Neuburg
"Das Problem wird totgeschwiegen"

Der neu gegründete Verein "Maria Help" unterstützt Drogenabhängige auf dem Weg aus der Sucht

23.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr
ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein Mann setzt sich am 14.05.2011 in München (Bayern) eine Heroinspritze in den Arm. (zu dpa «So viele Drogentote wie seit 2009 nicht mehr» vom 30.12.2016) Foto: Frank Leonhardt/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit −Foto: Frank Leonhardt (dpa)

Weichering (DK) Mit 13 ein bisschen Haschisch aus Jux und Laune, später dann auch pushende Sachen, Speed und Kokain, und schon drehte sich die Spirale - nach unten.

"Nach einem Unfall hab ich Schmerzmittel bekommen und bin hängengeblieben, bis ich mir auf dem Schwarzmarkt Heroin gekauft habe", erzählt Peter H. ( Name geändert ) aus Neuburg. "Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich alles und jeden verloren hatte", erinnert sich der hagere Mittdreißiger. "Die Leute haben nicht mehr den coolen Peter gesehen, sondern nur noch den Junkie, der das Zeug vom Teufel aus dem Arsch nimmt." Was er alles genommen hat? "Frag lieber, was ich nicht genommen hab': Crack und Badesalz, sonst alles." Keine Frau mehr, kein Kontakt zu seinem kleinen Sohn, und auch sein bester Freund hat sich abgewendet. "In dem Moment stand ich vor der Entscheidung: Kaufst Du Dir was und drückst Dich weg? Oder machst Du einen kompletten Cut?"

Peter H. entschied sich für das Leben. Und für eine Drogentherapie. Während der Substitution lernte er Nicole Brunner kennen. Die medizinische Fachangestellte und er schlossen Freundschaft, hielten auch nach der stationären Zeit den Kontakt - und haben im Dezember zusammen mit fünf Krankenschwestern, Gesundheitspflegerinnen und suchtmedizinischen Assistentinnen den Verein "Maria Help" gegründet, um Drogenabhängigen zu helfen.

"Die Dunkelzifferist enorm hoch.

Nicole Brunner, Vereinsvorsitzende

 

Noch nicht einmal seit vier Monaten gibt es den Verein und schon haben sich über 30 Menschen mit Suchtproblem gemeldet. "Es wird in der Region 10 totgeschwiegen, dass wir ein Drogen- und Medikamentenproblem haben", sagt Vorsitzende Brunner. "Die Dunkelziffer ist enorm hoch."

Besonders Medikamente würden zunehmend zum Problem. Peter H. kennt alle gängigen Maschen, wie man an die verschreibungspflichtigen Schmerzmittel kommt, Ärzte, Apotheker und Krankenkassen austrickst. Fentanyl, Tilidin, Tramadol, Lyrica, Benzodiazepine, Ritalin: Der Ex-Junkie erklärt genau, wie erschreckend einfach es ist, an die Medikamente zu kommen. Allzu schnell entstehe eine Sucht, so die beiden Vereinsaktiven. "Wenn die Mittel als Pflaster verschrieben werden, kochen die Süchtigen ihre Suppe daraus", berichtet Brunner - was lebensgefährlich sei, weil die Dosis nicht abzuschätzen sei. Und auch was illegale Drogen angeht, bekomme man in Neuburg und der Region alles auf dem Schwarzmarkt, sagt Peter H., der die Straße kennt.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass der noch junge Verein "Maria Help" viele Anfragen verzeichnet. "Wir haben festgestellt, dass die Drogentherapie, die von den Krankenkassen abgedeckt wird, nicht ausreicht, weil es auch einer sozialpädagogischen Hilfe bedarf", erklärt Brunner. So unterstützen die Aktiven ihre Klienten dabei, einen geregelten Tagesablauf zu bekommen, Gerichtstermine einzuhalten, Behördengänge hinter sich zu bringen, stellen Kontakt zu Ärzten her und sind über ein Bereitschaftshandy rund um die Uhr erreichbar.

"Man hat immer Grenzbereiche, wo die Belastung und der Stress so groß sind, dass man unmittelbar davor steht, wieder Drogen zu konsumieren", sagt Dr. Eduard Boniakowski. Der Mediziner mit einer eigenen großen Substitutionspraxis in Regensburg arbeitet mit dem Verein "Maria Help" als Ansprechpartner in medizinischen Fragen zusammen, dessen Engagement er für sehr wichtig hält. "In solchen Situationen wirkt der Verein wie ein Seil, an dem man sich festhalten kann." Boniakowski bestätigt, dass es Probleme mit Schmerzmitteln gibt. "Grundsätzlich ist der Einsatz von Lyrica, Benzodiazepinen und Opioiden im niedergelassenen Bereich sehr kritisch zu hinterfragen." Beschaffungskriminalität, Krankenkassenkosten, Sozialausgaben: Der volkswirtschaftliche Schaden der Drogensucht sei enorm. Von den Schäden in den Familien ganz zu schweigen.

Peter H. hat mittlerweile wieder regelmäßig Kontakt zu seinem elfjährigen Sohn, treibt Sport, ist seit eineinhalb Jahren sauber und weiterhin in der Substitution, hat eine Arbeit - und engagiert sich nun im Verein "Maria Help". Die sieben Aktiven hoffen, dass sich einige Sponsoren und Fördermitglieder finden, sind außerdem in Kontakt mit anderen Initiativen wie der Caritas, um Kooperationen zu knüpfen.

 

Der Verein "Maria Help" hat seinen Sitz im Siedlungsweg 17 in Lichtenau und ist erreichbar unter Telefon (08450) 653 30 44 oder unter dem Bereitschaftshandy (0176) 84952810 sowie per E-Mail an maria-help-ev@outlook.de. Weitere Infos gibt es auch unter www.maria-help-ev.de im Internet.