stadtgeflüster
Dem Nachwuchs eine Chance

19.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:28 Uhr

(sic) Es gibt einen wundervollen Roman über den Beruf des Journalisten: "Die Unperfekten" des Londoner Schriftstellers Tom Rachman, erschienen 2010 bei dtv.

Er erzählt die heiter-traurige Geschichte einer in Rom erscheinenden englischsprachigen Tageszeitung. Neben unfassbar schrägen Redakteuren lernt der Leser auch die treue Abonnentin Ornella aus Rom kennen. Sie liest jede Ausgabe dieser Zeitung. Komplett. Alles. Jedes einzelne Wort. Vom Kopf der Titelseite bis zur untersten Kleinanzeige auf der letzten Seite. Tag für Tag. So etwas dauert. 1976 fängt sie an. Als sie die Ausgabe vom 24. April 1994 erreicht, schreibt man schon den 18. Februar 2007. Derweil türmen sich auf ihrem Dachboden die Zeitungen der Jahre dazwischen, die sie alle lesen wird.

Solche aufmerksamen Leser wünschen sich Journalisten! Es gibt allerdings auch solche, die lesen nur die ersten zwei Sätze eines Artikels - und schweifen gleich ab. Etwa Thomas Thöne. Der ÖDP-Stadtrat versucht sich neuerdings auf Facebook als Nachwuchsjournalist. Sein Portal nennt er "O-Thöne" (super Wortspiel! Manchen fällt's einfach ein). Am Montagabend las Thöne auf donaukurier. de den Artikel über eine eventuelle OB-Kandidatur Rupert Ebners für die Grünen. Aber vermutlich nur die ersten eineinhalb Sätze. Die lauteten: "Rupert Ebner hat sich entschieden: Ja. " Thöne muss wie elektrisiert gewesen sein. Er griff sofort zum Handy (es war 21.55 Uhr) und rief aufgeregt bei Ebner an. Sinngemäß soll Thöne (so erzählte es Ebner später) gesagt haben: "Der DK meldet, dass Du kandidierst! "

Da reagierte wiederum Ebner wie elektrisiert und rief besorgt sofort in der Lokalredaktion an, schließlich hatte er erst wenige Stunden zuvor mit einem Redakteur telefoniert und nichts - wirklich: nichts - über seine mögliche Kandidatur verraten. Es war 22 Uhr. "Wieso schreibt's ihr, dass ich kandidiere? " Am anderen Ende war der Autor des Artikels. Der legte dem Umweltreferenten ans Herz, den Text noch ein kleines Stück weiter zu lesen. Da heißt es: "Rupert Ebner hat sich entschieden: Ja. Er geht heute Abend zu Anton Hofreiter ins Diagonal. " So weit kam Thöne offenbar nicht.

Am Dienstag hat Ebner sogar zweimal in der Redaktion angerufen. Um 15.15 Uhr teilte er mit, nicht zu kandidieren. Und um 17.40 Uhr bekannte er: "Es tut mir leid, dass wegen mir was Falsches im DK steht! " Er gehe am Abend nun doch nicht zu Hofreiter ins Diagonal. "Ich hab völlig vergessen, dass wir Karten für Wolfgang Niedecken haben, der heute in München auftritt. " Er mailte gleich ein Beweisfoto der wertvollen Tickets.

Das wäre mal eine Story für Amateurreporter Thöne! Nett, eingängig und nicht zu lang.