Eitensheim
Das süße Gold hat seinen Glanz verloren

Seit der Öffnung des Zuckermarkts lässt sich mit dem Zuckerrübenanbau kaum noch Geld verdienen

11.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:05 Uhr
Jetzt rollen wieder die Rübentransporter: Am Mittwoch beginnt die Kampagne im Werk Rain mit der Verarbeitung der Bio-Rüben. −Foto: Kügel (Archiv)

Eitensheim/Theißing/Großmehring - Fast fünf Jahrzehnte garantierte die EU den Rübenanbauern gute Preise.

Als süßes Gold wurden die Zuckerrüben deshalb gern bezeichnet. Seit am 30. September 2017 die Europäische Zuckermarktordnung ausgelaufen ist, müssen Zuckerindustrie und Landwirte zu Weltmarktpreisen liefern und gleichzeitig hiesige Standards einhalten. Immer mehr deutsche Landwirte geben deshalb den Rübenanbau auf. Unsere Region gehört zu den so genannten Gunstlagen, in der die Erträge weit über dem Durchschnitt von 60 Tonnen pro Hektar liegen. Trotzdem ziehen auch hier Bauern nach langer Anbautradition den Schlussstrich.

Zu ihnen gehört Martin Härdl aus Theißing. "Im Februar 2018 habe ich den Zuckerrübensamen für 2019 bestellt und jetzt, im September 2020, habe ich mein Geld für die Ernte 2019 noch nicht ganz, das muss man sich mal vorstellen", schimpft der Landwirt nach einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Zuckerfabrik Rain am Lech. Gerade hat angemahnt, dass er noch auf 15000 Euro wartet. Dabei geht es um die so genannte Rohstoffsicherungsprämie, die rund ein Viertel des Rübenpreises von rund 30 Euro ausmachte.

Dass er jetzt sein Kontingent verleast hat und auf 20 Hektar statt Rüben mehr Raps und Mais anbaut, hat aber nicht nur mit den Vertragsbedingungen zu tun, sondern allgemein wirtschaftliche Gründe. Für die Ernte 2019 hat die Südzucker AG im Mai einen "durchschnittlichen Kontraktrübenpreis" von 22,28 Euro pro Tonne errechnet. "Das macht für eine Lkw-Ladung rund 500 Euro aus, das ist weniger als der Sprit im Lkw-Tank kostet", rechnet Härdl vor. Um unter diesen Bedingungen Geld zu verdienen, müsste er 90 Tonnen pro Hektar ernten. "Aber was ist, wenn es nicht genug regnet? " Wegen der zunehmenden Trockenheit, würden Rüben gezüchtet, die immer tiefer wurzeln. Das führt nach Härdls Erfahrung dazu, dass die Folgefrucht, zum Beispiel Weizen, um bis zu 20 Prozent weniger Ertrag liefert. "Die Rübe macht den Boden leer", sagt der Landwirt plakativ. "Mein Rohstoff ist aber mein Boden! "

Dabei will der 54-Jährige nicht verhehlen, dass seine Familie mit dem Zuckerrübenanbau gutes Geld verdient hat: "48 Jahre lang war das hervorragend für den Betrieb. " Und wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, dann werde er auch wieder Rüben anbauen. Im Moment sieht es für Härdl nicht danach aus. "Dafür ist das Unternehmen Südzucker nicht innovativ genug", meint er. Offenbar gehe es nur darum, den Betrieb der Fabriken noch ein paar Jahre zu sichern, statt Geld in die Forschung zu stecken. "Die Bauern sind Teil der künftigen Energiestrategie", ist Härdl überzeugt. Aber dafür müsse man der Politik auch Lösungen anbieten.

Seit 1. Juli ist der Hof von Anton Maier ein zertifizierter Biobetrieb. "Mit dem Gedanken, auf Bio umzustellen habe ich mich schon länger beschäftigt", sagt der Höflbauer aus Eitensheim. Nur die Zuckerrüben haben ihn davon abgehalten: "Die Rübe war lange eine sichere Bank - das ändert man nicht so leicht", sagt der Landwirt. Und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: "Das ist wie bei der Autoindustrie. " Aber Konkurrent sei der Rohrzucker: "Und in Brasilien sind die Löhne und die Standards halt ganz anders als bei uns", sagt Maier.

Aktuell sieht die Rechnung für ihn aber so aus: Südzucker verspricht einen durchschnittlichen Hektarerlös von 2000 Euro. Zieht man davon 300 Euro Kosten für die Rodung und 1200 bis 1300 Euro variable Kosten ab, landet man schnell bei 500 Euro pro Hektar, laut Maier also im Weizenbereich. Dazu addieren sich 50 bis 100 Euro zusätzliche Nährstoffkosten für die Folgefrucht. "Denn die Rübe ist ein Räuber", erklärt der Landwirt. Obendrauf kommen Lagerungsverluste, weil die Verarbeitung und damit die Anlieferung bis in den Januar ausgedehnt wurde, um die Fabriken rentabler zu machen. "Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es so einfach nicht weitergeht", sagt der Landwirt. Wesentlich dazu beigetragen hat aber auch bei ihm die Vertragsgestaltung, die Südzucker anbietet. "In dieses Korsett lasse ich mich nicht mehr pressen! " Aus Angst, dass aus dem Lieferrecht eine Lieferverpflichtung werden könnte, hat er zwei Drittel davon verkauft.

Ganz von den Zuckerrüben verabschiedet hat sich Maier aber nicht. Von sieben Hektar wird er heuer erstmals Rüben in Bioqualität ernten. Noch letztes Jahr habe Südzucker händeringend Biorüben gesucht. Für 2021 wurden ihm aber nur mehr sechs Hektar zugestanden. Deshalb wird er künftig über die Regionale Bioland Erzeugergemeinschaft (Rebio) auch Bio-Rüben in die Schweiz verkaufen. Statt 30 Euro pro Tonne wird er dafür 110 Euro bekommen. Obwohl der Ertrag geringer ausfällt und 150 Arbeitsstunden pro Hektar für das Unkrautjäten anfallen, rechnet Maier immer noch mit einem "schönen Deckungsbeitrag von 2500 Euro". Jetzt hofft er, dass der Verbraucher die Regionalität auch schätzt. "Dafür kann er sicher sein, dass für unser Produkt kein Regenwald gerodet wird. "

"Ob sich der Zuckerrübenanbau finanziell lohnt, muss jeder Bauer selbst für sich entscheiden", sagt Simon Obermeyer aus Großmehring. Durch neue Pflanzenschutzauflagen stiegen Kosten, Aufwand und Risiko für die Anbauer in Deutschland. So seien Neonicotinoide in der Saatgutbeize fast nur in Deutschland verboten. Auch Frankreich habe sie zuletzt wegen einer Viruskrankheit wieder zugelassen. Einen Trend zum Ausstieg kann der Vorsitzende der Landwirtschaftlichen Maschinengemeinschaft (LMG) Donautal, die für ihre Mitglieder die Rüben von rund 2000 Hektar erntet und ins Werk Rain transportiert, nicht erkennen. Die Anbaufläche sei zwar in den letzten beiden Jahren um zehn Prozent geschrumpft, aber heuer sei sie relativ stabil geblieben. "Die gemeinsame Agrarpolitik benachteiligt die deutschen Landwirte", davor habe der Verband der Zuckerrübenanbauer, bei dem er im Vorstand sitzt, immer gewarnt. Aber die Politik werde erst hören, wenn es zu spät ist und weiter Zuckerfabriken schließen müssten, gibt sich der Landwirt pessimistisch und betont: "Die Bauern wollen keine Hilfen, sondern faire Rahmenbedingungen".

DK

Sebastian Kügel