''Das Reinheitsgebot prägt den deutschen Bierstil''

22.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:55 Uhr
Georg Schneider −Foto: Brauerei Schneider

Kelheim (DK) Er verkörpert den bayerischen Mittelstandsbrauer wie kaum ein anderer. Georg Schneider leitet in sechster Generation die Brauerei Schneider in Kelheim. Sein Anspruch besteht darin, in dem über 130 Jahre alten Familienunternehmen Tradition und Innovation bei der Bierherstellung gezielt zu verknüpfen. Die Brauerei Schneider verwendet ausschließlich Rohstoffe aus der Region und exportiert ihre Biere in 42 Länder.

Herr Schneider, Sie sind Braumeister und Biersommelier. Erkennt man ein nicht nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier am Geschmack?

Georg Schneider: Ja, man schmeckt den Unterschied, denn diese Biere werden mit Rohfrucht oder Fruchtzusätzen gebraut. Aber ein nicht nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier muss deswegen nicht uncharmant sein.

 

Kann man ohne Reinheitsgebot überhaupt gutes Bier brauen?

Schneider: Selbstverständlich. Es gibt ja viele unterschiedliche Brauarten und Bierstile sowie viele Wurzeln und Kulturen des Bierbrauens. Und man arbeitet überall mit den Materialien, die leicht verfügbar sind. In Afrika und Asien sind das andere Rohstoffe als in Mitteleuropa. In Afrika etwa wird mit Bohnen oder Hirse Bier gebraut. In Bayern haben wir das Reinheitsgebot und darauf sind wir stolz.

 

Aber sogar bei uns gelangt der Hopfen meist in Form von Pellets ins Bier, das Wasser wird aufwendig enthärtet.

Schneider: Die Ausgangsprodukte für Bier waren nie naturbelassen. Das Wasser wird aufbereitet. Das ist gut, um Verunreinigungen herauszufiltern.

 

Was passiert mit dem Hopfen?

Schneider: Der Hopfen ist eine Aromapflanze aus der Gattung der Hanfgewächse. Würde man ihn nicht trocknen, verlöre er schnell die Bitterstoffe. Das Lupolin, das die Aromen enthält, wird bei Tiefkühltemperaturen herausgeschüttelt und zu Pellets gepresst. Bei der Herstellung von Hopfenextrakt wird das Lupolin mit Alkohol aus den Dolden gelöst. Der Hopfenextrakt muss aber dann unbedingt auf dem Bieretikett ausgewiesen werden.

 

Warum dürfen trotz des Reinheitsgebotes beim Brauprozess Hilfsstoffe verwendet werden?

Schneider: Es gibt Hilfsstoffe, die erlaubt sind. Natürliche Buchenspäne, an denen die Hefe absinkt, waren früher sehr verbreitet. Kieselerde hilft, feinste Partikel, an denen sich Eiweiß ablagert, herauszufiltern. Das unterstützt den Brauprozess, aber diese Stoffe kommen alle wieder heraus aus dem Bier.

 

Befördert das Reinheitsgebot den Trend zum Einheitsbier?

Schneider: Das sehe ich überhaupt nicht so. Auch mit dem Reinheitsgebot ist eine unglaubliche Vielfalt an Geschmacksnuancen möglich: Es gibt etwa 24 Milliarden verschiedene Geschmacksvarianten. Diese ergeben sich aus unterschiedlichen Brauverfahren, Malzen, Hefen, Hopfenarten und der Wasserqualität.

Das Reinheitsgebot ist also auch nach 500 Jahren nicht veraltet?

Schneider: Nein, das Reinheitsgebot ist aktueller denn je. Wir haben immer mehr mit Umweltverschmutzung zu tun. Die Herstellungsmethoden auf vielen Feldern sind nur noch gewinnoptimiert. Deshalb ist das Reinheitsgebot wichtiger als je zuvor.

 

Sind ausländische Brauereien international erfolgreicher als die deutschen, weil sie nicht nach dem Reinheitsgebot brauen müssen?

Schneider: Nein. Die deutschen Brauereien haben einen großen Anteil am Weltmarkt. Das Reinheitsgebot prägt den deutschen Bierstil. Das ist den Konsumenten bekannt und damit ein wichtiges Verkaufsargument. Genauso wissen die Verbraucher, dass belgisches Bier oft nach Früchten und englisches Bier nach Schokolade schmeckt.

 

Die auch in Deutschland expandierende Craftbier-Branche glaubt, das Reinheitsgebot verhindere einfallsreiche Biere.

Schneider: Ich laste der Craftbier-Szene an, dass sie behauptet, das Reinheitsgebot behindere sie. Kreativität entwickelt nicht, wer andere Stile nachahmt, sondern wer aus Vorhandenem Neues schöpft. Michelangelo hatte auch nur einen gewöhnlichen Steinblock, um daraus den David zu schlagen.

 

Ist das nach dem Reinheitsgebot gebraute Bier gesünder?

Schneider: Das kommt auf die Dosis an. Ein Bier mit Rohfrucht ist gewiss nicht ungesund. Es gibt tolle Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut sind. Aber das Reinheitsgebot ist wie ein genetischer Code, der für einen speziellen Genussaspekt sorgt.

 

Was macht ein gutes Bier aus?

Schneider: Es muss vor allem schmecken. Wenn man die zweite Halbe noch mit Lust trinkt, ist es mit Sicherheit ein gutes Bier. Man merkt dem Bier an, ob es in Ruhe gereift und mit Liebe gebraut ist.

 

Sie lassen in der Brauerei Schneider im Stil der Craftbier-Brauer Bier in Barrique-Fässern reifen. Ist ein Verstoß gegen das Reinheitsgebot?

Schneider: Nein. Das Holz der Fässer gibt immer Stoffe ab. Mit den Craftbier-Brauern darf es nicht ein Entweder-oder, sondern es muss ein Sowohl-als-auch geben. Ich will, dass junge Brauer etwas ausprobieren und der Bierbranche neue Möglichkeiten eröffnen. Als Biersommelier liebe ich es, interessante Sorten zu verkosten. Aber zum krönenden Abschluss trinke ich ein nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier.

 

Das Gespräch führte Harald Rast.