Das Volk stemmt sich argwöhnisch gegen alles nicht Erprobte

11.04.2007 | Stand 03.12.2020, 6:51 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Felix Friedrich von Lipowsky war ein ehrgeiziger Mann. Seine "Darstellung des sozialen und wirtschaftlichen Volkslebens des königlichen bayeri schen Landgerichtsbezirkes Moosburg" wurde 1857 preisgekrönt. Als späterer Regierungspräsident von Niederbayern leitete Lipowsky zeitweise die Fahndung gegen die berüchtigten Räubergesellen Gump und Gänswürger vom Donaumoos.

Die niedere Stufe der geistigen Bildung, auf welcher das Volk zum Teil noch steht, veranlasst den Irrtum, es für einfältig und dumm , bäuerischer Sitte ledig, der Aufklärung und des Fortschrittes unfähig zu halten. Nichts ist grundloser als dieser Wahn. ... Unter der rauhen Außenseite schlägt ein gutes, unverdorbenes Herz, ein weiches Gemüt ruht selbst in rohen Naturen. Schwerfällig im Gange und Benehmen, unbeholfen in der Ausdrucksweise, stemmt sich das Volk argwöhnisch gegen alles nicht Erprobte an und verlangt bei aller Treuherzigkeit von vorneherein greifbare Beweise für alles, was neu ist. Unser Landvolk hat daher eine echte Bauernnatur, wenn auch nicht von altem Schrot und Korn und etwas verflacht an alter Sitte. Die Bauern sind weder die halsstarrigen noch unbeugsamen Leute, wofür man sie gewöhnlich hält. Und wenn sie sehen, dass man es gut mit ihnen meint, so geht nichts über ihre Aufrichtigkeit, mit der sie es hinwieder gut meinen.

An anderer Stelle rühmt Lipowsky die Arbeitskraft der Holledauer. Von der Geringschätzung eines Joseph Hazzi ist bei ihm nichts zu spüren::

Der Körper ist in der Regel untersetzt, grobknochig und breitschultrig. Schwielen an den Händen und der Schweiß im Angesichte, mit welchem sich das Volk sein Brot verdient, sind die besonderen Kennzeichen seines Signalelementes. In der Tat ist die bewunderungswürdige Arbeitskraft des Volkes, seine Ausdauer und unermüdliche Geduld im Schaffen, seine poetische Seite, welche den Delikatesten, wenn er an dessen Derbheit Anstand nehmen wollte, versöhnen und ihm Achtung abzwingt.

Weniger erbaut war Lipowsky von der Holledauer Tanzkultur. Seine Ausführungen sind von hohem kulturgeschichtlichem Wert:

Die Tanzmusiken waren noch vor 25 Jahren höchst einfach. Der Bockpfeifer oder der Geiger bildeten das ganze Orchester, Letzterer ging auf der Geige spielend umadum, d.h. im Kreise unter den Tanzenden herum und geigte zwiefach, dass die Geige surrte. Wenn drei oder vier Musikanten aufspielten, dann war schon Kirchweih oder Hochzeit. Heutigen tags legt man in das Geschmetter von fünf bis sieben Musikanten größeren Wert, ohne die erhöhte Ausgabe zu scheuen. Der Tanz des Volkes ist plump. Außer dem bayerischen Ländler und Dreher galoppiert und poltert die heutige Welt mit dem Stiefelabsatze, dass man ein Schwadron im Anzuge glaubt. Versehen mit guten Lungen vermögen die Burschen während des Tanzes zu juxen und zu pfeifen, dass einem die Ohren sausen. Der Eindruck, welchen der Zuschauer vom Tanzplatze mit sich nimmt, ist nicht der angenehmste.

Mit der Gesundheitspflege war es im 18.Jahrhundert im Pfaffenhofener Land ganz schlecht bestellt. Fähige Ärzte gab es kaum- dafür um so mehr Kurpfuscher und angebliche Wunderheiler, bei denen sich abergläubische Menschen Heilung erhofften. Dies beklagt zu recht Joseph Hazzi; dies beklagt auch von Lipowsky: Auf einen gut gemeinten Rat an einen schwerkranken Landmann, er möge doch einen Arzt beiziehen, erwiderte er: "Ach, ich kann ohne Doktor auch sterben." Seine Antwort spricht die Todesverachtung aus, welche unseren Leuten innewohnt. Sie leben nicht so gerne, um sich aus dem Sterben viel zu machen. Halten sie aber ja etwas auf sich, so vertrauen sie sich öfter Pfuschern als den Ärzten an. Insbesondere sind jene Künstler beliebt, welche durch "Abbeten" und Geheimmittel Kuren verrichten.

?Fortsetzung folgt