Pfaffenhofen
Den Fußballvirus als ständigen Begleiter

14.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:56 Uhr

Ein neues Zuhause in Pfaffenhofen hat Jürgen Ötter gefunden. - Foto: McGinley

Pfaffenhofen (PK) Von unvergesslichen Fußballerlebnissen kann Jürgen Ötter berichten. In der Bayernliga, der damals dritthöchsten Spielklasse, spielte er beim VfB Coburg und VfL Frohnlach, als diese mit 1860 München oder Unterhaching um Punkte kämpften. Seit einigen Monaten lebt er in Pfaffenhofen.

"Die Spiele gegen 1860 waren sicherlich die Highlights. Da waren teilweise 15 000 Leute im Stadion", erinnert sich der 49-Jährige, der damals als beinharter Defensivspieler geschätzt war. Aber auch die Derbys zwischen den beiden fränkischen Teams Coburg und Frohnlach lockten bis zum 10 000 Fans ins Stadion. Namhafte Weggefährten, mit denen Ötter in dieser Zeit auf dem Platz stand, unterstreichen die Qualität der Bayernliga in dieser Zeit.
 

In diesen Jahren liefen in der Bayernliga bekannte Spieler wie Armin Eck (SpVgg Bayreuth, später FC Bayern und Hamburger SV), der spätere Löwen-Trainer Werner Lorant (SV Heidingsfeld), der aktuelle 1860-Coach Reiner Maurer oder Karl-Heinz Riedle (FC Augsburg) auf. Mit zwei späteren Bundesligaspielern, die mit Jürgen Ötter zusammen in Frohnlach spielten, verbindet dieser besondere Anekdoten: "Harald Spörl war einige Jahre jünger als ich und hat damals bei uns in der Bayernliga gespielt. Eines Tages nahm er mich zur Seite und erzählte mir, dass er ein Angebot vom HSV vorliegen hatte", erinnert sich Ötter, der schon seit den Zeiten von Kevin Keegan eingefleischter Fan der Hanseaten ist. Entsprechend deutlich fiel auch der Rat an den Mannschaftskollegen aus: "So ein Angebot bekommst du nie wieder! Wenn du nicht zum HSV gehst, rede ich kein Wort mehr mit dir!", sagte Ötter damals zu Spörl, der daraufhin in den hohen Norden wechselte und über 300 Bundesliga-Partien für den HSV absolvierte.

Auch am Karrierestart von Karlo Werner, dem langjährigen Verteidiger von Fortuna Düsseldorf (128 Liga-Spiele) war Ötter beteiligt. "Ich habe im Spiel gegen Heidingsfeld den ehemaligen Essener Bundesligaspieler Günter Fürhoff getunnelt, und als ich an ihm vorbeigelaufen bin, hat er mich gecheckt, so dass ich unglücklich hingefallen bin und eine Schultergelenksprengung erlitten", erzählt der damalige Frohnlacher Abwehrspieler. "Ich wurde dann ausgewechselt und für mich kam Karlo Werner zu seinem ersten Einsatz. 1988 ist er dann zu Fortuna Düsseldorf gewechselt."

Von diesen Tagen mit namhaften Spielern und Vereinen, die sich vor stattlichen Kulissen von mehreren Tausend Fans duellierten, ist die heutige Bayernliga weit entfernt – eine Tatsache, die Jürgen Ötter sehr bedauert: "Es ist schade, dass die Bayernliga durch die vielen Reformen der Ligastruktur abgewertet wurde. Viele Mannschaften, die damals in der Bayernliga zu Hause waren, sind jetzt in der Regionalliga. So sind häufig nur ein paar hundert Zuschauer bei den Spielen. Das rentiert sich nicht und ist auch für Sponsoren uninteressant. Die heutige Bayernliga ist ungefähr so wie die Bezirksoberliga damals", erklärt der 49-Jährige, der allerdings hofft, dass die bevorstehende Einführung einer eigenen Regionalliga für Bayern eine Rückkehr zu den "goldenen Zeiten" bringen könnte.

Wieder aufleben sollen die alten Zeiten nächstes Jahr, zumindest für einen Tag, wenn ehemalige Spieler des VfB Coburg und des VfL Frohnlach anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des letzten Bayernliga-Aufstieges der Coburger im Jahre 1982 zu einem Freundschaftsspiel gegeneinander antreten. "Die sind jetzt natürlich alle über 50 Jahre alt. Mal sehen, wer von denen noch laufen kann", scherzt Ötter, der die Organisation des Spieles übernommen hat. Er selbst hat ein künstliches Kniegelenk bekommen, befindet sich in der Reha und kann sich mittlerweile wieder sportlich betätigen. "Ich bin sehr gerne mit dem Fahrrad unterwegs, einige Male bin ich schon von Pfaffenhofen nach Ingolstadt und zurück geradelt. Bald will ich wieder mit dem Tischtennis anfangen, das ist ein weiteres Hobby von mir", berichtet Ötter.

Seine Hauptaufmerksamkeit gilt jedoch dem Fußball – wenn nicht mehr als aktiver Spieler, so doch umso mehr als Beobachter und als Trainer. Ötter absolvierte nahtlose Übergänge vom Spieler zum Spielertrainer und zum (nicht-spielenden) Trainer.

Nach einer dreijährigen Pause hofft der 49-Jährige, nun neue Aufgaben in diesem Bereich zu finden. Nach einigen Problemen beruflicher und gesundheitlicher Art ist Ötter nach Pfaffenhofen gezogen, um mit einem sauberen Schnitt einen Neuanfang zu starten. "Hier wird ein bisschen ein anderer Fußball gespielt, hier geht es noch intensiver und körperbetonter zur Sache. Vom Niveau würde ich aber sagen, dass es hier fast schon ein wenig höher ist als bei uns in Franken", schildert Ötter seine ersten Eindrücke.

Das fußballerische Angebot in der Umgebung seiner neuen Heimat sagt dem 49-Jährigen sehr zu. "Ich bin oft beim FC Ingolstadt oder bei 1860 München im Stadion", berichtet Ötter. Aber auch in der näheren Umgebung ist der Coburger immer wieder als interessierter Zuschauer an den Fußballplätzen anzutreffen, beispielsweise in Rohrbach oder bei den Pfaffenhofener Vereinen. Hier sieht der Neu-Pfaffenhofener viel Potenzial: "Eine Stadt dieser Größe bräuchte eigentlich schon einen Bezirksligisten, oder wenigstens einen Kreisligisten mit eindeutiger Ausrichtung nach oben", meint Ötter, der sich am Sonntag das Lokalderby FSV gegen MTV anschauen will. "Ich war kürzlich beim Spiel des MTV gegen Pförring und war beeindruckt von der Leistung gegen diese Spitzenmannschaft. Mit etwas Glück hätte der MTV punkten können", berichtet Ötter, der sehr gespannt auf das Stadtderby ist.

Doch bei der passiven Zuschauerrolle soll es nicht bleiben. Jürgen Ötter möchte wieder ins Fußballgeschehen eingreifen und eine Trainerstelle finden. Sechs verschiedene Herrenmannschaften hat der B-Lizenzinhaber bereits betreut, außerdem die B-Jugend des VfB Coburg und die Frauen des FC Lichtenfels. "Ich kann mir gleichermaßen vorstellen, eine Herrenmannschaft, eine Jugendmannschaft oder ein Frauenteam zu trainieren. Ich bin flexibel. Ich bin kein autoritärer Trainer, der seine Linie durchdrückt. Ich lege Wert darauf, dass ich auf die unterschiedlichen Spielertypen Rücksicht nehme", erklärt der 49-Jährige. "Ich spiele gerne mit Viererkette, aber nur wenn die Spieler es umsetzen können. Wenn es sein muss, lass ich auch mit Libero spielen. Vor allem in den unteren Klassen ohne Linienrichter ist es manchmal problematisch", beschreibt Ötter seine Herangehensweise als Trainer.

Seine bisherigen Stellen hat der Franke alle in seiner Heimatregion durch Kontakte und Mundpropaganda gefunden. "Hier ist es natürlich anders, weil man mich nicht kennt", sagt der Coburger, der aber hofft, in der regionalen Fußballszene eintauchen zu können, um Kontakte zu knüpfen und eventuell einen neuen Einstieg zu finden. Das wäre der nächste Kapitel im Leben eines Mannes, dem der Fußballvirus durch alle Höhen und Tiefen seines Lebens ein treuer Begleiter war.