Ingolstadt
Der 38-jährige Krieg

Annette Erös, Mitbegründerin der Kinderhilfe Afghanistan, über den Kampf ihrer Familie gegen die Trostlosigkeit

04.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:11 Uhr

Glückliche Gesichter bei der Scheckübergabe gestern im Apian-Gymnasium: Verbindungslehrerin Janina Hoyer (von links), Elisabeth Witzel-Ganz (pädagogische Betreuerin der Mittelstufe), Cornelia Eichlinger (Offene Behindertenarbeit St. Vinzenz), Annette Erös, die Schülersprecherinnen Selina Wittmann, Juliane Baur und Annika Meier sowie hinter ihnen Alfred Stockmeier, der stellvertretende Schulleiter. - Foto: Eberl

Ingolstadt (sic) Sie blickt dem Elend seit 30 Jahren tapfer ins Auge. Vielleicht neigt Annette Erös auch deshalb zu klaren Ansprachen. "Was geht uns Afghanistan an", fragt sie die Mittelstufenschüler des Apian-Gymnasiums, das Land sei doch so weit weg. Aber es gehe die Deutschen längst etwas an, und das nicht erst, seit sich die Bundeswehr am Nato-Einsatz in Afghanistan beteiligen musste. Der begann 2001, da waren einige der Jugendlichen, die sich im Musiksaal versammelt haben, gerade einmal geboren - oder auch noch nicht. Seit 1979, als sowjetische Truppen in dem armen, friedfertigen Nachbarland einmarschierten, toben in dem kaputten Staat Kriege. 38 Jahre - ohne Hoffnung auf Frieden. Die Probleme verschärfen sich dramatisch: Armut, Kampf um Wasser, Terror, Korruption, Perspektivenlosigkeit eines sehr großen Teils der Bevölkerung. "Diese Probleme schwappen zu uns nach Europa", sagt Annette Erös. "Und deshalb geht uns Afghanistan alle an!"

Die Besucherin illustrierte mit schonungslosen Fotos die ewige Not: die Kunst des Überlebens in unwirtlichen Felslandschaften, schlimme Slums in den Städten, verstümmelte Opfer von Minen; Zehntausende Sprengkörper - im ganzen Land verteilt von den sowjetischen Invasoren und später von den Gewaltherrschern der Taliban - liegen noch herum. "Die Menschen dort hätten es auch gern ein bisschen anders, aber es gelingt nicht", sagt Annette Erös. "In den Slums haben sie überhaupt keine Chance! Wenn man das Elend sieht, versteht man, dass viele zu uns kommen - und dann ist Afghanistan eben nicht mehr weit weg. Und dieses Problem wächst!" Die nächste klare Ansage für die Schüler: "Es ist keine Lösung des Problems, wenn alle jungen Afghanen zu uns kommen. Aber mit denen, die kommen, müsst ihr in den nächsten 50, 60 Jahren irgendwie zusammenleben."

Damit mehr Menschen in ihrer Heimat Afghanistan eine Chance erhalten, baut die Initiative der Familie Erös dort in großem Stil Schulen und Berufsausbildungszentren (siehe Kasten). Erös freut sich daher sehr über eine Spende, die sie gestern - schon zum 14. Mal in Folge - von der Apian-Schulfamilie bekam. 5800 Euro, der gesamte Erlös des Weihnachtsbasars 2016 (für eine Schule ein enormer Betrag), teilen sich die Afghanistan-Hilfe und die Offene Behindertenarbeit St. Vinzenz. Für die Ingolstädter Einrichtung sagte gestern Cornelia Eichlinger ganz herzlich danke.