Greding
Der Berg trennt die Spreu vom Weizen

Die anstrengendste Steigung des Radkurses: Am Kalvarienberg in Greding sind Kämpfer gefragt

20.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:27 Uhr

Angefeuert von der Cheerleadergruppe der Gredonia geht es den schweren Kalvarienberg immerhin ein bisschen einfacher hinauf.

Greding (HK) Aus den Boxen donnert die passende Musik, auf den „Highway to hell“ von AC/DC folgt Helene Fischer und gibt das Motto des Kalvarienbergs vor: „Atemlos“ trällert sie – wohl nicht ahnend, wie recht sie hat. Denn am Kalvarienberg in Greding geht manchem Triathleten die Puste aus.

„Es ist der Berg der Leiden“, ruft der Moderator Max Dorner durchs Mikro. Und gibt dem weltberühmten Solarer Berg gleich noch eine mit: „Das hier ist der echte Berg, alle anderen sind nur Hubbel.“ Obwohl nicht direkt angesprochen, verdreht Rolf Kordes die Augen. Der 74-Jährige quält sich sichtlich, in Schrittgeschwindigkeit nimmt er die Passage vor der Basilika St. Martin in Angriff, fast sieht es aus, als wolle er absteigen und sein Rennrad schieben. Doch er beißt, angefeuert von den Triathlonfans am Straßenrand. Er gibt nicht auf. Er schafft es.

Es sind Szenen wie diese, die den besonderen Charme am Südzipfel der Radstrecke ausmachen. Wer Gesichter sehen will, die von Anstrengung und Leid gezeichnet sind, muss bei annähernd 30 Grad zum Gredinger Kalvarienberg kommen, der anstrengendsten Steigung des Challenge. Hier werden Plätze verloren – oder auch gutgemacht. Der eine oder andere hat offenbar in den Bergen trainiert, rauscht an der Basilika und am Friedhof vorbei als ginge es bergab. Und überholt binnen einer Minute mal locker 50 weitere Fahrer.

Oben warten Bananen auf die Sportler, Wasser, Powerriegel – alles, was hilft, den Tag zu überstehen. Zahllose Helfer des TSV Greding stehen dort, reichen die Verpflegung weiter. „Da gibt’s Essen, nehmt es mit!“, klingt Dorners Stimme aus dem Lautsprecher, „dann seid ihr gestärkt für die nächsten 140, 150 Kilometer.“ Die Umstehenden müssen unweigerlich lachen bei diesem Spruch. Auf dem Liegestuhl sitzend, vom eigenen Sonnenschirm beschattet, lässt es sich weitaus komfortabler aushalten als auf dem Rad.

Nicht weit von der Moderatorenbühne entfernt haben es sich derweil die drei Triathlonaffen eingerichtet, so jedenfalls die Aufschrift auf der Fahne, die einer von ihnen schwenkt. Lediglich in Badehosen bekleidet, komplett mit kleinen Deutschland-Flaggen bedruckt, winken und rufen die zwei Männer in den Pulk der Radfahrer, während die Frau – im Badeanzug – einen großen Smiley in die Luft hält: „Smile“ ist darunter zu lesen – bei diesem Anblick fällt das den meisten Radfahrern nicht schwer. Das Trio erntet sogar erhobene Daumen.

Greding hat es geschafft, das Stimmungsnest hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr etabliert. Mittlerweile herrscht fast Volksfeststimmung, lediglich die beklemmende Enge des Solarer Berges gibt es hier nicht. Doch schon zur ersten Radrunde ist eine stattliche Anzahl von Menschen da. Zu den Ersten zählen Landrat Herbert Eckstein und seine Frau Elke Lades-Eckstein, Stammgäste im Landkreissüden. Und: Die Mutter von Michael Holzner, Startnummer 182. Sie war die Erste frühmorgens auf dem Berg. „Keine Angst!“, ruft Dorner dem Eisenmann zu: „Die Mama ist da.“

Der Moderator hat für viele Sportler einen Spruch parat. Und das in vielen Sprachen. Sogar eine Chinesin treibt er in ihrer Muttersprache den Kalvarienberg hinauf. Nur bei einem Esten, da scheitert er. Estnisch habe ihm noch keiner beigebracht, klagt er. Ob denn keiner hier sei, der es könne? Doch niemand meldet sich.

Vielleicht hält sich ja eine Fangruppe aus Estland neben den Chinelos aus Hausen auf. Deren rhythmisches Trommeln ist derartig laut, dass es alles andere übertönt, Dorners Stimme hört hier niemand mehr. Doch der Rhythmus geht ins Blut; sofort treten die Athleten schneller in die Pedale. Egal wie steil der Berg ist.