Dem Jurahaus zu neuem Leben verholfen

13.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:12 Uhr

Die "Väter" des Jurahaus-Vereins 25 Jahre nach der Vorbereitung auf die Geburt wieder im Schloss Hofstetten unter sich (von links): Emanuel Braun, Peter Paul Ottmann, Brun Appel, Karl-Heinz Rieder, Peter Leuschner, Karl Frey und Robert Böhm. - Foto: kx

Eichstätt/Hofstetten (EK) Für viele Kommunalpolitiker war er lange so etwas wie ein rotes Tuch, andere dagegen atmeten auf, weil es endlich jemand wagte, öffentlich vor einer weiteren Zerstörung der einzigartigen Hauslandschaft im Altmühltal zu warnen: Am 4. Mai kann der Jurahaus-Verein sein 25-jähriges Bestehen feiern.

Verlief die Gründung des Vereins eigentlich problemlos?

Leuschner: Natürlich nicht. Geburtsfehler Nummer eins: Wir hatten zunächst keinen, der den Vorsitz übernehmen wollte und niemanden für das Amt des Kassiers. Bis jemand den Arzt Alois Stingl als Vorsitzenden vorschlug, der wiederum einen Freund, den keiner von uns kannte, als Kassier ins Gespräch brachte.

Und ging das gut?

Leuschner: Nein. Beide waren nur vier Jahre im Amt. 1988 wurde ich dann zum Vorsitzenden gewählt.

Geburtsfehler Nummer zwei?

Leuschner: Der Name: "Verein zur Förderung und Pflege von Altmühl-Jurabauten". Umständlicher ging’s nicht. Als der EICHSTÄTTER KURIER irgendwann nur noch vom Jurahaus-Verein schrieb, begriff der letzte, dass wir den Namen ändern müssen. Im übrigen hatte so mancher das Wort "Förderung" missverstanden und war enttäuscht, dass wir keine Zuschüsse zu vergeben hatten.

Wie waren die ersten Jahre?

Leuschner: Schwer, sehr schwer. Ich hatte naiv gedacht, wir könnten mit ehrlicher Aufklärungsarbeit überzeugen und das auf Abbruch stehende Ruder herumreißen, auch durch Gespräche mit den politisch Verantwortlichen.

Aus dem Dialog wurde aber erst einmal nichts.

Leuschner: Leider. Man hätte gemeinsam Anfang der 80er Jahre noch einiges an Substanz retten können. Aber ganz ehrlich: Eigentlich waren wir 20 Jahre zu spät dran. So wurde beispielsweise 1986 in Nassenfels, als die Marktgemeinde ihr 1900-jähriges Bestehen feierte, das letzte Jurahaus des einst typischen Jura-Orts abgerissen. Die einzigen Jurahäuser, die es jetzt dort noch gibt, stehen innerhalb der Burg und wurden von der Familie unseres Gründungsmitglieds Karl Heinz Rieder liebevoll renoviert.

Trotzdem ist es Ihnen, wenn auch spät, gelungen, das Negativ-Image der Jurahäuser ins Gegenteil zu verkehren.

Leuschner: Das ist sicher das größte Verdienst des Vereins. Der Preis dafür allerdings war hoch. Denn bis es so weit war, wurden wir als Spinner verhöhnt, als Fortschrittsverhinderer und Nestbeschmutzer. Dabei haben wir jedem sein neues Häuschen gegönnt. Nur: Das alte war viel qualitätvoller, war von einer zeitlosen Ästhetik und hätte nach einer Sanierung weitere 300 oder 400 Jahre gestanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die in den letzten Jahren anstelle der abgerissenen Jurahäuser errichteten Neubauten dieses Alter erreichen werden.

Mit Ihren vielfältigen Ideen haben Sie den Verein bekannt gemacht, angefangen von der umstrittenen "Todesliste", den "Goldenen Abriss-Birnen" für Denkmal-Zerstörer, dem Jurahaus-Preis, der jährlichen Zeitschrift, den Benefiz-Konzerten "Alte Musik an alten Orten" zugunsten gefährdeter Dorfkirchen in Mecklenburg, den Denkmal-Touren mit Prominenten bis zur "Woche des offenen Jurahauses". Haben Sie etwas davon bereut?

Leuschner: Im Gegenteil! Mit meiner "Todesliste" in der Hand fanden beispielsweise Edith und Wolfgang Sigl den leer stehenden Jura-Pfarrhof von 1616 in Meilenhofen, erwarben ihn mit Zustimmung des Ordinariats und erweckten ihn zu neuem Leben. Dafür erhielten beide den damals mit 25 000 Mark dotierten Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung.

Wie sah es aus mit dem landschaftsbezogenen neuen Bauen im Altmühljura, das der Verein ja auch forcieren wollte?

Leuschner: Dafür fehlte leider die Kraft. Unsere Energie war fast vollständig durch ständig irgendwo drohende Abbrüche gebunden. Andererseits war es in vielen Gemeinden im Kreis Eichstätt lange untersagt, neue Jurahäuser zu bauen.

Das hat sich aber geändert.

Leuschner: Ja, inzwischen dürfen neben Bungalows, Toskana-Villen und sonstigem auch moderne Jurahäuser gebaut werden. Dass uns die Kraft fehlte, auch das Thema neues Bauen stärker anzugehen, habe ich erst kürzlich im Gespräch mit Diözesanbaudirektor Karl Frey bedauert. Denn eigentlich hätten wir alle die moralische Verantwortung, heute die Baudenkmäler von morgen zu errichten.

Dennoch gab es nach außen hin über 20 Jahre nur Erfolgsmeldungen. Hatte der Verein auch Krisen?

Leuschner: Darüber werde ich öffentlich nicht reden. Nur soviel: Es gab zwei Versuche von Privatleuten, sich ihrer akut gefährdeten Jurahäuser per Schenkung an den Verein zu entledigen. Hätte ich nicht zwei Mal in letzter Sekunde die Notbremse gezogen, ich bin mir sicher, der Verein hätte das nicht überlebt. Bei einem dieser Versuche bin ich aus den Reihen des Vorstands massivst unter Druck gesetzt worden. Das Objekt, ein riesiger Jurastadel in Altmannstein, den die anderen sich schenken lassen wollten, ich und einige wenige aber nicht, ist bald darauf spektakulär eingestürzt. Hätte ich unterschrieben gehabt, hätten nicht nur der Verein, sondern ich sogar mit meinem Privatvermögen für eventuelle Schäden gehaftet. Dass der Verein in beiden Fällen von durchaus vermögenden Denkmal-Eigentümern nur als Abladeplatz für ungeliebte Objekte benutzt werden sollte, hatten die meisten im Vorstand bedauerlicherweise nicht realisiert. Im übrigen gibt es durchaus Parallelen zu dem Haus-Rot-Kreuz-Gasse 17, dessen Erhaltung der Verein sich ohne Notwendigkeit von der Stadt Eichstätt aufhalsen lässt.

Mit Ihrem Austritt und der Ablehnung der Ehrenmitgliedschaft haben sie quasi die Nabelschnur zu ihrem eigenen Kind abgeschnitten. War dieser Schritt richtig?

Leuschner: Das war reine Notwehr. Ich musste mich vor bestimmten Leuten im Vorstand schützen.

Würden Sie den Verein ein zweites Mal gründen?

Leuschner: Heute würde ich erst mit meiner Frau und meinen Kindern darüber reden. 1984 aber hatte ich ihr zugemutet, genauso wie ich unendlich viel Zeit, Energie und auch Geld in den Aufbau des Vereins zu investieren. Sie hat trotz dreier Kinder und eines eigenen gefräßigen Baudenkmals in Tausenden von Stunden den Vorstand bekocht, die Mitgliederliste geführt, Anzeigen gesammelt, Texte abgetippt, Telefonate mir abgenommen, Interessierte aufgeklärt, Briefe beantwortet, nach Veranstaltungen auch noch geputzt und, und, und – ohne sie würde es den Verein so nicht geben.

Was wünschen Sie dem Verein für die Zukunft?

Leuschner: Dass er eines Tages doch noch überflüssig wird. Der kürzliche Denkmalabend in Eichstätt mit Oberbürgermeister Arnulf Neumeyer und Stadtbaumeister Albert Dischinger sowie Oberkonservator Florian Koch vom Landesamt für Denkmalpflege ist ein Meilenstein in diese Richtung. Ähnlich positive Signale kommen auch aus dem Landkreis, zum Beispiel aus Dollnstein; dort steht mit der Burg die Rettung eines bedeutenden Jurabaus vor dem Abschluss.