Ingolstadt
Das Protokoll als Geheimpapier

Die Niederschriften nach den Sitzungen des Stadtrates sind im Netz nicht zu finden

29.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr
Monika Müller schreibt mit: Die Mitarbeiterin des Hauptamtes ? hier bei der gestrigen Sitzung des Sportausschusses ? ist eine der städtischen Protokollführerinnen. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Was der Stadtrat beschließt, betrifft in irgendeiner Form jeden Ingolstädter Bürger. Aber die wenigsten haben Zeit und Lust, stundenlange Sitzungen im Rathaus zu verfolgen oder im Livestream anzuhören. Wer die Protokolle der Debatten im Internet nachlesen möchte, sucht vergeblich.

Laut Geschäftsordnung des Stadtrates steht die "Einsichtnahme in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen allen Gemeindebürgern frei". Und weiter: "Die Veröffentlichung von Sitzungsniederschriften im Internet oder sonstigen Medien bedarf der Zustimmung des Stadtrates."

In der jüngsten Vollversammlung unternahm die BGI-Fraktion einen Versuch, die Protokolle künftig im Netz zugänglich zu machen. Mit ihrem Antrag wollte die Bürgergemeinschaft "dem Wunsch vieler Ingolstädter Bürger" nachkommen, die sich "über den Inhalt und die Diskussionen über die im Stadtrat behandelten Themen informieren möchten, ohne dabei das Rathaus persönlich aufsuchen zu müssen". So könnte man den Leuten auch ein "Archiv an die Hand" geben mit Informationen über frühere Sitzungen. Der Vorschlag der BGI: Die Protokolle könnten auf der Homepage der Fraktion - nach der Genehmigung durch den Stadtrat - veröffentlicht werden. OB Christian Lösel zitierte dazu im Plenum eine Stellungnahme mit kritischen Einwänden des städtischen Datenschutzbeauftragten Hans-Jürgen Löffler, woraufhin BGI-Fraktionschef Christian Lange den chancenlosen Antrag zurückzog.

Stadtpressesprecher Gerd Treffer warnt vor einem großen zeitlichen und auch finanziellen Aufwand, wenn der Stadtrat sich künftig für eine Veröffentlichung im Netz entscheiden sollte. "Die Genehmigung der Sitzungsniederschrift genügt nicht", sagte er auf Anfrage. Nach Treffers Einschätzung müsste nämlich jeder einzelne Stadtrat, der genannt wird, ausdrücklich sein Plazet geben und die Freigabe erteilen. Die pauschale Zustimmung des Gremiums sei "juristisch nicht ausreichend".

In vielen anderen Städten und Gemeinden sieht man das offenbar wesentlich lockerer. Dort scheint die Veröffentlichung im Netz kein allzu großes Problem zu sein. Eine stichprobenhafte Suche des DK im Internet brachte in nur zehn Minuten ein halbes Dutzend Treffer. Die vergleichbar großen Städte wie Würzburg und Fürth stellen ihre Protokolle ebenso der Allgemeinheit online zur Verfügung wie Feuchtwangen, Moosburg und Töging am Inn.

Die Landeshauptstadt München bietet sogar einen besonderen Service, indem sie ausführliche Wortlautprotokolle publiziert. Darin ist jeder einzelne Zwischenruf festgehalten - bis hin zu Beifallsbekundungen der Fraktionen.