"Das tut für den Moment natürlich weh"

08.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:32 Uhr

Bleibt optimistisch: Audi-Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter - hier auf dem Genfer Autosalon. - Foto: Oppenheimer

Audis Verkaufszahlen in China sind im Januar massiv eingebrochen. Die Händler sind sauer auf die Deutschen. Vertriebschef Dietmar Voggenreiter erklärt, wie es so weit kommen konnte.

Herr Voggenreiter, im Moment hat Audi großen Ärger mit den chinesischen Händlern. Die Folge war im Januar dort ein Absatzeinbruch um 35 Prozent. Wie konnte das passieren?

Dietmar Voggenreiter: Wir befinden uns in China aktuell in einer Phase der Neuausrichtung. Der chinesische Markt bietet weiter großes Wachstumspotenzial. Um dieses Potenzial langfristig zu heben, wollen wir unser Geschäft im Markt noch breiter aufstellen. Das heißt auch, die Zusammenarbeit mit einem zweiten Joint-Venture-Partner auszuloten. Auch Volkswagen ist seit vielen Jahren erfolgreich mit einer Zwei-Partner-Strategie im Markt unterwegs.

 

Und mit dieser Idee der Neuausrichtung in China haben Sie Ihren bisherigen Partner offenbar verärgert.

Voggenreiter: Fest steht, dass FAW unser starker erster Partner bleibt. Gemeinsam haben wir vor wenigen Wochen einen Zehn-Jahres-Plan vereinbart, der unseren künftigen Wachstumspfad beschreibt. Dazu haben wir über wichtige Zukunftsthemen entschieden. So werden wir gemeinsam innerhalb von fünf Jahren fünf lokal produzierte E-Autos in den Markt bringen. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass es wichtig und richtig ist, eine Zwei-Partner-Strategie zu verfolgen - auch um unser Geschäft weiter auszubalancieren. Es ist nachvollziehbar, dass das zuerst auch zu Unsicherheit und Fragen bei unseren chinesischen Händlern geführt hat. Hier gilt es nun, mit allen Partnern intensiv zu sprechen und eine gemeinsame Roadmap zu definieren. So ein Prozess nimmt natürlich Zeit in Anspruch. Wir nehmen die temporäre Absatzschwäche aber bewusst in Kauf, um uns langfristig fit für die Zukunft zu machen. Ich gehe davon aus, dass wir nach dem ersten Quartal wieder eine deutliche Stabilisierung erleben werden.

 

Glauben Sie wirklich, dass es so schnell geht? Verhandlungen mit Chinesen sind ja bekanntermaßen nicht ganz einfach.

Voggenreiter: Ich war neun Jahre für das Geschäft in China verantwortlich und bin sehr vertraut mit den Gegebenheiten im Markt. Gerade in einer solchen Phase ist die persönliche Ebene in den Gesprächen natürlich extrem wichtig. Insgesamt ist Audi seit fast dreißig Jahren in China aktiv. Wir konnten über viele Jahre verlässliche Beziehungen zu unseren Partnern aufbauen und haben gemeinsam schon viel erlebt.

 

Ist es nicht so, dass man mit dem alten Partner unzufrieden ist, wenn man einen neuen sucht?

Voggenreiter: Nein. Wir arbeiten sehr erfolgreich mit FAW zusammen und haben mit dem Zehn-Jahres-Plan gemeinsam beschlossen, unsere Partnerschaft zu vertiefen und auszubauen.

 

Angeblich fordern die chinesischen Händler umgerechnet rund vier Milliarden Euro von Audi - als eine Art Kompensation, weil sie bislang nicht genügend Geld verdient hätten.

Voggenreiter: Wir nehmen die Anliegen unserer Händler sehr ernst und klären derzeit die Hintergründe der formulierten Aussagen. Fakt ist, dass das gesamte Geschäft des chinesischen Audi-Handels in jedem der vergangenen drei Jahre profitabel war. Es ist aber richtig, dass im internationalen Vergleich die Margen des chinesischen Automobilhandels aktuell unter Druck sind.

 

BMW hatte vor einigen Jahren auch einmal einen Streit mit seinem Joint-Venture-Partner in China - und zahlte am Ende angeblich 700 Millionen Euro für die Beilegung.

Voggenreiter: Aktuell ist es wichtiger denn je, dass wir in engem Austausch mit unseren Partnern im Markt stehen und über unser künftiges Geschäftsmodell sprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir so zu nachhaltigen Entscheidungen kommen und wichtige Weichen für die Zukunft stellen werden.

 

Sie werden die geforderte Summe also nicht bezahlen?

Voggenreiter: Das steht bei uns aktuell nicht zur Debatte.

 

Nun versuchen die Händler quasi Audi zu erpressen, indem sie weniger Autos verkaufen. Das klingt allerdings etwas seltsam - denn so verdienen die Händler ja auch weniger Geld.

Voggenreiter: Auch im Handel ist ein Druck spürbar. Das reduzierte Volumenniveau kann der Händler aber zu einem Teil über Preisanpassungen ausgleichen.

 

Nur gehen viele Kunden eben leider zur Konkurrenz. Haben Sie nicht Angst, dauerhaft Käufer zu verlieren?

Voggenreiter: Das tut für den Moment natürlich weh, aber wir müssen es akzeptieren. In ein paar Jahren werden wir froh sein um die Weichenstellungen, die wir heute treffen.

 

Haben Sie damit gerechnet, dass es so schlimm kommt?

Voggenreiter: Uns war durchaus bewusst, dass eine Neuausrichtung zuerst auch Unruhe hervorrufen wird. Ein Absatzrückgang in dieser Höhe ist aber in keinem Markt business as usual.

 

Wie ist denn der aktuelle Stand der Verhandlungen mit SAIC?

Voggenreiter: Im ersten Schritt haben wir eine Zukunfts-Roadmap mit unserem ersten Partner FAW vereinbart. Jetzt gilt es, Synergien mit SAIC, dem potenziellen zweiten Partner, zu sondieren. Bis Ende März haben wir die Gespräche mit SAIC zu konkreten Fragen hinsichtlich Händlernetz und Vertriebskanälen ausgesetzt. Aber der Austausch darüber, wie ein gemeinsames Geschäft aussehen könnte, läuft weiter.

 

Wann kann dann die Kooperation starten?

Voggenreiter: So etwas passiert nicht von heute auf morgen. Wir sprechen hier eher über Jahre als über Monate.

 

Glauben Sie, dass Sie die Verkaufseinbußen heuer noch aufholen können?

Voggenreiter: Die Nachfrage im Markt ist definitiv da. Wir rechnen damit, dass das zweite Halbjahr für Audi in China stärker verlaufen wird als das erste.

 

Wie sehen die China-Zahlen für den Februar aus?

Voggenreiter: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir die Februarzahlen erst in der kommenden Woche veröffentlichen werden. Lassen Sie mich aber so viel sagen, dass sich die extreme Entwicklung aus dem Januar nicht wiederholen wird.