Denkendorf
Der berühmte Schotte mit den "bayerischen Eltern"

Heute ist Bob Ross Echogewinner und Starmusiker, als armen Studenten nahmen ihn Peter und Marianne Spaet aus Dörndorf auf

18.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:17 Uhr

Foto: Alexandra Burgstaller

Denkendorf (EK) Bob Ross hat einen eigenen Eintrag auf Wikipedia, der einem viel über den erfolgreichen Münchner Philharmoniker verrät. Was man allerdings nicht erfährt, ist die Geschichte des mittellosen Studenten Bob Ross, der in Dörndorf bei Marianne und Peter Spaet viel Hilfe und eine Ersatzfamilie fand.

Es ist die zauberhafte Geschichte von Menschen, deren Lebenswege verschiedener nicht sein könnten, die aber bis heute eine tiefe Freundschaft verbindet. Bob Ross ist schwer im Geschäft. Der 61-Jährige ist in Kennerkreisen eine kleine Berühmtheit – und das nicht nur, weil er mit 1,57 Meter wahrlich nicht zu den Größten zählt: Er spielt bereits seit 1979 bei den Münchner Philharmonikern und gibt mit dem von ihm vor 30 Jahren ins Leben gerufenen Bläserorchester „Blechschaden“ Konzerte auf der ganzen Welt, „nur in Afrika und Australien waren wir noch nicht“, sagt er .

Peter und Marianne Spaet waren auch noch nie in Australien oder Afrika, die beiden 73-Jährigen leben seit 52 Jahren ein beschauliches Leben in Dörndorf, fast genauso lange sind sie verheiratet. Peter Spaet stammt eigentlich aus München, Marianne Spaet ist eine waschechte Dörndorferin. Während er den größten Teil seines Lebens in der Wirtschaftsauskunftei in Regensburg arbeitete, war seine Frau Zeit ihres Lebens in der Textilbranche tätig. Obwohl das Paar mehrere Jahre in München lebte, sind sie glücklich heute nicht mehr dort zu sein. Sie schätzen das ruhige Leben auf dem Land.

Bob Ross hingegen lebt mit seiner Familie gerne in München. Geboren wurde er allerdings im schottischen Kirkcaldy. Er kam vor rund 40 Jahren nach Deutschland. „Ingolstadt ist die Partnerstadt meiner Heimatstadt, so gab es das Angebot dort in den Ferien zu arbeiten“, erklärt er. Dörndorf allerdings war nie eines seiner Ziele. Tatsächlich ist es nur einem Zufall zu verdanken, dass sich die Wege des Musikers und der Spaets in einem Reisebus kreuzten.

Genauer gesagt war es der Nachbarsjunge Paul Bienek, der den jungen Schotten damals aufgabelte. „Eigentlich wollte ich nach Nürnberg trampen, bin aber nur bis Denkendorf gekommen“, erinnert sich Bob Ross. Paul Bienek sei da gerade mit seinen Spetzln auf dem Weg zum Beilngrieser Volksfest gewesen und habe den Schotten kurzerhand eingeladen, einfach mitzukommen. „Weil wir am nächsten Tag ohnehin mit dem Bus einen Stammtischausflug in die Richtung geplant hatten. Da wollten wir ihn dann mitnehmen und in Nürnberg rauslassen.“ Um es kurz zu sagen, daraus wurde nichts, Bob Ross verließ den Bus genau dort wieder, wo er eingestiegen war: in Dörndorf.

Denn hatte sich die Ausflugsgruppe schon am Vortag ganz prächtig am Volksfest amüsiert, wurde es auf dem Ausflug sogar noch bunter. „Es gab viel Bier und Musik und ich dachte lange Zeit, das sei die Art, wie Bayern mit dem Bus zur Arbeit fahren“, erklärt Ross lachend. Im Bus lernte er auch das Ehepaar Spaet kennen. Peter Spaet, damals 31 Jahre alt, kann sich noch gut an das erste Zusammentreffen mit Bob Ross erinnern. „Er war ein phänomenaler Musiker. Er spielte Horn, ein anderer Akkordeon“, erzählt er. „Und so haben sie den ganzen Bus unterhalten.“

Nach dem Busausflug habe Bob Ross dann allerdings wieder verlassen auf der Straße in Dörndorf gestanden, erinnert sich Marianne Spaet. „Zehn trockene Semmeln hatte er dabei, seine Klamotten waren schmutzig und er wusste nicht wohin.“ Keine Minute lang habe sie überlegt, was sie tun sollte. „Wir haben ihn in die Badewanne gesteckt, ihm neue Klamotten gegeben und die nächsten Wochen blieb er bei uns“, sagt Marianne Spaet. In dieser Zeit schon bereicherte der 18-Jährige das Leben der Spaets, und auch der wiederum fühlte sich in Dörndorf so richtig wohl und angenommen.

Er fühlte sich sogar so wohl, dass er die nächsten beiden Sommer, in denen er wieder als Ferienjobber nach Ingolstadt kam, direkt den Weg nach Dörndorf einschlug. „Natürlich hat er von Anfang bis Ende bei uns gewohnt“, sagt Peter Spaet stolz.

Auch Bob Ross erinnert sich gerne an jene Sommer in den 70er Jahren. „Das war so eine gute Zeit. Ich übte Horn in der Waschküche, ich habe auf bayerisch Fluchen gelernt und viel Bier getrunken.“ Er schmunzelt. „Die 70er eben.“

Der große Abschied kam schließlich 1974, als Ross aufbrach, um zu studieren. Denn trotz Bier trinken, Ausflügen und Ferienarbeit – sein Ziel, in Deutschland Musik zu studieren, hatte er nie aus den Augen verloren. „Wir haben viele Bewerbungen für Universitäten geschrieben. Denn Bob brauchte dringend ein Stipendium, seine Eltern hätten das Studium nicht bezahlen können“ erklärt Peter Spaet. „Und es hat geklappt. Ich habe ich ein Stipendium für die Universität in Köln bekommen“, fügt Bob Ross hinzu. Lange blieb er dort allerdings nicht, denn das musikalische Talent des Schotten schlug immer höhere Wellen. „Das Hessische Staatstheater in Wiesbaden bot mir eine Stelle an, die habe ich angenommen“, sagt er.

So sei er mit 20 Jahren bereits Teil eines großen Orchesters gewesen. Zwei Jahre darauf wollte man ihn in Essen und weitere drei Jahre später war es der 25-jährige Bob Ross, der sich gegen rund 40 Bewerber aus der ganzen Welt durchsetzte und die begehrte Stelle als Hornist bei den Münchner Philharmonikern ergatterte. „Ich war außer mir vor Freude. Und raten Sie mal, wo ich als Allererstes hingefahren bin“, grinst er amüsiert. Und ruft laut „Döndooorf!“ „Was waren wir stolz“, sagen auch Marianne und Peter Spaet.

Und dabei sollte das nicht einmal das Ende der Karriere von Bob Ross sein: 1985 gründete er mit elf weiteren Blechbläsern der Münchner Philharmoniker das Ensemble Blechschaden. „Wir spielen nicht nur Klassik, sondern auch Crossovers zu Popmusik“, erklärt Bob Ross das Erfolgsgeheimnis seiner Band. Denn schon zweimal haben sie den deutschen Musikpreis Echo gewonnen, spielten bereits für Ex-US-Präsident George Bush senior und sind beim Plattenlabel Universal unter Vertrag – neben Künstlern wie Helene Fischer und Madonna.

Und die Spaets? Die hat Bob Ross trotz seines Erfolgs nicht vergessen. „Das werde ich auch nie. Ich bin ihnen so dankbar für alles, was sie für mich getan haben“, sagt Bob Ross. Schließlich hat die Familie, die selbst eine Tochter hat, nie auch nur einen Cent von ihm gefordert. „Freilich war’s Glück, dass er uns hatte, aber wir hatten auch Glück, dass wir ihn kennengelernt haben, er hat unser Leben bereichert“, erklärt Peter Spaet. „Bis heute stehen wir in engem Kontakt, wir waren sogar bei seiner Hochzeit in England“, sagt Marianne Spaet. Das Highlight der Spaets war allerdings, als sie einen Brief der Stadt München erhielten und vom damaligen Oberbürgermeister Christian Ude eingeladen wurden. „Eine Veranstaltung zu Ehren verdienter Münchner“, erzählt Peter Spaet. „Wir wussten erst nicht, was es damit auf sich hat.“ Des Rätsels Lösung: Der Träger des bayerischen Staatspreises, Bob Ross, hatte „seine bayerischen Eltern“, wie er sie bis heute liebevoll nennt, für die Ehrung vorgeschlagen. „Ohne die Spaets hätte München keinen Blechschaden“, habe Christian Ude damals gesagt. „Und das wäre ja auch jammerschade“, meint Marianne Spaet und zwinkert.