Kelheim
"Demokratie darf nicht vor dem Werkstor enden"

Empfang zum 1. Mai bei Landrat Martin Neumeyer Treffen von Gewerkschaftern, Personal- und Betriebsräten

02.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:12 Uhr

Kelheim (DK) Der DGB-Kreisvorsitzende Willi Dürr hat beim Mai-Empfang von Landrat Martin Neumeyer (CSU) Tacheles geredet. Dass es gegen die Bildung von Betriebsräten immer noch Widerstand in so manchen Unternehmen gibt, bezeichnete der Gewerkschafter schlichtweg als einen Skandal und forderte die Politik auf, die Rechte der Arbeitnehmer auf Selbstorganisation im Betriebsverfassungsgesetz zu stärken.

Der Empfang des Kelheimer Landrats im Vorfeld des 1. Mai, der im Jahr der Bundestagswahl unter dem Motto "Wir sind viele. Wir sind eins" steht, hat mittlerweile einen festen Platz im Terminkalender von Politik und Gewerkschaften im Landkreis. Hubert Faltermeier, Kreischef von 1992 bis 2016, hatte das Treffen von Gewerkschaftern, Personal- und Betriebsräten vor einem Vierteljahrhundert eingeführt. Sein Nachfolger Martin Neumeyer kündigte bei der 25. Auflage am Mittwochabend im Landratsamt an, an dieser Tradition festhalten zu wollen. "Ich weiß, wie wichtig Personal- und Betriebsräte sind", sagte der Chef von rund 500 Bediensteten.

220 von ihnen arbeiten im neuen "Verwaltungshauptgebäude", so der Arbeitstitel bei der Planung, das Kämmerer Reinhard Schmidbauer den etwa 40 Arbeitnehmervertretern vorstellte. Auf einem kleinen Rundgang durften die Gäste einen Blick hinter die Kulissen werfen. Selbst ins "Allerheiligste", das Büro des Kreischefs mit einem herrlichen Blick auf die Befreiungshalle hoch oben am Michelsberg, die an diesem Abend allerdings bei tief hängenden Regenwolken nur zu erahnen war.

Transparenz ist ein Stichwort, das Neumeyer aufnahm, um sein Verständnis von einer offenen Verwaltung zu erläutern. "Wir wollen zeigen, wie wichtig die Kommunalpolitik und die Verwaltung vor Ort für den Bürger sind", sagte der Landrat. Innerbetrieblich sprach Neumeyer von einem "guten Betriebsklima". Mit dem Personalrat und seinem Vorsitzenden Erwin Ranftl, der auch Bürgermeister der Gemeinde Hausen ist, arbeite er vertrauensvoll zusammen.

Mit einer Arbeitslosenquote von im Durchschnitt 2,9 Prozent im Jahr 2016 sei der Arbeitsmarkt in der Region bestens aufgestellt, betonte Neumeyer. "Wir sind ein starker Wirtschaftststandort mit hoher Lebensqualität." Die Lage zwischen den Ballungszentren München, Nürnberg, Regensburg und Landshut bringe viele Entwicklungsmöglichkeiten für Handel und Industrie, die es zu nutzen gelte. "Wir haben beste Voraussetzungen dafür", so der Landrat. Deshalb wolle er auch die Wirtschaftsförderung in seinem Haus neu strukturieren, um damit die Basis für die Zukunft zu legen. Den Gewerkschaften bot er eine "ehrliche und offene Zusammenarbeit" an.

25 Empfänge dieser Art wertete DGB-Kreisvorsitzender Willi Dürr als ein "Zeichen der Wertschätzung an die Arbeitnehmer". Trotz der aktuell guten Wirtschaftsdaten sieht Dürr allerdings vieles im Argen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, drohende Altersarmut oder die Verweigerung von Arbeitnehmerrechten in Betrieben nannte er hier als Beispiele. Vor allem die Rente wird nach Überzeugung des DGB-Chefs im Kreis Kelheim ein entscheidendes Thema im Bundestagswahlkampf werden. "DGB und KAB haben ihr Rentenmodell vorgelegt, jetzt ist es an der Politik, diese Vorschläge aufzunehmen und umzusetzen." Den 1. Mai sieht Dürr als so etwas wie den Startschuss für den Bundestagswahlkampf aus Sicht der Arbeitnehmer: "Wir werden unsere Forderungen knallhart in den Raum stellen", kündigte er an.

Wie auch schon bei seiner ersten Auflage im Jahre 1993 fand der Mai-Empfang des Landkreises im Landratsamt statt. Es gibt allerdings einige Unterschiede. Das beginnt schon mit dem Gastgeber, damals Hubert Faltermeier von den Freien Wählern, heute Martin Neumeyer von der CSU. Seinerzeit saß die Kreisverwaltung noch im altehrwürdigen Wittelsbacher Schloss am anderen Ufer der Donau. Einen DGB-Vorsitzenden für den gesamten Landkreis Kelheim, wie heute Willi Dürr, gab es noch gar nicht. Die Dachorganisation der Gewerkschaften im Landkreis Kelheim war bis zur internen Strukturreform vor einigen Jahren zweigeteilt in die Regionen Regensburg und Landshut. Der Landshuter DGB-Boss hieß Klaus Pauli. Auch an der Spitze des Mainburger DGB-Ortsverbands, der vor einem Vierteljahrhundert noch "DGB-Kartell" genannt wurde, steht ein anderer, damals Helmut Gürster, heute Hermann di Pede.

Eines hat sich im Programm des Empfangs allerdings nicht verändert: das abschließende gemeinsame Essen, zu dem der Landrat seine Gäste aus den Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten einlädt. Obwohl - auch da hat sich etwas getan: Es geht nicht mehr so spartanisch zu wie in den Anfangsjahren. Während Hubert Faltermeier vor 25 Jahren noch warmen Leberkäs mit Kartoffelsalat auftischen ließ, orderte Martin Neumeyer ein opulentes Büffet beim Italiener.