Ingolstadt
Das schmutzigste Rennen

Vor 30 Jahren gewann Ben Johnson gedopt das 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele von Seoul

23.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:21 Uhr
Timo Schoch
Nur ein kurzer Triumph: Heute vor 30 Jahren gewann Ben Johnson das 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele von Seoul. Doch seine Goldmedaille und sein Weltrekord wurden ihm wegen Dopings aberkannt. Trotzdem war Johnson nicht der einzige Sprinter des Endlaufs, der in seiner Karriere zu illegalen Mitteln gegriffen hat. −Foto: dpa Seoul (dpa)

Ingolstadt (DK) Als Ben Johnson am 24. September 1988 das 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele in Seoul gewinnt, sprechen alle von einem Jahrhundertlauf. Nur drei Tage später ist der Skandal perfekt. Johnson hatte gedopt gesiegt. Doch er war nicht der einzige Sprinter, der damals mit illegalen Mitteln nachhalf.

"Diesen Weltrekord wird in den nächsten 50 Jahren keiner brechen", tönte Ben Johnson nach seinem Sieg im 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele in Seoul. Gerade hatte er die gesamte Weltelite, inklusive seines größten Rivalen, Carl Lewis, deklassiert. In 9,79 Sekunden gelang ihm dazu ein neuer Weltrekord.

Doch die Aussage Johnsons sollte nicht sein einziger Irrtum bleiben. Denn kurze Zeit später antwortete der Kanadier auf die Frage eines Journalisten, was ihm denn wichtiger sei, der Weltrekord oder die Goldmedaille: "Die Goldmedaille. Sie ist etwas, das dir niemand wegnehmen kann", sagte Johnson. Auch da lag er daneben.

Denn nur drei Tage nach dem Jahrhundert-Finale wurde Johnson des Dopings überführt. In seinem Blut wurde das verbotene Mittel Stanozolol entdeckt. Die Goldmedaille war weg, ebenso taucht sein Weltrekord in keinen Geschichtsbüchern mehr auf. Sowieso hätte sein Rekordlauf keine 50 Jahre gehalten. Denn bereits 14 Jahre später unterbot Tim Montgomery (USA) - später auch des Dopings überführt - bei der Weltmeisterschaft in Paris Johnsons Zeit. Inzwischen steht der Weltrekord bei 9,58 Sekunden. Gelaufen hat ihn der Jamaikaner Usain Bolt, Olympiasieger von Peking, London und Rio de Janeiro, Weltmeister von Berlin, Daegu, Moskau und Peking.

Allerdings haften den Sprintern seit dem Finale von 1988 immer Verdächtigungen des Dopings an. Der Grund dafür ist Ben Johnson. Zwar wurden einige Athleten überführt, doch wohl kein Rennen über 100 Meter war so dopingverseucht wie das Finale von Seoul. Während Johnson direkt nach dem Finale positiv getestet wurde, gingen später noch einige Sprintstars von 1988 ins Netz der Dopingfahnder. Von den acht Sprintern des Endlaufs sind lediglich zwei frei von Dopinggerüchten.

Glück hatte vor allem Carl Lewis. Der große Rivale Johnsons und einer der größten Leichtathleten in der Geschichte des Sports hätte unter normalen Umständen gar nicht in Seoul starten dürfen. Kurz vor den Olympischen Spielen wurde er positiv auf die verbotenen Aufputschmittel Ephedrin, Pseudoephedrin und Phenylpropanolamin getestet. Der US-Verband wandelte die dreimonatige Sperre in eine Warnung um, damit Lewis in Seoul überhaupt starten konnte.

Das Mittel Pseudoephedrin hatte auch der spätere Zweite, Linford Christie, genommen. Doch auch er konnte die Fahnder davon überzeugen, dass er das Präparat nicht absichtlich genommen hatte. Allerdings entkam Christie den Kontrolleuren nicht: 1999 wurde er bei einer Dopingkontrolle positiv auf das verbotene Mittel Nandrolon getestet. Daraufhin trat der Brite zurück.

Der spätere Vierte, Dennis Mitchell (USA), wurde zehn Jahre nach dem Finale in Seoul des Dopings überführt. Bei ihm wurden 1998 Rückstände verbotener Dopingsubstanzen im Blut nachgewiesen. Desai Williams, der spätere sechstplatzierte, wurde zwar nie des Dopings überführt. Allerdings gab der Kanadier später zu, anabole Steroide verwendet zu haben. Der Letzte des Finales, der Jamaikaner Raymond Stewart, war in den Dopingskandal des amerikanischen Unternehmens Balco verwickelt und wurde lebenslang gesperrt. Lediglich den Gewinner der Bronzemedaille, Calvin Smith (USA), und den Fünften, den Brasilianer Robson da Silva, umgeben keine Dopinggerüchte.

Überführt wurde in Seoul aber nur Ben Johnson. Wobei dem Kanadier schon Jahre zuvor immer wieder Doping vorgeworfen worden war. Später gab Johnson zu, dass er bereits seit 1981 systematisch gedopt hatte. Allerdings beharrt er darauf, dass er nie mit Stanozolol experimentiert habe - also dem Mittel, mit dem er in Seoul überführt wurde. Johnson schürte seither immer wieder Gerüchte, dass er von Carl Lewis sabotiert worden sei. Dieser solle einen Bekannten damit beauftragt haben, das Bier zu manipulieren, das er bei der Dopingprobe nach dem Finale getrunken hatte. Beweise dafür gibt es allerdings keine.

Unabstreitbar war allerdings Johnsons zweiter positiver Dopingtest, einige Zeit nach seiner zweijährigen Dopingsperre. 1993 wurde er als Wiederholungstäter lebenslang gesperrt. Was von ihm bleibt: Auf ewig wird der Name Ben Johnson als Hauptdarsteller des schmutzigsten Rennens in der Geschichte der Leichtathletik verbunden bleiben.

Timo Schoch