Belo
Den Marktwert weiter gesteigert

Toni Kroos schwingt sich in seinem 50. Länderspiel zum Impulsgeber und Torschützen auf

09.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:29 Uhr

Belo Horizonte (DK) Es schien eine beschwerliche Prozedur im Bauch des Estadio Mineirão von Belo Horizonte zu werden, für die Ehrung zum „Man of the match“ die etwas vertrackte Werbewand erst runter – und dann wieder hochzuziehen. Eine junge Dame im dunklen Hosenanzug mit Fifa-Emblem am Jackett war nämlich zu kleingewachsen, um sie oben am Ständer festzuklemmen, aber ein netter Fotograf hat ihr dann dabei gerade noch rechtzeitig geholfen.

Und die Frau hat dann noch jede Falte auf der Folie glattgestrichen. Was eine sehr passende Geste war, weil ja ein Musterknabe kurz darauf hier Position bezog. Der blonde Seitenscheitel geschniegelt und gestriegelt. Das rote Poloshirt ordentlich geknöpft, die schwarze Trainingshose anständig angezogen. Und bevor Toni Kroos seine Trophäe erhielt und das Pflichtfoto gemacht war, hielt er artig die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Hier stand also: ein wohlerzogener deutscher Nationalspieler. Und das Gegenteil jener vielen Rotzlöffel bei diesem Turnier, die in dreckverschmierten Sporthosen, verschwitzten Hemden oder lumpigen Badelatschten diese hochwichtige Prozedur über sich ergehen lassen. Der beste Spieler an diesem flirrenden Abend ist hinterher genauso stilvoll aufgetreten wie auf dem Platz. Einerseits zurückhaltend, andererseits selbstbewusst. So instinktsicher der 24-Jährige die Mittelfeldräume gedeutet hatte, den Eckball zum 1:0 getreten, Kloses 2:0 mit eingeleitet, den Volleyschuss zum 3:0 und die Vollendung zum 4:0 angebracht hatte, so progammatisch fasste er nun im Presseraum dieses 7:1 zusammen. „Wir hatten von der ersten Minute das Gefühl, da geht was. Den Brasilianern hat man angemerkt, dass sie verunsichert sind.“

Und Kroos nutzte das im Duett mit Bastian Schweinsteiger und vor allem mit dem blendend aufgelegten Sami Khedira so kaltblütig aus wie ein Killerkommando. Nur ist ihr Auftrag mit den erledigten Brasilianern noch nicht erfüllt. „Wir sind hier, um Weltmeister zu werden. Noch haben wir einen schweren Schritt zu gehen“, erklärte Kroos und schob als Spieler des Spiels auch gleich den „Satz des Tages“ hinterher: „Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden.“

Klarheit in der Sprache und Klarheit im Spiel kennzeichnen bei diesem Turnier die deutsche Nummer 18, und Joachim Löw gab sich gar keine Mühe, bei seinem Musterschüler den Ball flach zu halten. „Toni war in den letzten zwei Länderspieljahren nach der EM ein Spieler, der dem Team wahnsinnig viele Impulse gibt, der uns unglaublich viel mitgibt im fußballerischen Bereich.“ Zur Mittelfeldhoheit trage der Münchner „einen großen Teil“ bei.

Längst scheint sich der junge Familienvater, der bereits im Alter von 16 Jahren von Hansa Rostock zum FC Bayern wechselte, in allen Lebenslagen eine prägnante Antwort zurechtgelegt zu haben. War es das beste Länderspiel in seiner aktiven Zeit? „Würde ich unterstreichen.“ Und sein bestes Länderspiel? „War eines der besseren.“ Nur eine Fragestellung mochte der gebürtige Greifswalder gar nicht. Die nach seiner Zukunft. Wäre es nicht jammerschade, wenn so ein toller Kicker in der nächsten Saison nicht mehr in der Bundesliga zu bestaunen wäre? „Dazu ist alles gesagt.“

Mehr mochte Kroos nach seinem 50. Länderspiel nicht verraten, aber der Profi hat ja schon häufiger jetzt verlauten lassen, dass er nach dem Turnier etwas zu verkünden habe. Alles läuft trotz eines bis 2015 gültigen Vertrages auf einen vorzeitigen Abschied hinaus: Der von der Agentur „Sportstotal“ um Geschäftsführer Volker Struth vertretene Spieler soll sich angeblich mit Real Madrid einig sein, so vermeldete es jüngst die spanische Zeitung „Marca“, das königliche Haus-und-Hof-Blatt. Die Ablöse ist indes noch nicht verhandelt, geschweige denn, liegt eine Freigabe der Bayern vor. An der Säbener Straße wissen sie: Das Preisschild bei einem Weltmeister steigt exorbitant.