Röttenbach
Der Bauboom in Röttenbach und seine Schattenseiten

Nebenanlagen und Grundflächenzahlen werden Bauherren zum Verhängnis - Ausnahme für Sonderfall "Am Lerchenfeld" genehmigt

18.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:13 Uhr
Johann Schrenk
Für das Neubaugebiet "Am Lerchenfeld" in Mühlstetten hat der Gemeinderat eine Änderung des Bebauungsplans genehmigt. −Foto: Schrenk

Röttenbach - Der rapide Anstieg der Bauaktivitäten in den neuen Bebauungsgebieten Röttenbachs hat auch zur Folge, dass sich der Gemeinderat immer intensiver mit den eingereichten Bauanträgen und der damit verbundenen Bauleitplanung auseinandersetzen muss.

So auch in der September-Sitzung, zu der man zwei Bauherren eingeladen hatte, ihre Sonderanliegen vorzutragen.

In beiden Fällen ging es um die im Bebauungsplan festgehaltenen Grundflächenzahlen (GRZ), mit denen der Flächenanteil festgelegt wird, der auf dem jeweiligen Baugrundstück überbaut werden darf. Dabei wird nach der GRZ I (Hauptgebäude) und der GRZ II (Nebenanlagen) unterschieden. Die GRZ II darf maximal die Hälfte der GRZ I betragen.

Im ersten Fall, einem Mehrfamilienhaus im Baugebiet "Am Obstgarten", besteht das Problem darin, dass der Bauherr im Jahr 2017 von der Gemeinde und vom Landratsamt das Freistellungsverfahren genehmigt bekam, dass aber dabei die GRZ-II-Problematik weder angesprochen noch berücksichtigt wurde. Die GRZ I (0,3) war wie vorgeschrieben eingehalten worden, und der Bauherr setzte daraufhin die verfahrensfreien Nebenanlagen am Gebäude wie etwa Hauseingangsüberdachung oder Gartenhaus um. Bei einer drei Jahre später erfolgten Überprüfung der GRZ II stellte das Landratsamt nun fest, dass der neu berechnete Wert 0,68 betrug und damit der höchstzulässige Wert von 0,45 deutlich überschritten wurde.

Der Bauherr trat daraufhin an die Gemeinde heran und bat darum, den angrenzenden Waldsaumstreifen erwerben zu können, um seine GRZ-Bilanz wieder ins rechte Lot zu bringen. Der Kaufantrag wurde jedoch abgelehnt. Nun entschloss sich der Bauherr, bei der Gemeinde einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans hinsichtlich der Grundflächenzahl zu stellen. Die Vertreter der Verwaltung schlugen dem Gremium vor, die GRZ I von 0,3 auf 0,4 oder, wenn möglich, auch auf 0,45 - und damit die GRZ II auf 0,6 beziehungsweise auf 0,675 zu erhöhen, was im Gemeinderat eine grundsätzliche Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Änderung auslöste.

Christian Lutz vom Bauamt wies den Gemeinderat darauf hin, dass gemäß Baunutzungsverordnung eine Erhöhung der GRZ I auf 0,45 nur im Ausnahmefall möglich sei. Bürgermeister Thomas Schneider (FW) zeigte sich zudem skeptisch, dass von Seiten des Landratsamts eine Änderung des Bebauungsplans zugelassen wird, da die städtebauliche Begründung für eine Änderung der GRZ nicht ohne Probleme sei. Schneider und auch Michael Kauschka (CSU) wiesen darauf hin, dass der Bauherr eventuell in Betracht ziehen müsse, das Gartenhaus wieder abzubauen oder das Pflaster von Gehwegen wieder herauszureißen. Auch die auf dem Grundstück geplanten Stellplätze für die Mieter müssten gegebenenfalls entfernt oder es müsste eine entsprechende Ablöse dafür entrichtet werden.

Um den Bauherrn, der über die GRZ nicht ausreichend informiert worden war und dem man keine schlechten Absichten unterstellen könne, vor diesen Rückbauten zu bewahren, schlug Eduard Schielein (SPD) vor, ihm den Ankauf der gewünschten Zusatzfläche zu ermöglichen. Hierin sah auch Franz-Josef Mühling (Freie Wähler) eine Möglichkeit, da auch er sich einer Bauplanänderung gegenüber skeptisch zeigte. Michael Gerstner (CSU) fragte nach, ob von einer solchen Änderung der Grundflächenzahl nicht auch benachbarte Bauobjekte betroffen seien und ob man mit dieser Problematik nicht auch im jüngsten Baugebiet "Am Lerchenfeld" in Mühlstetten zu tun habe. Insgesamt sprach sich das Gremium dafür aus, von einer Änderung des Bebauungsplans Abstand zu nehmen. Im Nachhinein würden so andere Bauherren benachteiligt werden. Für die Zukunft wolle man, so Bürgermeister Schneider, keinen Präzedenzfall schaffen. In der Frage der nachträglichen Genehmigung eines Grundstückszukaufs durch den Bauhherren müsse man aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten, weshalb die Entscheidung über den Bebauungsplan zurückgestellt wurde.

In einem zweiten Fall rund um die GRZ-Problematik - konkret geht es hier um zwei Bauvorhaben eines Bauherrn in Mühlstetten mit insgesamt elf Wohneinheiten im Gebiet "Am Lerchenfeld" - handelt es sich um einen Sonderfall: Um nach der Erstellung des ersten Gebäudes mit dem zweiten Objekt weiterbauen zu können, habe man wegen der erhöhten GRZ I des ersten Baus (0,47 statt 0,4) statt der normalen Balkone sogenannte französische Balkone angebracht, die Briefkastenanlage nach innen verlegt, das Müllhäuschen verkleinert und das Fahrradhäuschen entfernt. Das Problem besteht nun aber darin, dass der Investor die Wohnungen des ersten Gebäudes nur schwer vermarkten könne, was für ihn eine "wirtschaftliche Härte bedeute". Er stellte deshalb den Antrag, die zulässige GRZ für dieses Vorhaben von 0,4 auf 0,47 im Bebauungsplan abzuändern und versprach dafür, beim zweiten Objekt "kleiner zu bauen" und hier eine GRZ von 0,33 nicht zu überschreiten. So würde er damit "unter dem Strich den Ausgleich geschaffen haben".

Auf Nachfrage bestätigte der Bauherr nochmals seine Absicht, beim ersten Bau wieder normale Balkone anbringen zu wollen - wohlwissend, dass dadurch die GRZ I erhöht werden würde. Die anschließende Diskussion ergab einen weitgehenden Konsens darin, dass es sich hier um ein Gesamtbauvorhaben eines Bauherrn handelt, das in der Gesamtbilanz der beiden Grundflächen einen GRZ-I-Wert von 0,4 nicht überschreitet. Auch wenn die beiden Gebäude von einer Straße voneinander getrennt seien, handele es sich um das zusammenhängende Bauvorhaben ein und desselben Bauherrn, das man auch als solches bewerten müsse. Dem Antrag zur Änderung des Bebauungsplans wurde bei drei Gegenstimmen aus den Reihen der CSU-Fraktion zugestimmt.

HK

Johann Schrenk