er der größte noch erhaltene Gesteinsbrocken aus dem All, der in der Neuzeit in Deutschland gefunden worden ist. Und zwar, der Name lässt es vermuten, bei Untermässing. Rund 42 mal 32 Zentimeter misst er - und ist mit über 78 Kilogramm so schwer wie ein ausgewachsener Mann. Ausgestellt ist er im Naturhistorischen Museum in Nürnberg, er darf sogar angefasst werden. Die Berührung eines solch imposant großen Stückes außerirdischen Materials ist etwas ganz Besonderes. Manche schreiben dem Brocken sogar Heilkräfte zu. Im Thalmässinger Museum - das seit seinem Umbau als Fundreich firmiert - ist den Besuchern bis vor wenigen Jahren eine Nachbildung gezeigt worden.

Dass dieses große Stück überhaupt gefunden wurde, ist dem Zufall zu verdanken und der Arbeit zweier Waldarbeiter: Im Mai 1920 waren die Brüder Johann und Georg Schäfer auf dem Katzenberg zwischen Untermässing und Österberg eigentlich mit dem Roden von Wurzelstöcken beschäftigt, als sie auf den Brocken stießen. Als beim Aufprall der Hacke in etwa eineinhalb Metern Tiefe ein Klirren zu hören war, war ihnen schnell klar, dass sie auf Metall gestoßen waren. Der Klumpen war fest umschlossen von den Wurzeln einer alten Fichte.

Ihren Fund hielten die Brüder Schäfer nicht geheim und so bekamen sie schon bald ein erstes Angebot: Ein Schrotthändler aus Thalmässing bot ihnen zwei Mark, schließlich besteht der Meteorit hauptsächlich aus Eisen. Und das konnte man gut gebrauchen. Der Eisenmeteorit wurde nicht vom Schrotthändler zerstört, dieser bekam ihn gar nicht. Denn für zwei Mark, wollten die Brüder Schäfer ihren Fund, den sie mit viel Mühe geborgen und mit dem Schubkarren nach Untermässing geschafft hatten, nicht hergeben.

Inzwischen hatte Franz Kerl, ein in Dixenhausen wohnender Sammler, Heimatforscher und Mitglied der Naturhistorischen Gesellschaft (NHG) Nürnberg, von dem Aufsehen erregenden Fund erfahren. Er untersuchte ihn als Erster genauer. Und erkannte sofort, dass es sich um einen Meteoriten handelte und wegen seiner Größe auch um einen sehr bedeutenden Fund. Er vermittelte daraufhin den Verkauf des Meteoriten an die NHG. Auch für die Brüder war Kerls Identifizierung lukrativ: Sie erhielten nun 150 Mark Entlohnung und noch einmal 20 Mark für den Transport. Kerl selbst bekam ebenfalls 150 Mark für die Vermittlung ins Museum. Ein paar Nebenkosten kamen für die NHG noch hinzu, insgesamt bezahlte sie 360 Mark. Heute wird der Wert des guten Stückes auf etwa eineinhalb Millionen Euro geschätzt.

Fast ein Trinkgeld angesichts des Alters: Der Unter-Mässing ist 4,55 Milliarden Jahre alt und stammt somit noch aus der Zeit, als sich das Sonnensystem in seiner Bildungsphase befand. Er stammt aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Sein Material entstammt dem Kern eines Asteroiden, der so groß war, dass sich durch die Schwerkraft die schweren Bestandteile Eisen und Nickel im Inneren absetzen konnten. Es wird spekuliert, dass es sich dabei um den Asteroiden Psyche gehandelt haben könnte, ein Brocken mit rund 250 Kilometern Durchmesser.

Durch einen Zusammenstoß mit einem anderen Himmelskörper und dem Einwirken der Schwerkraft des Jupiter ist der Unter-Mässing entstanden und von seiner ursprünglich kreisförmigen Bahn im Asteroidengürtel in eine elliptische Bahn um die Sonne geworfen worden, die den nun Meteoroid genannten Brocken nahe an die Sonne führte und ihn auch die Erdbahn kreuzen ließ. Er zog noch mindestens 1,4 Milliarden Jahre seine einsame Bahn durchs All, bis er schließlich mit der Erde kollidierte.

Der mit etwa 78,5 Kilogramm (kg) größte Teil des Meteoriten ist im Naturhistorischen Museum in Nürnberg ausgestellt. Als der Meteorit gefunden worden ist, wog er noch rund 80 Kilogramm. Vorwiegend für Untersuchungen wurden jedoch einige kleinere Stücke abgesägt, schon im Auffindejahr 1920 wurde ein 1,3 kg großes Stück für verschiedene Analysen abgetrennt, nicht alle existieren heute noch. Von späteren Metallentnahmen sind kleine Stücke in verschiedenen Sammlungen vertreten, die Jürgen Höflinger in seinem neuen Buch auflistet.

HK

Volker Luff