Hilpoltstein
Der Anti-Babyboom

19.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:00 Uhr

Aufgemerkt: Ohne Familienförderung sinkt laut Gredings Bürgermeister Manfred Preischl die Zahl der Kinder im Landkreis Roth bald auf einen Tiefstand und die Kindergärten bleiben leer. - Foto: Bader

Hilpoltstein (HK) Schlechte Aussichten: Die Zahl der Geburten im Landkreis Roth sinkt ständig. Manche Kommunen haben jetzt schon ein Nachwuchsproblem, Schulen und Kindergärten gehen die Kinder aus. Die Entwicklung kann nur noch durch Zuzug gestoppt werden.

Noch nie wurden so wenige Babys in Deutschland geboren wie 2009. Vorläufiger Höhepunkt eines Trends, der sich auch im Landkreis Roth durchsetzt. Statt der einstmals 1374 Geburten, das war der Spitzenwert aus dem Jahr 1997, sind es jetzt noch 977 (2008).

 
"Es werden immer weniger Kinder, den Trend kann man ausmachen", sagt Christian Huber von der Gemeinde Thalmässing. Dort werden jährlich knapp 50 Geburten gezählt, der Tiefststand war 2006 mit 39 Geburten erreicht. Die ersten Auswirkungen des Kindermangels sind schon spürbar: Erst- und Zweitklässler werden in die Hauptschule umgesiedelt, weil dort schon Räume leer stehen.

Probleme, die Hilpoltstein noch nicht betreffen. Dabei sank hier die Zahl der Geburten von 118 im Jahr 2008 auf 90 im Jahr 2009. Das ist der absolute Tiefstand seit 1995. "Aussterben wird Hilpoltstein nicht", sagt Bürgermeister Markus Mahl (SPD). Er geht von einem Zwischentief aus. "Nur wenn das kein Ausrutscher nach unten war, wird sich das auf die Kindergärten, die Grund- und die Hauptschule auswirken." Insgesamt sei die Bevölkerungsentwicklung in Hilpoltstein stabil. Das, so Mahl, liege an der "hervorragenden Infrastruktur". Die Stadt verfüge über Ärzte aller Fachrichtungen, es gebe sämtliche Schularten am Ort und für jedes Kind einen Kindergartenplatz. Außerdem würden die Geschäfte alle Ansprüche befriedigen. "Ich gehe davon aus, dass wir insgesamt attraktiv sind für junge Leute", sagt Mahl und verweist auf die Baugebiete in der Stadt und in Hofstetten, die gut angenommen würden. Durch den Zuzug bleibe die Bevölkerungszahl insgesamt stabil, so Mahl. "Ich gehe davon aus, dass es wieder nach oben geht."

Gredings Bürgermeister Manfred Preischl (FW) sieht die Bundespolitik in der Pflicht, weniger die Kommunen. "Der Staat sollte eine dauerhaftere Familienförderung betreiben", sagt er. Ein Patentrezept hat er aber auch nicht parat. "Ich bezweifle aber, dass einmalig 5000 Euro Nachlass bei einem Bauplatz genügend Anreiz sind, Kinder zu bekommen." Trotzdem will er in Greding bald neue, günstige Bauplätze für junge Familien schaffen. Dabei ist in Greding der Abwärtstrend bei den Geburten gestoppt oder zumindest gebremst. Statt 65 kleinen Gredingerinnen und Gredingern im Jahr 2008 kamen 2009 immerhin noch 61 zur Welt. 2006 waren es lediglich 43, 1998 allerdings auch schon einmal 101. "Ich bin schon erstaunt, dass Greding nicht im negativen Deutschlandtrend liegt", sagt Preischl. "Grundsätzlich haben wir aber zu wenig Kinder."

Ottmar Brunner (CSU), Bürgermeister in Heideck, stimmt zu: "Wir müssen den Trend leider bestätigen." In Heideck hat sich die Geburtenzahl seit den 90er Jahren fast halbiert. Kamen 1999 noch 63 Kinder zur Welt, waren es 2008 nur noch 32. "Es gibt sicher wieder eine Umkehr", sagt Brunner, und er fordert eine Wertediskussion. "Die materielle Verwirklichung ist sicher nicht alles." Kinder würden das Leben einfach bereichern, so der dreifache Vater. "Ich möchte meine Kinder nicht missen."

Welche Beweggründe letztlich zu einer Entscheidung gegen Kinder führten, weiß Brunner ebenso wenig wie Manfred Korth, Leiter des Jugendamts im Landkreis Roth. Alles sei im Endeffekt reine Spekulation, da es keine genauen Untersuchungen gebe. Man wisse weder ob die wirtschaftlich schwierige Lage oder die Sorge um die Zukunft Schuld sind am Anti-Babyboom, noch ob mangelnde Betreuungsmöglichkeiten oder schlicht der fehlende Partner den Ausschlag geben. "Das ist Kaffeesatzlesen", sagt Korth.

Trotz des ständigen Geburtenrückgangs droht dem Landkreis aber nicht der Exodus. Laut Statistischem Landesamt ist die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2028 "stabil". Das bedeutet eine Schwankung von minus 2,5 bis plus 2,5 Prozent Wachstum. Während Ansbach, Weißenburg und der Landkreis Nürnberger Land laut Statistik schrumpfen werden. In Oberbayern soll die Bevölkerung im gleichen Zeitraum allerdings um über 7,5 Prozent steigen.