Pfaffenhofen
Depression: Wie Blicke durch ein trübes Glas

29.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:44 Uhr

Müde, Abgeschlagen und Lustlos: Statistisch gesehen erleidet jeder zehnte Deutsche einmal im Leben eine Depression, die ärztlich behandelt werden sollte. Meist wird diese Krankheit aber zu spät erkannt. Die Caritas-Beratungsstelle für psychische Gesundheit berät und vermittelt Betroffenen Hilfe. - Foto: colourbox

Pfaffenhofen (PK) Eine psychische Erkrankung kann jeden treffen. Jeder zehnte Deutsche leidet beispielsweise statistisch gesehen einmal im Leben an einer Depression, die aber häufig nicht ärztlich erkannt und behandelt wird. Bei der Caritas Pfaffenhofen gibt es deshalb eine Anlaufstelle für eine erste Beratung.

Lustlos? Müde? Abgeschlafft und niedergeschlagen? In manchen Fällen gehen solche Symptome quasi von allein und recht schnell vorüber. "Viel häufiger als man denkt, steckt aber leider auch deutlich mehr dahinter", sagt Klaus Bieber von der Caritas-Beratungsstelle für psychische Gesundheit. Gemeinsam mit der Sozialpädagogin Marion Dorsch-Baer und einem Team von etwa zehn Fachkräften leitet Bieber die Pfaffenhofener Erstanlaufstelle für Menschen, die unter psychischen Beschwerden leiden oder derartige Probleme im Ansatz bemerken.

"Etwa zehn Prozent aller Deutschen erleiden in ihrem Leben eine Depression, die behandelt gehört", sagt Dorsch-Baer – und fast jeder Zweite soll zumindest für eine Zeit lang psychische Probleme haben, über die unerkannt hinweggegangen wird.

"Das sind schlimme Statistiken – und nicht alle Beschwerden verschwinden ganz von alleine nach einiger Zeit", so Bieber. Auf jährlich mehr als 10 000 wird die Zahl der Suizide in Deutschland aufgrund von Depressionen geschätzt. Der Großteil davon wurde nie bekannt. Medienwirksame Fälle wie der Freitod des Ex-Fußball-Nationalkeepers Robert Enke oder das Karriereende seines Kollegen Sebastian Deisler sind die Ausnahme.

"Wir wollen keine Ängste schüren, sondern die Menschen nur darauf hinweisen, dass diese Krankheit jeden treffen kann und vollkommen normal ist – aber eben auch behandelt gehört", hadern Klaus Bieber und seine Kollegen vor allem mit einer Tatsache: dem gesellschaftlichen Tabu, sich eine psychische Krankheit selbst oder gegenüber der Gesellschaft einzugestehen.

Anzeichen Ernst nehmen

Dabei ist nun wirklich nichts Entwürdigendes dabei, zu Beschwerden zu stehen, die einen Betroffenen tagein tagaus leiden lassen. Schlaflose Nächte und Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden oder Rückenschmerzen sowie nicht zuletzt schier ewige Lustlosigkeit können Anzeichen für eine psychische Krankheit sein. "Es ist, als ob der Seele unwohl wäre", beschreibt Klaus Bieber den Zustand eines psychisch Angeschlagenen – und Marion Dorsch-Baer fügt bildhaft an: "Als wenn man die Welt durch ein Milchglas sehen würde. . ."

Wo eine vorübergehend schlechte Phase im Leben aufhört und wo die Krankheit beginnt, ist schwer zu sagen. Die Grenze ist fließend und selbst vom Fachmann schwer zu erkennen. "Man ist nicht krank, aber auch nicht gesund, mit Leere gefüllt und alle Empfindungen fühlen sich stumpf an", versucht sich Bieber weiter an einer Beschreibung der Symptome. Wenn es so weit ist, kann es im Grunde schon zu spät sein, die Beratungsstelle aufzusuchen. Es gibt in Pfaffenhofen eine Vielzahl von Einrichtungen, die psychisch Kranken helfen oder sie betreuen. Nicht immer ist sofort eine stationäre Therapie nötig. Oftmals können Fachärzte bereits helfen. Im Landkreis gibt es aber zudem therapeutische Wohngemeinschaften und eine eigene Fachklinik – die Danuvius-Klinik – zieht gerade aus Ingolstadt in die Kreisstadt um.

Mindestens genauso wichtig wie die ärztliche und therapeutische Betreuung ist laut Dorsch-Baer die Prävention.

"Wenn wir frühzeitig Probleme erkennen, können wir am besten helfen. Indem wir Grundvoraussetzungen verändern und die Krankheit im Keim ersticken", rät Marion Dorsch-Baer zum frühzeitigen Besuch eines Fachmanns. Die Beratung bei der Caritas erfolgt beispielsweise kostenfrei und anonym. "Wir unterliegen der vollen Schweigepflicht und niemand muss etwas befürchten, wenn er bei uns Rat sucht", sagt Klaus Bieber.

Warum es den Menschen so schwer fällt, bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu holen, können er und seine Kollegin nicht verstehen. "Jeder putzt sich die Zähne, um nicht zum Zahnarzt zu müssen. Jeder lässt sich gegen Krankheiten impfen und jeder Diabetiker spritzt sich Insulin – aber den Gang zum Psychologen verbieten sich viele selbst", beschreibt Dorsch-Baer die gängige Praxis. Dabei wird die Psyche in der heutigen Zeit immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. "Jeder muss funktionieren, die Anforderungen werden immer höher und vielfältiger. Nicht jeder ist dem rasanten Leben stets gewachsen", spricht Klaus Bieber von enormem Druck im Arbeitsleben und im privaten Bereich.

Auch die Seele pflegen

"Jeder muss immer mehr leisten – und daher braucht auch die Seele ausreichend Pflege", weiß er einige Tipps zum Erhalt der psychischen Gesundheit. Ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, neben der Arbeit das eine oder andere Hobby und vor allem immer ausreichend viel Spaß im Leben. "Wer all das für sich abhaken und regelmäßig lachen kann, ist nicht gefährdet", sagt Marion Dorsch-Baer – und wer sich da nicht so sicher ist, braucht einen Besuch bei ihr oder ihren Kollegen nicht zu scheuen. "Den Kopf reißen wir keinem ab", sagt sie lächelnd. "Wir versuchen nur, ein offenes Ohr zu haben und zu helfen."