Eichstätt
Das Skelett mit dem Rosenkranz

Archäologische Ausgrabung im Umfeld der früheren Collegiata fördert spannende Details zutage

08.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr

Eichstätt (EK) Die beiden Menschen, die im 16. Jahrhundert in der Eichstätter Stadtpfarrkirche Zu Unserer Lieben Frau beerdigt wurden, müssen höhergestellte Persönlichkeiten gewesen sein. Davon zeugen noch heute die Grabbeigaben: Sporen und Rosenkranz.

Im Innenhof des Anwesens Pfahlstraße 16 laufen gerade archäologische Untersuchungen. Der Zahnarzt Stefan Grimm hat das Gebäude von seinem Kollegen Nikolaos Kiriakidis gekauft und will es als Wohnung und als Dentallabor nutzen. Doch zuvor ist eine Generalsanierung nötig. Auch eine Tiefgarage wird eingebaut. Das hat die Archäologen auf den Plan gerufen.

Deren Neugier ist groß, denn hier stand einst die Kirche Zu Unserer Lieben Frau, auch Collegiata genannt, die 1818 abgerissen wurde. Auf diesem Boden gab es mehrere Vorgängerbauten dieses Gotteshauses; auch die Kapelle, in der der heilige Bonifatius der Überlieferung nach den ersten Bischof von Eichstätt, Willibald, zum Priester weihte, dürfte in diesem Areal zu suchen sein.

Tatsächlich stieß der Archäologe Stefan Mühlemeier von der Grabungsfirma Phoinix aus Pöcking auf jede Menge Artefakte. In der obersten Schicht lagen große, mitunter sehr große Steinblöcke – Überreste des Sakralbaus. Erhebliche Teile des Abbruchmaterials kamen seinerzeit nach München, wo sie zum Bau des Leuchtenberg-Palais verwendet wurden. Doch viele besonders behauene Steine waren für diesen Zweck wohl ungeeignet und dienten als Verfüllmaterial. Das Landesamt für Denkmalpflege begutachtet sie mit Interesse. Einige der Blöcke wurden unters schützende Dach gebracht. Sie zeigen Reste einer Farbfassung. „Das waren wohl Versuche der Barockisierung“, vermutet Stefan Mühlemeier. In einem ist er sich sicher: „Die Kirche war rosa.“ Es hat Ende des 18. Jahrhunderts Überlegungen zu einem Umbau gegeben.

Bei den Grabungen stieß Mühlemeier auch auf die beiden Skelette, eines männlichen und eines vermutlich weiblichen. Genaue Untersuchungen der Gebeine stehen zwar noch aus, doch es gibt Indizien: Der eine Tote trug Sporen, was damals nicht jeder durfte. Sein Skelett ist übrigens nicht vollständig, denn der Schädel fehlt. Mühlemeier hat eine makabre Erklärung. Bei den Abbrucharbeiten und den darauf folgenden Neubauten sei man seinerzeit nicht gerade zimperlich mit menschlichen Überresten umgegangen.

Die Hände des anderen Skeletts – dieses mit Kopf – sind von einem Rosenkranz umschlungen. Die Perlen sind sehr fein und zierlich. „Wenn ich heutige Rosenkränze ansehe, wirken die daneben direkt klobig“, drückt der Archäologe seine Bewunderung aus. Diese Tote stellte eine besondere Herausforderung dar. Die Hände mit dem Rosenkranz wurden in einem Stück geborgen, um sie als Gesamtheit untersuchen zu können. Eines kann Mühlemeier jedoch schon sagen: Die Frau hatte eine Wirbelsäulendeformation.

Ein weiteres herausragendes Stück, das zum Vorschein gekommen ist, besteht in dem Fragment einer Grabplatte aus dem 16. Jahrhundert. Es zeigt den unteren Teil von knienden Männern und einen Geißbock als Wappen – das Zeichen der Freiherren von Gebsattel, wie Albert J. Günther, der Konservator von Stadt und Landkreis, auf den ersten Blick erkannte.

Weitere Kalkplatten stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind leicht als Lithographie-Steine zu entziffern. In einem sind gerade Linien eingeritzt. „Vorläufer der heutigen Exel-Tabelle“, zieht Mühlemeier einen Vergleich. Gebraucht wurden die Listen vom Bischöflichen Generalvikariat. Die zweite war eine Druckvorlage für eine Visitenkarte. „Th. von Sicheren – Königlich Bayerischer Staatsanwalt“ ist in geschwungener Spiegelschrift zu lesen.

Inzwischen sind die Phoinix-Leute schon ein Stück unter dem Niveau der Collegiata. Hier stießen sie auf Mauern und einen gut erhaltenen Fußboden von Häusern, die einst der Kirche weichen mussten. Am westlichen Rand der Baugrube ist noch die mächtige Basis des ersten Jochs der Kirche zu erkennen. Insgesamt handele es sich um eine typische Stadtkerngrabung, sagt Mühlemeier. Keramik und Knochen kämen zum Vorschein, ein bisschen Metall und ganz selten mal eine Münze. Auf Ruth Sandner von der Dienststelle Thierhaupten des Landesamtes für Denkmalpflege wartet jetzt eine Menge Arbeit. Die Funde müssen gewaschen, identifiziert und eingeordnet werden. Sie selbst zeigt sich von den bisherigen Ergebnissen beeindruckt.

Offen ist allerdings, was mit der Fülle des Abbruchmaterials der Collegiata geschehen soll. „Die Steine sollten schon erfahrbar gemacht werden und eine öffentliche Verwendung finden“, findet sie, räumt aber ein, dass es schlicht zu viele Blöcke sind.

Auch Stefan Grimm hat schon eine Idee. Einige Exemplare sollen den Innenhof schmücken, der über der Tiefgarage wieder entstehen soll.