Ingolstadt
"Das war nicht das Optimum"

Nach der Konzertabsage möchte Paefgen nun auf Helmschrott zugehen

27.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:14 Uhr
Franz Josef Paefgen. −Foto: Kastl

Ingolstadt (DK) Es sind nur wenige Worte, mit denen Franz-Josef Paefgen die Absage der Uraufführung von Robert Maximilian Helmschrotts Werk "Salamu" an diesem Sonntag im Ingolstädter Liebfrauenmünster begründete.

"Mit dem Erscheinen des Interviews wurde öffentlich bekannt, dass in der geplanten Aufführung an einigen Stellen beleidigende und verletzende Passagen vorgesehen sind, über deren Inhalt man zwar streiten kann, die aber in der Form geschmacklos sind. Ich habe dem Bitten der Münsterpfarrei als Hausherrn daher entsprochen und die Aufführung abgesagt", schrieb der Vorsitzend des Vereins Freunde der Musik am Münster am Freitag.

Für Helmschrott ist die Antwort unbefriedigend. Man habe mit ihm nicht gesprochen, sagte er. Auf die Verlesung des Gedichts von Friedrich Ani, in dem die CSU und Seehofer für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert werden, hätte er verzichtet. Was die Musik betrifft, könne die niemals einen beleidigenden Charakter haben. Er habe schließlich keine Worte vertont. In einem offenen Brief an den Münsterpfarrer Bernhard Oswald und Franz-Josef Paefgen schrieb er gestern: "Für das Desaster sind nur Sie allein verantwortlich, und ich darf auch noch explizit darauf hinweisen, dass Sie die Zuhörer und Interessenten an diesem Eröffnungskonzert bevormundet haben. Sie haben verhindert, dass interessierte Zuhörer sich eine eigene Meinung bei der Begegnung mit einem Auftragswerk der Ingolstädter Orgeltage machen konnten. "

"Es geht mir auch nicht mehr um die Aufführung eines Werkes", sagte der 79-jährige Komponist gegenüber unserer Zeitung. "Es geht um die politischen Gründe. Ich kenne keine Orgelreihe in Deutschland, bei der jemals aus politischen Gründen die Aufführung eines Werkes abgesagt wurde. " Niemals hätte er zudem eine politische Demonstration im Ingolstädter Münster geplant.

Unglücklich über den Verlauf der Ereignisse ist inzwischen Franz-Josef Paefgen. "Es ist bedauerlich, dass es so gekommen ist", betonte er gegenüber unserer Zeitung. Niemals hätte er die Musik von Robert Maximilian Helmschrott kritisieren wollen. "Ich habe nichts gegen ihn persönlich. Wir haben schöne Projekte gemacht, und ich denke, wir werden auch in Zukunft wieder Projekte angehen. " Dabei erwähnte Paefgen die Uraufführung des Oratoriums "Lumen" von Helmschrott im September vergangenen Jahres, eine Produktion, die der Komponist selber mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt hat. Wie überhaupt der ehemalige Rektor der Münchner Musikhochschule etliche Initiativen mit großen Geldsummen in Ingolstadt gefördert hat, etwa die neue Bachorgel im Münster.

Paefgen wies auch darauf hin, dass schon aus organisatorischen Gründen die Konzertabsage, nicht widerrufen werden könne. Er könne sich aber vorstellen, dass das Konzert zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird, "unter anderen Bedingungen". Die Schuld für das Zerwürfnis sieht er bei Helmschrott: "Niemand hat uns darüber informiert, das Herr Helmschrott ein solches Interview dem DONAUKURIER gibt. Hätte man vorher darüber geredet, dann hätte vieles vermieden werden können. " Auf die Frage, warum er nicht vor der Konzertabsage mit Helmschrott Kontakt aufgenommen habe, weist er auf Terminschwierigkeiten hin. Er steckte in den Vorbereitungen einer Vorstandssitzung. "Ich bedauere, dass Kunst und auch kritische Kunst nicht aufgeführt wird. Was jetzt daraus wird, müssen wir gemeinsam sehen. Vielleicht war meine Entscheidung nicht das Optimum", gibt er zu verstehen.

Inzwischen hat die Konzertabsage in der Stadt einigen Wirbel verursacht. Agnes Krumwiede, Vorsitzende des Bezirksverbandes Oberbayern von Bündnis 90 / Die Grünen, schrieb in einer Stellungnahme: "Es entsteht der Eindruck, dass hier lieber die Kunstfreiheit beschnitten und dem Publikum ein Konzerthighlight verwehrt wird, als ein Podium zu bieten für Kritik an der CSU". Und: "Wenn Künstlerinnen und Künstler sich politisch äußern wollen, müssen sie das dürfen - im Namen der Kunst- und der Meinungsfreiheit. Ihnen dies zu verwehren, bedeutet nichts anderes als Zensur."

Enttäuscht ist auch Christian Lange von der Bürgergemeinschaft Ingolstadt (BG). Der Stadtrat äußerte in einem offen Brief an Paefgen und Oswald, dass er die Konzertabsage für falsch halte. "Der Verein der Freunde der Musik am Ingolstädter Münster e. V. als Veranstalter ist sicherlich nicht nur für ,unpolitische Musikveranstaltungen' gegründet worden. Wenn Politiker damit beginnen, Menschlichkeit und Menschenwürde infrage zu stellen oder zumindest zu relativieren, dann sollte auch der Verein den Mut haben, diese berechtigte Kritik an einigen Äußerungen von Politikern der CSU-Spitze in einem Konzert zuzulassen. " Die Rolle der Kirche definiert Lange dabei durchaus auch als politisch. "Die Kirche darf (und aus meiner Sicht: muss! ) sehr wohl ein Raum für politische Äußerungen sein, wenn es um den Widerstand gegen unmenschliche und die Menschenwürde missachtende Politik geht. Die Rede und das Wort sind die Mittel der Politik, deswegen sollten auch die Kirchen die Worte und die Reden der Politiker kritisch begleiten. " Münsterpfarrer Bernhard Oswald war für eine Stellungnahme am Freitag bis zum Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Jesko Schulze-Reimpell