Ingolstadt
Das Recht auf Feierabend

DGB-Landeschef Matthias Jena spricht auf Maikundgebung in Ingolstadt Redner fordern: "Sonntag muss frei bleiben"

01.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr
Bayerns DGB-Landesvorsitzender Matthias Jena machte sich bei der Maikundgebung in Ingolstadt für Arbeitnehmerrechte stark. −Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Die große Anzeigentafel am Ingolstädter Brückenkopf zeigte den Wert 2,10 an, als die Gewerkschafter sich gestern kurz vor 10 Uhr zum Demonstrationszug bei ihrer Maikundgebung versammelten. Mal ging er ein wenig rauf, mal wieder runter. Gemeint war der Donaupegel in Meter, aber es schien fast so, als hätte da einer was zur Einstimmung hingedreht. 2,10 Prozent mehr Lohn in der Metallbranche hatten die Arbeitgeber zwei Tage zuvor geboten, plus 0,3 Prozent Konjunkturbonus. Viel zu wenig, befand der 1. Bevollmächtigte der IG Metall, Johann Horn, gestern bei der Großveranstaltung am Ingolstädter Paradeplatz und drohte: "Wenn sie uns nicht verstehen, dann sollen sie uns an unseren Taten erkennen." Und die laufen auf Warnstreiks hinaus, ganz klar.

Der Schutz des freien Sonntags, das Recht auf Freizeit, die Solidarität mit den Flüchtlingen und Forderungen nach mehr Lohn für die Beschäftigten in der Metallbranche waren am Sonntag die zentralen Themen bei der Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Gut 1600 Menschen verfolgten die Reden von Bayerns DGB-Vorsitzendem Matthias Jena, des evangelischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm, des DGB-Jugendvertreters Maximilian Resch und des Ingolstädter DGB-Vorsitzenden Bernhard Stiedl.

Jena machte das Recht der Arbeitnehmer auf "Freizeit, die diesen Namen verdient" zu einem Schwerpunkt seiner Rede. "Immer mehr Beschäftigte müssen per E-Mail oder Handy rund um die Uhr erreichbar sein, das geht brutal zulasten der Beschäftigten und ihrer Familien. Deshalb fordern wir das Recht auf Nichterreichbarkeit, das Recht auf Feierabend." Zugleich erteilte er der Sonntagsarbeit eine Abfuhr - schon jetzt würden zwei der sieben Millionen Beschäftigten in Bayern am Sonntag arbeiten.

Der DGB-Landeschef sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, den Missbrauch bei der Leiharbeit zu stoppen. "Werkverträge, die mit dem Ziel vergeben werden, Billigarbeit zu organisieren, gehören verboten." Ein Gesetzesentwurf sei zwar auf den Weg gebracht, aber "was macht die CSU? Sie blockiert! Herr Seehofer, gehen Sie endlich runter von der Bremse. Sie befördern damit eine Zweiklassengesellschaft im Betrieb, ausschließlich eingerichtet, um Löhne zu drücken und Mitbestimmung auszuhebeln", griff Jena den Ministerpräsidenten in seiner Heimatstadt an.

Bernhard Stiedl hatte zuvor die "gesellschaftliche Spaltung in unserem Land" beklagt, Einkommens- und Vermögensverteilung würden immer weiter auseinandergehen. Deshalb seien gute Tariflöhne wichtig, um gegenzusteuern. Er plädierte für Arbeit, die nicht krank mache, von der man leben könne und bei der Mitbestimmung möglich sei. "Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmer, die ordentlich arbeiten, am Sozialamt aufschlagen, um ihr Einkommen aufstocken zu lassen", hatte auch Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel in seiner Begrüßung festgestellt. Er prangerte zudem die "unsolide Zinspolitik unserer EZB" an .

Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erteilte der Sonntagsarbeit eine klare Abfuhr. "Ich bin sehr dankbar dafür, dass Kirchen und Gewerkschaften hier in großer Einigkeit Nein sagen." Materieller Wohlstand steht für den Kirchenmann nicht mehr im Vordergrund. "Das viel wichtigere Ziel ist die Steigerung des Beziehungswohlstandes. Niemand muss sich wundern, wenn Familien auseinanderbrechen, weil es keine Tage mehr gibt, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass alle Zeit haben."

Quer durch die Veranstaltung zog sich der Gedanke, Flüchtlinge weiter mit offenen Armen in Deutschland aufzunehmen und rechten Gruppen entgegenzutreten. Das Engagement der vielen Ehrenamtlichen, aber auch bei Behörden, Hilfseinrichtungen und Polizei, fand große Anerkennung. Wie Integration funktionieren kann, zeigte DGB-Landeschef Jena auf: "Bei Audi in Ingolstadt arbeiten Beschäftigte aus 97 Nationen. Gemeinsam, Hand in Hand und gleichberechtigt."

"Platzverweis für Nazischeiß!" hieß es dann auch auf Anhängern, die zu Hunderten an Ballonen in den Himmel schwebten. "Ingolstadt ist bunt", erklärte Bernhard Stiedl. "Wir überlassen diese Stadt nicht den braunen Rattenfängern." Zuvor hatte Maximilian Resch von der DGB-Jugend schon vor Propaganda gewarnt: "Nur weil jemand auf Facebook oder irgendwo im Internet liest, ein Flüchtling bekomme 1000 Euro im Monat, heißt das noch lange nicht, das dass so ist."