"Das wird der emotionale Höhepunkt"

03.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:56 Uhr
Clemens Prokop bei einer Ehrung des Deutschen Leichtathletikverbandes im November 2017. −Foto: Foto: dpa

Der Saaler Clemens Prokop ist Organisationschef der Leichtathletik-EM in Berlin. Der frühere DLSV-Präsident freut sich auf spannende Titelkämpfe - und eine Abschiedsparty für Robert Harting.

Herr Prokop, jetzt sind es nur noch wenige Tage bis zum Start der Leichtathletik-EM in Berlin am Dienstag. Steigt Ihr Puls schon?

Clemens Prokop: Natürlich. Das ist eine Veranstaltung von so einer Dimension, dass natürlich schon der Puls steigt. Allein schon mit der Sorge: Klappt alles, so wie wir es geplant haben? Auf der anderen Seite laufen die Vorbereitungen aber so nach Plan, dass eigentlich vermutlich keine echte Sorge begründet ist.

Gab es in den vergangenen Monaten eine Sekunde, an der Sie nicht an die EM gedacht haben?

Prokop: In den letzten Monaten habe ich mich fast durchgängig mit der Europameisterschaft beschäftigt. Das ist eine Veranstaltung, die so vielfältige Berührungspunkte mit allen möglichen Dingen hat, von Sicherheitsfragen bis hin zu logistischen Dingen, vom Sportlichen bis hin zu PR-Fragen, dass man den Kopf kaum mal eine Sekunde für ganz andere Dinge frei hat.

Sie sind so etwas wie der Vater dieser EM, aber seit Ende des vergangenen Jahres nicht mehr Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Wären Sie in der nächsten Woche gerne noch einmal in dieser Funktion?

Prokop: (lacht) Als OK-Chef beruht ja die Verantwortung für die Veranstaltung entscheidend auf meinen Schultern. Ich bin froh, dass ich nebenbei nicht auch noch das Tagesgeschäft des DLV verantworten muss. Ich glaube, es wäre zeitlich wirklich kaum möglich gewesen.

Was war die größte Herausforderung bei der Organisation?

Prokop: Eine sehr große Herausforderung war die sogenannte Europameile auf dem Breitscheidplatz. Denn wir machen die Veranstaltungen ja nicht nur im Olympiastadion, sondern gehen auch ins Zentrum von Berlin. Auf dem Breitscheidplatz sollen einige Veranstaltungen stattfinden, die Straßenwettbewerbe, die Siegerehrungen, aber auch das Thema Europa soll hier präsentiert werden. Das sind aber Herausforderungen, weil dieses Gelände mitten in der Stadt liegt.

Ist es richtig, die Sieger an dem Ort zu feiern, wo der größte Terroranschlag der jüngeren Vergangenheit in Deutschland stattfand?

Prokop: Man muss natürlich mit so einem Ort mit großer Sensibilität umgehen. Wir wollen spannende Wettkämpfe präsentieren, Leichtathletik in seiner schönsten Form, aber auch eine politische Botschaft damit verbinden: für Europa, für gemeinsame Werte. Und ich glaube, gerade der Ort eines solchen fürchterlichen Anschlages ist auch der Ort, wo man für seine Werte einstehen und diese auch symbolhaft präsentieren muss.

Wie kamen Sie auf die Idee, einen Teil der Wettkämpfe auszulagern?

Prokop: Wir wollen damit zeigen, dass die Leichtathletik nicht begrenzt ist auf Wettkampfstätten in abgeschlossenen Stadien, sondern dass sie eine Sportart ist, die sozusagen zur Bevölkerung kommt, die Städte erobern kann. Wir wollen die Verbindung der Sportart in die Zentren der Städte demonstrieren.

Der Schwerpunkt der Europameisterschaft liegt aber im Olympiastadion.

Prokop: Das Berliner Olympiastadion ist ein fantastisches Stadion, das steht ja in weiten Teilen unter Denkmalschutz, das hat die berühmte blaue Bahn, auf der bei der Weltmeisterschaft 2009 legendäre Leistungen erbracht worden sind. Das heißt, das Stadion atmet den Geist einer großen Leichtathletiktradition. Das ist das Stadion, wo Jesse Owens seine Triumphe gefeiert hat und so weiter. Wir wollen die Leichtathletik dort aber modern präsentieren, insofern wird das Programm im Olympiastadion für die Zuschauer ein Höchstmaß an Spannung und Emotionen hervorrufen.

Sind sie zufrieden mit dem Verkauf der Tickets?

Prokop: Momentan sind ungefähr 270000 Tickets verkauft. Einige Tickets wollen wir natürlich schon noch verkaufen, aber der Ticketverkauf ist so erfolgreich wie bei keiner der vorangegangen Europameisterschaften. Wir hoffen aber natürlich, durch das schöne Wetter noch viele Kurzentschlossene dazu zu bewegen, ins Stadion zu kommen.

2009 gab es in Berlin schon einmal ein Leichathletik-Sommermärchen. Ist der Druck groß, wieder so erfolgreich zu sein?

Prokop: Der Erfolg der WM 2009 ist natürlich eine Herausforderung, an der wir uns messen lassen wollen. Wir wollen aber auch die Ideen, die wir 2009 präsentiert haben, weiterentwickeln. Und ich bin sehr optimistisch, dass uns das auch gelingen wird. Die Wetterprognose ist ja momentan sehr günstig, es verspricht trockenes, warmes Wetter zu werden, also bestes Leichtathletik-Wetter. Insofern liegen alle Rahmenbedingungen für ein Sommermärchen vor.

Auf welche Disziplin freuen Sie sich persönlich am meisten?

Prokop: Ich will zwei herausheben: Einmal das Speerwerfen der Männer, das wird ein unglaublich spannender Wettkampf, weil wir mit Johannes Vetter, Thomas Röhler und Andreas Hofmann drei deutsche Werfer haben, die in der Welt führend sie. Und der emotionale Höhepunkt, gerade für das Berliner Publikum, wird sicherlich das Diskuswerfen der Männer sein, zum einen das spannende Duell der beiden Harting-Brüder, auf der anderen Seite der angekündigte letzte große Wettkampf von Robert Harting.

Die EM ist Teil der European Championships. Was halten Sie von dieser Idee?

Prokop: Es ist zunächst mal ein Versuch, ein spannendes Unterfangen, mehrere Sommersportarten fernsehmäßig zu koppeln. Wir orientieren uns am Wintersport, wobei der Unterschied ist, dass bei uns mehrere Europameisterschaften kombiniert werden. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Zuschauer ein großes Erlebnis ist, weil man kontinuierlich über den Tag von einer Europameisterschaft zur anderen geleitet wird. Aber am Ende muss evaluiert werden, ob die Erwartungen erfüllt worden sind oder nicht.

Laufen Sie Gefahr, dass sich die Sportarten gegenseitig TV-Zeiten wegnehmen?

Prokop: Nein, das ist genau geregelt. Die Leichtathletik hat mit Abstand den größten Kuchen und die interessantesten Fernsehzeiten. Auch die Wettkampfprogramme sind so aufeinander abgestimmt, dass wir uns in den verschiedenen Sportarten ergänzen, aber nicht kannibalisieren.

Was machen Sie nach der EM?

Prokop: Erstmal Urlaub. Gerade die bevorstehende Woche ist sehr durchgetaktet, von frühmorgens bis spätabends. Da brauche ich einfach mal ein paar Tage, um mich von dem Ganzen zu erholen.

Das Interview führte Julia Pickl.

ZUR PERSON:
Clemens Prokop aus Saal im Landkreis Kelheim wurde 1975 deutscher Jugend-Hallenmeister im Weitsprung. Der 61 Jahre alte Jurist war 17 Jahre Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und profilierte sich in seiner Amtszeit als Anti-Doping-Kämpfer.