Röckenhofen
"Das verfolgt einen bis in den Schlaf"

Angst vor Erschließungskosten: Ehepaar Mederer aus Röckenhofen wehrt sich gegen geplantes Baugebiet

19.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:29 Uhr

Ihr großes Grundstück am Dorfrand von Röckenhofen (links, blau eingefasst) will Frieda Mederer als Ganzes behalten. Warum das nicht gehen soll, leuchtet ihr nicht ein. Immerhin sind im Vergleich zur ursprünglichen Fassung (rechts) bereits drei Parzellen ausgenommen – wegen eines Silos, das dort zumindest in den nächsten paar Jahren noch steht. Erst wenn der obere Teil des Baugebiets bebaut ist, wird die zweite Hälfte realisiert, der Wendehammer zu einer Ringstraße erweitert. Grafiken: Stadt Greding

Röckenhofen/Greding (HK) Frieda Mederer aus Röckenhofen will nur zwei Dinge: ihre Ruhe und ihre geliebte Wiese behalten. Für beide Wünsche aber sieht es gerade schlecht aus. Denn auch auf ihrem Grundstück am Dorfrand von Röcken-hofen soll nach den Plänen der Stadt ein Bauplatz entstehen.

Frieda Mederer versteht die Welt nicht mehr. Ohne ihr Einverständnis, ja gegen ihren erklärten Willen will die Stadt Greding einen Bauplatz ausweisen. Auf ihrem Grund und Boden. „Wir sind nicht einmal gefragt worden“, sagt die 76-Jährige. Ende 2011 seien sie und ihr Mann Jakob Mederer (86) zwar informiert worden, dass am Dorfrand von Röckenhofen aus dem Flächennutzungsplan heraus ein Baugebiet entwickelt werden solle, „aber keiner hat gesagt, dass unser Grundstück mit reingenommen wird“. Wenige Tage später sei dann ihr Grundstück vermessen worden. „Da fragt man doch vorher einmal, oder“

Das Problem, das die betagten Eheleute mit dem Baugebiet haben, sind die Erschließungskosten: 3670 Quadratmeter ist ihr Grundstück groß, auf dem nicht nur eine Streuobstwiese gedeiht, sondern auch noch ein wenig Ackerbau betrieben wird. Über 814 Quadratmeter davon wurde nun der Bebauungsplan gelegt – eine Parzelle, die Mederers weder brauchen noch wollen. Für die sie jedoch Erschließungskosten bezahlen müssten. 30 000 Euro würden diese alleine für den Bauplatz betragen, schätzt Frieda Mederer. Hinzu käme noch ein Anteil für die Straße. „50 000 Euro langen da nicht.“ Das Geld könne und wolle das Paar nicht bezahlen.

Frieda Mederer wurde aktiv, fragte ihren Cousin Franz Ottner um Rat, der in München als Baurechtler beim Landratsamt arbeitet – und sogar Stadtbaumeister schult. „Es spricht nichts dafür, dass man das Grundstück einbezieht“, sagt Ottner. Die Kommune habe zwar die Planungshoheit, „aber wenn jemand partout nicht will, dann müsste man das berücksichtigen“.

Dieser Ansicht widerspricht Bürgermeister Manfred Preischl. Das neue Baugebiet würde über den Weg erschlossen, der an dem Grundstück der Mederers vorbeiführt. „Sobald erschlossen ist, kann bebaut werden.“ Und dann sei die Kommune verpflichtet, Erschließungsbeiträge zu erheben. Dafür, das Grundstück aus der Planung herauszunehmen, „gibt es keine Begründung“.

Die Planunterlagen sind – wie gesetzlich vorgeschrieben – öffentlich ausgelegt gewesen, jedes Mal legten Mederers Widerspruch ein. Bislang ohne Erfolg. Insgesamt acht Briefe seien an die Stadt gegangen, erzählt Frieda Mederer, drei davon von einer Anwältin – doch eine Antwort sei ausgeblieben. „So geht man doch mit alten Leuten nicht um“, sagt sie im Flüsterton und schüttelt den Kopf. „So etwas würde sich bei mir keine Gemeinde trauen“, pflichtet ihr Ottner bei. Die allgemeine Geschäftsordnung für Behörden in Bayern gelte schließlich auch in Greding. „Wo sind wir denn? In Afrika“, regt sich Ottner auf.

In insgesamt vier Gesprächen habe man sich mit dem Ehepaar auseinandergesetzt, hält Preischl dagegen. Ob es tatsächlich keinen Antwortbrief gegeben habe, könne er aus dem Stegreif nicht sagen, da sich das Bauamt um derlei Dinge kümmere. Aber: „Wir haben immer den persönlichen Kontakt gesucht.“ Das sei vor allem in Bürgersprechstunden geschehen, die sie aus eigenem Antrieb aufgesucht habe, so Frieda Mederer.

Die Atmosphäre zwischen beiden Seiten scheint nicht die beste zu sein. Vor allem, seitdem München eingeschaltet worden ist: Anton Simon, der Bruder von Frieda Mederer, wusste sich nicht anders zu helfen und wandte sich mit dem Problem an das bayerische Innenministerium. Das wiederum schaltete das Landratsamt ein und zuletzt erhielten Mederers einen Anruf von der Stadt: Ein Gesprächstermin wurde anberaumt. Die 76-Jährige erinnert sich mit Grauen an die frostige Atmosphäre: „Der Bürgermeister war sauer. Richtig sauer.“

Er könne verstehen, dass jemand nach Mitteln und Wegen sucht, seine Interessen durchzusetzen, sagt Preischl. Doch das Ministerium einzuschalten, wenn man ohnehin in Gesprächen stehe – „so kann es nicht sein“. Die Kommune habe die Planungshoheit und einen „gesamtheitlichen Bebauungsplan“ aufgestellt. Das Mederer-Grundstück sei wegen seiner Lage zwangsläufig betroffen, also müsse man eben nach Möglichkeiten suchen, wenn es um die Erschließungsbeiträge gehe. Er habe angeboten, dass die Stadt die Parzelle kauft. Das will Frieda Mederer auf keinen Fall. „Das ist mein Erbe“, sagt sie. Schon als Kind habe sie auf dieser Wiese gespielt, sie verbinde viele Erinnerungen mit diesem unbebauten Stück Land.

Einen Kompromissvorschlag bringt Franz Ottner ins Spiel, „einen Gnadenakt“, wie er sagt: Solange das Grundstück landwirtschaftlich genutzt ist, wird die Zahlung der Erschließung gestundet – ein durchaus übliches Verfahren. „Aber das wäre latent ein Damoklesschwert“, gibt Ottner gleichzeitig zu bedenken. Denn Mederers wären verpflichtet, die fortdauernde landwirtschaftliche Nutzung nachzuweisen. Kein leichtes Unterfangen für die alten Leute. „Über eine Stundung kann man reden“, sagt der Bürgermeister.

Ottner schwebt jedoch die größere Lösung vor: Das Mederer-Grundstück bleibt bei der Planung außen vor. Erst einmal müssten die anderen Parzellen bebaut werden, das dauere voraussichtlich Jahre. Irgendwann trete der Erbfall ein, dann könne man die Baulücke planungsrechtlich schließen.

Sollte das nicht geschehen, will Frieda Mederer vor das Verwaltungsgericht ziehen. „Eine andere Möglichkeit habe ich nicht“, sagt sie. Lieber wäre es ihr anders: „Es muss doch einmal Schluss sein mit dem ganzen Ärger“, sagt sie mit Tränen in den Augen. „Das verfolgt einen bis in den Schlaf.“