Ingolstadt
"Demokratie ist ein fragiles und verletzliches System"

Gerd Werding gehörte 18 Jahre dem Ingolstädter Stadtrat an - am heutigen Mittwoch feiert er seinen 80. Geburtstag

28.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:27 Uhr
Mit seiner Tochter Nina Schumm posierte Gerd Werding fürs Wahlplakat. Doch der Wiedereinzug in den Stadtrat auf der Liste der UDI blieb ihm verwehrt. −Foto: Privat

Ingolstadt - Er ist in der zu Ende gehenden Stadtratsperiode Alterspräsident.

Und das, obwohl der Arzt und Stadtrat Gerd Werding in der Kommunalpolitik gerne als Anwalt der Jugend auftritt, und der sozial Schwachen. Neben seinem Hauptthema, der Medizin, das, nachdem er sich als Unfallchirurg zur Ruhe gesetzt hat, noch lange nicht beendet ist. Der Mann macht noch mal ein Studium in Gesundheits-Management. Masterarbeit: Multiresistente Keime. Die gefährlichen Keime und das Thema Feinstaub begleiten Werding durch seine gesamte politische Laufbahn. Von 2002 bis 2020 gehört er dem Ingolstädter Stadtrat an, erst für die UW, die kurz darauf in Freie Wähler umbenannt werden, dann für die neu gegründeten Unabhängigen Demokraten Ingolstadt (UDI). Am heutigen Mittwoch feiert er seinen 80. Geburtstag.

Ein runder Geburtstag, und das mitten in der Corona-Zeit! Groß feiern ist da natürlich nicht drin. "Eigentlich wollte ich zusammen mit dem Claus und Hermann am Markt was ausgeben. Das ist ja nun hinfällig", sagt Werding. Wer ihn kennt, weiß, dass Werding mit einigen Freunden, zu denen aktive und ehemalige Kommunalpolitiker verschiedener Couleur gehören, seit Jahrzehnten Gast beim Samstags-Stammtisch am Viktualienmarkt ist. Werding, Oberst a. D. Claus Roser (SPD) und Ex-Innenstaatssekretär Hermann Regensburger (CSU) werden heuer 80. Ihre zusammen 240 Lebensjahre wollten sie am Stammtisch feiern. Das Coronavirus macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. "Ich werde überhaupt nichts machen", sagt Werding. Der Mediziner, der selbst der Risikogruppe angehört, geht auf Nummer sicher.

"Ich habe sehr viel Erkenntnis über unser System gewonnen", sagt Werding, nach der Bilanz seiner 18-jährigen Stadtratstätigkeit gefragt. Kommunalpolitik sei viel unmittelbarer als Landes- und Bundespolitik - man sei näher am Wähler dran, bekomme aber auch das Miteinander und Gegeneinander der Akteure stärker mit. Gerade die letzte Legislaturperiode habe er als "brutal" erlebt. Im Gegensatz dazu sei es "in der Ära Lehmann noch relativ friedlich und korrekt zugegangen".

"Demokratie ist ein sehr fragiles und verletzliches System, abhängig von den Agierenden", lautet die Diagnose Werdings. Der Arzt, der früher in Ingolstadt eine unfallchirurgische Praxis betrieb, kam über die Standespolitik als Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Ingolstadt-Eichstätt zur Kommunalpolitik. "Wir wissen, dass Du ein bissel rotbemalt bist", aber die UW habe auch dieses Spektrum abdecken wollen, sei er damals von Alfred Hagn und Peter Gietl angeworben worden. Später, als sich die FW "völlig der CSU angepasst" hätten und die Dissonanzen zwischen dem Querdenker Werding und seinen Fraktionskollegen größer wurden, entschied er, die Fraktion zu verlassen. "Ich bin aus völlig anderen Motiven gegangen als der Sepp", stellt er klar. Der Streit Mißlbecks mit den FW habe mit seinem Austritt überhaupt nichts zu tun gehabt, so Werding. Dass dann die Gründung der UDI kam, sei "reiner Zufall" gewesen. Für die UDI hätte Werding gerne im Stadtrat weitergemacht. Doch nur zwei Kandidaten haben den Sprung ins Gremium geschafft.

Jetzt hat Werding Zeit für andere Hobbys. Wenn es die Gesundheit erlaubt, will er wieder Segeln gehen. Und in Stay-at-home-Zeiten? "Ich habe noch viele Bücher zu lesen. In meinem Regal hab ich 3000 stehen. "

DK