Meihern
Das Wohnzimmer als Gemeindekanzlei

Hans Gerstner aus Meihern erinnert sich an die Zeit vor der Gebietsreform

10.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:17 Uhr

Der letzte Gemeinderat von Meihern vor der Auflösung im Jahr 1978. Johann Gerstner (2.v.l.) gehörte ihm von 1966 bis 1978 an. Repro: Erl

Meihern (DK) Ist er nun entsprechend seinem Geburtsstatus noch Oberpfälzer oder ist er – da Hans Gerstner aus Meihern mit seiner Familie seit 1978 im Landkreis Kelheim lebt – bereits ein Niederbayer geworden? Dabei hat der einstige Gemeinderat von Meihern nie seinen Wohnsitz verlegt, nur die politischen Grenzen sind damals im Zuge der Gebietsreform anders gezogen worden.

Er saß seinerzeit mit in dem Gremium der kleinen Dorfgemeinde, die den besten Weg in die Zukunft wählen sollte. Um es vorweg zu nehmen: Hans Gerstner ist auch 34 Jahre nach diesem Beschluss ein Altmühltaler geblieben, egal welches Verwaltungsetikett die damalige Grenzziehung mit sich gebracht hätte.

„Eigentlich ist alles beim Alten geblieben – die Sprache, die Leute und das Gemeinschaftsleben“, ist seine persönliche Bilanz. Er kann sich noch gut an die Kleinkrämerei dieser Jahre erinnern, als er 1966 erstmals in den Rat der Gemeinde Meihern gewählt wurde. Ganze 320 Einwohner zählte sie damals, in der benachbarten selbstständigen Gemeinde Altmühlmünster lebten nur 130 Menschen.

„Zu den Amtsstunden wurden die Wohnzimmer der Bürgermeister jeweils als Gemeindekanzlei genutzt. Der Dorflehrer Xaver Schneeberger fungierte als Gemeindeschreiber. Er und seine Nachfolgerin Edith Schöls waren für die Verwaltungsangelegenheiten zuständig“, erinnert sich Gerstner. „Wenn die Bürger Antragsformulare oder Gemeindepost erhalten sollten, trug sie der Gemeindediener aus und sammelte sie auch wieder ein“, sagt Gerstner lächelnd und ein wenig nostalgisch. Doch die anstehende Gebietsreform zu Beginn der 1970er Jahre verlangte Veränderungen, und so suchten die beiden winzigen Gemeinden als erste Kommunen im damaligen Landkreis Riedenburg nach stabileren Grundlagen.

Am 14. Februar 1971, einem Sonntag, wollten 41 Bürger bei der vormittäglichen Abstimmung im Schulhaus einen Anschluss an die Gemeinde Meihern, 30 der insgesamt 93 stimmberechtigten Bürger sprachen sich dagegen aus.

Doch der gewiefte Schachzug sollte den Bürgern um Bürgermeister Johann Lehmeier und den acht Gemeinderäten nur einen kurzen Aufschub gewähren. Schon 1978 stand mit der Auflösung des Landkreises Riedenburg die Entscheidung an, in welche Richtung die kleine Gemeinde ihre Zukunft lenken sollte. Ob nach Norden zum Landkreis Neumarkt in die Oberpfalz oder doch in Richtung Kelheim und damit nach Niederbayern, beide Varianten wurden natürlich auch von den Menschen in den Dörfern heiß diskutiert. Die Stimmung war dennoch eindeutig. „Ein paar wollten oberpfälzisch bleiben, doch die Mehrzahl sahen Kelheim als künftige Kreisstadt und Riedenburg als Gemeinde“, sagt Gerstner und möchte nicht mehr zu den damaligen Debatten verraten.

Aber ganz ohne Nutzen für die bisherige Gemeinschaft wollte man sich vor gut drei Jahrzehnten nicht einfach von den Großen schlucken lassen. „Die Gemeinde Meihern hat noch vor der Reform mit dem Bau des Feuerwehrgerätehauses begonnen, das dann allerdings die Gemeinde Riedenburg fertigstellen musste. Geld haben wir nicht mit nach Riedenburg gegeben“, meint Gerstner verschmitzt. Der eigentliche Vollzug der Reform verlief erstaunlich reibungslos. Gerstner und seine Ratskollegen wurden vom damaligen Landrat Rudolf Faltermeier zu einer kleinen Feierstunde in die neue Kreisstadt geladen. Sie erhielten Dankesworte samt Imbiss, Fotos und Urkunden. Danach wurden sie aus ihren Verpflichtungen entlassen. Auch die Bevölkerung freundete sich rasch mit den neuen Gegebenheiten an. Zwar mag mancher noch am Biertisch geschimpft haben, und auch der Gang zur Gemeindeverwaltung in Riedenburg war nun etwas förmlicher, doch man war nicht nachtragend.

„Freilich hätte es noch ein bisschen weiter so laufen können, aber dann war eben Schluss. Es war schon ein bisschen ein trauriges Gefühl, die Planungen für die kleine Gemeinde abzugeben, aber die Zeit war reif dafür. Die Aufgaben der heutigen Zeit wären mit den damaligen Strukturen gar nicht mehr erfüllbar“, ist die versöhnliche und persönliche Bilanz von Hans Gerstner.